Moviebase Ex Drummer
Herman Brusselman, Schriftsteller aus Belgien, wird in seiner Heimat gehasst. Seine Werke seien zu krass, zu krank, zu hart. Und gerade einen Roman dieses Autors wählte der angehende Regisseur Koen Mortier für ein Spielfilmdebüt. Gewagt und vielleicht auch riskant, sich direkt solchen Materials anzunehmen. EX DRUMMER muss man selber gesehen haben, um wirklich zu begreifen, was man in einem Text nicht herüberbringen kann. EX DRUMMER ist verstörend, beschämend, krass, gnadenlos und erschütternd. EX DRUMMER ist ein Meisterwerk.
Drei „behinderte“ Musiker aus Belgien gründen eine Band. Leider fehlt zum vollendeten Glück noch ein Schlagzeuger. Also machen sich die drei auf den Weg, einen berühmten Schriftsteller zu besuchen, der auch hervorragend drummen soll. Dieser ist aber zunächst eher weniger von der Idee angetan, mit drei behinderten Losern Rockmusik auf Festivals ertönen zu lassen. Da das ganze Vorhaben aber irgendwo auch wieder lustig ist, willigt der Drummer ein und befindet sich bald inmitten einer total abgefuckten Band. Nicht, dass ihm das was ausmachen würde, doch um beim Contest in Leffinge erfolgreich bestehen zu können, muss auch geprobt werden. Bishin zum Auftritt vergeht allerdings einige Zeit, die mit Sex, Drogen, Gewalt und vielem mehr bestritten wird.
EX Drummer ist einer dieser Filme, die man nicht so einfach wieder aus seinem Kopf bekommt. Zu verstörend und unfassbar sind die Bilder, die den Zuschauer erwischen wie der berühmte tritt in die Eier. Man mag noch so hartgesotten sein, noch so taff – bei EX DRUMMER geht’s an die Substanz. Dabei spiegelt das Spielfilmdebüt vom äußerst sympathischen Koen Martier den Verlauf einer sich gründenden Rockband dar, der so erschütternd authentisch inszeniert wurde, dass einem schon mal das Popcorn im Hals stecken bleibt. Nein, zum Popcorn-Kino gehört EX DRUMMER wahrlich nicht.
Wenn man den Film gesehen, das Buch aber nicht gelesen hat, stellt man sich die Frage, wie das Gezeigte denn erst schriftlich zur Geltung kommt. Bis heute galten die Werke Brusselman als unfilmbar, Martier hat’s geschafft – mit Bravour. Nicht zuletzt, weil seine Freunde die Hauptrollen des Films besetzten, macht den Streifen so nachvollziehbar, so schockierend und beschämend, dass man bei einigen Szenen am liebsten sagen möchte: Nein, da habe ich nicht hingeguckt bzw. zugehört. Doch, man schaut hin und man nimmt auch die mit sexistischer und derber Sprache ausgestatteten Gespräche der Protagonisten mit mehr als einem Ohr wahr. So drastisch und brennend die Bilder von EX DRUMMER sind, sie schaffen es einfach, den Zuschauer an seinen wunden Stellen zu treffen.
Herrschen solche Zustände tatsächlich in Belgien oder wenn nicht in Belgien, dann vielleicht woanders auf der Welt? Kann man wirklich so drauf sein wie die Menschen in EX DRUMMER? Fragen, die einem lange nachlaufen und so EX DRUMMER immer wieder ins Gedächtnis zurückholen. Und eben solche Szenen wie die mit Dicker Schwanz, dem Drummer und seiner Frau Erna, die dem Besuch demonstrieren soll, dass Dicker Schwanz nicht umsonst Dicker Schwanz genannt wird. Sie lüftet das Röckchen und der Betrachter befindet sich mit Dicker Schwanz und Drummer Dries in einem riesigen, roten Kanal wieder. Das Geschlechtsteil der Frau wird von Dicker Schwanz auch liebevoll „explodierte Ratte“ genannt.
Wer angesichts dieser Worte schon Schlucken muss, sollte sich dreimal überlegen, ob er mit EX DRUMMER und seinen Auswirkungen klar kommen wird. So schnell los kommt man von diesem Trip nicht mehr. Der Mix aus harter Rockmusik, Sex und einer Gewalt, die uns Zusehern böse aufstößt, macht aus EX DRUMMER einen Mindfucker der allerersten Güte. Das Finale deprimiert dann wohl auch den letzten Zuschauer, falls es der Film bis dahin nicht schon so getan hat, dass einen nichts mehr deprimieren kann.
EX DRUMMER muss man gesehen haben, um zu begreifen, was da eigentlich passiert. Beschreiblich ist Martiers Werk kaum, dafür ist das Dargestellte einfach zu erschütternd und mitnehmend. Absolut kein Film, der mal so zwischendurch angeschaut werden kann. EX DRUMMER braucht Zeit zur Verarbeitung. Doch auch nach dieser wird er für immer präsent sein.
>> verfasst von Janosch Leuffen