Moviebase 100 Tears
Eine Clownphobie ist so realistisch wie jede andere Angst auch. Und doch können wir in diese Richtung geartete Menschen spätestens seit Stephen Kings ES ein wenig besser verstehen. Betroffene sollten deshalb auch einen weiten Bogen um 100 TEARS machen, bei dem es sich um ein weiteres Werk des Amerikaners Marcus Koch handelt. Im Film hackt, stückelt und sägt sich ein Killer durch Tampa, Florida, immer auf der Spur nach dem nächsten Opfer, völlig unbarmherzig. Im Gegensatz zu Pennywise ist Gurdy der Clown auch noch völlig real. Was für einige Lebewesen pure Schweißausbrüche bedeutet, soll uns hingegen tierischen Spaß bereiten. Wie die low budget Produktion unter dieser Prämisse funktioniert, zeigen wir Euch anhand unserer Besprechung.
Gelangweilt von den immer gleichen Arbeiten für die örtlichen Lokalblätter nehmen zwei Journalisten das Ruder selbst in die Hand, um mit der ultimativen Story Schlagzeilen zu schreiben. Ein gefundenes Fressen ist da die Meldung über einen Serienkiller, der nicht weit vom Wohnsitz des ungleichen Paares sein Heim aufgeschlagen haben soll. Wie ein Glückstreffer scheint es da, dass der Tränen-Killer dieser Zeit erneut seit Unwesen treibt, nachdem die Polizei seit 20 Jahren im Dunkeln tappte. Die Spurensuche in der umliegenden Gegend kann also beginnen. Als sie am Tatort der ersten Morde ankommen, scheint die Fährte gelegt. Mark und Jennifer verfolgen eine heiße Spur, lassen dabei jedoch völlig außer Acht, in welche Gefahr sie sich begeben.
Dumm und dümmer, smart und einfältig? Ungleicher und witziger könnten Mark und Jennifer, verkörpert von Joe Davison und Georgia Christ, kaum noch sein. Beide leben in einer nicht näher definierten Zweckgemeinschaft zusammen, durchleben den Tag, schreiben Artikel und beschäftigen sich nebenher natürlich auch mit der Spurensuche. Als notorischer Angsthase und Faulpelz stellt Mark die Geduld Jennifers mehr als einmal auf eine harte Probe. Zu Filmbeginn wirkt das Spiel der beiden Darsteller leicht stumpf und unsicher, steigert sich im Laufe der Spielzeit erfreulicherweise ersichtlich. Sie bilden den roten Faden in der ansonsten leicht unausgefeilten Storyline. Ein perfektes, unperfektes Paar, das immer einen lockeren Spruch auf den Lippen hat.
Mark und Jennifer bleiben jedoch nicht völlig allein. Einschübe erzählen von den Taten Gurdys, der sich munter durch die Reihen schlachtet, ohne bei der Polizei auch nur in Verdacht zu geraten. Hier manifestiert sich dann auch die vorzeigbare Stärke eines 100 TEARS. Marcus Koch, Regieneuling und Make-Up Guy solcher Produktionen wie Citizen Toxie, Ghost Lake oder Live Evil, fährt alles auf, was die handgemachte Innereien-Spielerei heutzutage bewerkstelligen kann. Da kommt es dann auch vor, dass Opfer vier- oder fünfgeteilt am Boden liegen, Blutfontänen in die Luft spritzen und die Kamera den roten Saft direkt an der Linse kleben hat. Wie es sich für ein ordentliches Splatterwerk gehört, in der unnatürlichsten Massenhaftigkeit wie nur eben möglich. Filmfans, die in diesem Aspekt die wirkliche Stärke einer Produktion sehen, sind bei der deutsch-englischen Arbeitsgemeinschaft mehr als hervorragend aufgehoben.
Für anderweitig orientierte Filmliebhaber bietet 100 TEARS da schon wesentlich weniger. Die eingangs erwähnten Blödeleien des ungleichen Journalisten-Duos halten die Produktion nicht dauerhaft über Wasser. Im Eifer des Gefechts verliert sich Koch zu sehr in der Ausdehnung geschichtlicher Details, was vor allem auf das unnötig in die Länge gezogene Finale zutrifft. Um zwanzig Minuten gestrafft, würde die Hatz deshalb auch in einem wesentlich direkteren Licht erscheinen. Mit dem Wissen um die fehlenden Elemente, soll ein Twist den Spannungsbogen deutlich in die Höhe schießen lassen, wüsste der Zuschauer nur nicht bereits weitaus früher, was da im Dickicht für Enthüllungen auf ihn warten. Von Löchern im Grundgrüst sehen wir deshalb auch gerne ab. Schließlich macht Gurdy, gespielt von einem griesgrämigen Jack Amos, seine Sachen wirklich gut. Die immer gleichen Abläufe geben diesem Pluspunkt jedoch einen fahlen Nachgeschmack.
In dem Blickwinkel betrachtet, der 100 TEARS noch am gezieltesten trifft, nämlich die Freude an dem zur Schau gestellten, leistet das Ensemble gute Arbeit, sind die Effekte hausgemacht und laden Pointen zum Schmunzeln ein. Als Unterhaltung für einen geselligen Abend dürfte mit dem Griff zum Clown deshalb auch keine Fehlentscheidung getroffen sein. Andere Zielgruppen werden sich mit großer Sicherheit durch die verwendete Technik, die lückenhafte Geschichte und nicht immer szenengerechten Auftritte der Akteure vergrämt fühlen. Die Filmschaffenden sollten sich hingegen nicht grämen, denn in Anbetracht des geringen Budgets bietet 100 TEARS unter dem Deckmantel einer trashigen Metzelei noch immer genügend Unterhaltung pro US-Dollar.
>> verfasst von Torsten Schrader