Moviebase Midnight Meat Train
Für Außenstehende ist das New Yorker U-Bahnsystem ein erschreckender Moloch. Natürlich gilt das sowieso für Menschen, denen zum Beispiel die Berliner U-Bahn Furcht einflößt, aber selbst nach Berliner Standards ist die New York Subway ruppig, schmutzig und latent unheimlich. Das liegt sicher auch an den vielen Filmen, in denen die U-Bahn-Schächte (nicht nur die New Yorker) Hort und Heimat unangenehmer Zeitgenossen sind - ein Film wie „Creep“ ist da sogar noch recht harmlos.
„The Midnight Meat Train“ wird wohl keinen Ruhm dadurch erlangen, dass er diese Vorurteile und Ängste abbaut, ganz im Gegenteil: Schon im Filmtitel deutet sich an, was im Verlauf des Films zu erwarten ist. Nachts, wenn die U-Bahn nahezu leer ist, werden die Schlachtwerkzeuge ausgepackt.
Der aufstrebende Fotograf Leon Kauffman (Bradley Cooper) fotografiert eher zufällig eine junge Frau in den Minuten vor ihrem Verschwinden. Da er für die Galerie von Susan Hoff (Brooke Shields) Fotos machen soll, die den Verfall und das Leben in der Stadt unverfälscht und in ihrer ganzen Intensität darstellen, begibt er sich immer wieder nachts auf die Straßen und in den Untergrund New Yorks. So kommt er auf die Spur eines geheimnisvollen Mannes (Vinnie Jones), der tagsüber in einem Schlachthof arbeitet und nachts immer bestimmte späte U-Bahnen nimmt. Dieser Mann scheint irgendwie mit dem Verschwinden der Frau in Zusammenhang zu stehen, und Leon macht sich auf die Suche nach weiteren Indizien. Wie besessen von diesem Thema zieht er schließlich sogar seine eher skeptische Freundin Maya (Leslie Bibb) mit in seinen – allerdings keineswegs ungerechtfertigten – Wahn hinein.
Schon in den ersten Einstellungen von „The Midnight Meat Train“ wird deutlich, dass der geheimnisvolle Metzger in der Tat wenig Gutes im Schilde führt. Trotzdem legt der Film eine ganze Reihe von falschen Fährten, so dass nie so recht klar wird, womit wir es hier eigentlich zu tun haben. Das hängt leider auch damit zusammen, dass die Erzählung keine Richtung zu haben scheint; sie mäandert von diesem Strang zu jenem und lässt dabei oft genug die Spannungszügel sehr locker. Mehr als einmal tun die Hauptpersonen Dinge, deren Motivation sich auch im Nachhinein nicht erschließen mag. Etwas mehr Reduktion oder auch nur Stringenz wäre also angezeigt gewesen.
Immer wieder kehrt der Film natürlich in die U-Bahn als Schauplatz des Schreckens zurück, und dann donnern immerzu Metrozüge knapp am Kameraobjektiv vorbei, schlagen Funken auf Gleisen und Stromabnehmern, sitzen Menschen im kalten Licht der Waggons. Manchmal hängt sich die Kamera an einen vorbeirasenden Zug, dass einem schwindlig wird – hier haben sich ein paar CGI-Leute herzlich ausgetobt. Die Einstellungen und Kamerafahrten werden allerdings schnell so stereotyp, dass man sie nicht mehr sehen mag. Aufsehen erregend ist da allenfalls noch kurz vor dem Finale eine Szene, in der die Kamera viel zu schnell horizontal um einen fahrenden U-Bahn-Wagen kreist, während sich innen zwei Männer auf Leben und Tod mit Hammer und Klingen verdreschen. Das ist spektakulär, aber viel zu hektisch, um genießbar zu sein. Gleichwohl leitet dieses unfokussierte Effektfeuerwerk passend zum ziemlich hanebüchenen Ende über.
Es ist viel Behauptung im Spiel dieses Films. Immer wieder ist von der Stadt als „Hellhole“ die Rede oder von ihrem Verfall, inszeniert wird das aber eher pittoresk, ohne echte Schärfe und ohne die ruppige Authentizität, die Susan Hoff von ihrem neuen Lieblingsfotografen einfordert. Auch Leons Besessenheit von den verschwundenen Menschen und dem geheimnisvollen Metzger erscheint nicht logisch zwingend; vielmehr überkommt sie ihm mit einem Mal, ohne dass er an seinen eigenen, rational gesehen eher seltsamen Überlegungen zweifelt. Das ist wenig überzeugend. So richtig spannend wird es in „The Midnight Meat Train“ übrigens nur einmal, aber das ist ein gutes altes Vor-dem-Mörder-Versteckspiel, bei dem die Kamera effektvoll durch die Kulissen einer kleinen Wohnung fährt. Ansonsten hätte sich Regisseur Ryuhei Kitamura besser daran erinnern sollen, dass die Vorlage seines Hollywood-Erstlings nicht umsonst eine Kurzgeschichte (von Clive Barker) ist - wobei die Betonung auf „kurz“ liegt.
>> verfasst von Rochus Wolff