Moviebase Pathology
Häufig ist es befriedigender, einen richtig grottenschlechten Streifen zu sehen, als einen Film, der vielversprechend beginnt und am Ende seine Verheißungen nicht erfüllt. Der Forensik-Thriller „Pathology“ fällt eindeutig in die zweite Kategorie. Das Autorenduo Mark Neveldine und Brian Taylor (die kreativen Köpfe hinter dem Jason-Statham-Hochgeschwindigkeits-Actioner „Crank“) entwirft hier erneut ein ebenso provokatives wie temporeiches Szenario. Doch wo „Crank“ auch zum Ende hin noch an Wahnwitz und Geschwindigkeit zulegen konnte, fliegt „Pathology“ nun ungebremst aus der Kurve.
Der Harvard-Student Ted Grey („Heroes“-Star Milo Ventimiglia) gehört zu den talentiertesten Nachwuchsmedizinern des Landes. Deshalb erhält er die Chance, für drei Monate an einem prestigeträchtigen Forensik-Programm teilzunehmen. Allerdings hat eine Gruppe von Medizinstudenten, die sich für etwas besseren halten, das Seminar bereits an sich gerissen: Jake Gallo (Michael Weston) und seine Pathologen-Gang sind zwar fachlich topfit, mit dem Eid des Hippokrates haben sie dennoch nichts am Hut. Für sie sind Obduktionen ein Wettstreit und im Anschluss werden die Leichen auch gerne mal für ein lustiges Puppenspiel im „Harry und Sally“-Orgasmus-Stil zweckentfremdet. Als Ted in den elitären Zirkel eingeladen wird, kommt er einem schrecklichen Geheimnis auf die Spur…
Ihr Image als „Halbgötter in Weiß“ haben Ärzte schon lange verspielt. Dennoch ist das Bild des Arztes in Film (zuletzt Richard Gere in „Das Lächeln der Sterne“) und Fernsehen („Emergency Room“, „Grey´s Anatomy“ & Co.) immer noch fast ausschließlich positiv besetzt. Damit räumt der deutsche Regisseur Marc Schölermann, der zuvor Episoden der RTL-Actionserie „Der Clown“ und „Scooter“-Musikvideos inszenierte, in „Pathology“ nun aber ganz gehörig auf. Die Studentencrew um Anführer Gallo entpuppt sich als nihilistische, menschenverachtende Serienkillerbande. Nach dem Motto „Sex, Drugs & Eingeweide“ hat einer nach dem anderen die Aufgabe, einen beliebigen Menschen so zu töten, dass die anderen die Todesursache nicht herausbekommen. Bei diesem perfiden Spiel sind der bösartigen Kreativität der Teilnehmer keine Grenzen gesetzt. Die rothaarige Juliette (Lauren Lee Smith, „One Way“) bringt etwa einen fettleibigen Pädophilen um die Ecke, indem sie ihn flüssigen Stickstoff inhalieren lässt und anschließend auf seine tiefgefrorenen Lungenflügel eindrischt.
Der Ärztestand kriegt also sein Fett weg. Doch auch sein Publikum lässt „Pathology“ auflaufen. Die Sehgewohnheit sagt einem, dass Neuling Ted den bösen Pathologen auf die Schliche kommt, in der forensischen Abteilung ordentlich aufräumt und am Schluss als strahlender Held dasteht. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt: Als die anderen Ted von ihrem Wettstreit erzählen, steigt dieser ohne ein Widerwort mit ein. Von einer Sekunde auf die nächste wird der Heldenstatus des Protagonisten demontiert. Ähnlich wie in der TV-Serie „Dexter“ steht man plötzlich auf der Seite eines Mörders, nur dass Ted Grey im Gegensatz zu Dexter Morgan, der nur Menschen umbringt, die es „verdient“ haben, kein Gewissen kennt. Mit dieser Wendung löscht „Pathology“ auch noch das letzte Fünkchen Glaube an das Gute im Menschen (beziehungsweise: im Arzt) gnadenlos aus.
So weit, so großartig. Doch dann treiben Machtkämpfe und Eifersüchteleien einen Keil zwischen die Killerstudenten, die sich daraufhin gegenseitig abmurksen. Und von da an geht es nicht nur mit den mordenden Pathologen, sondern leider auch mit dem ganzen Film steil bergab. Die Spannung, die Provokationen und jegliche psychologische Logik weichen nun dem puren Trash. Der ist zwar aberwitzig genug, um zu amüsieren. Doch nach dem grandiosen Beginn will man keinen Trash, man will, dass der Film gefälligst genauso saustark weitermacht, wie er angefangen hat. Wenn nach dem absurden Finaltwist dann schließlich der Abspann rollt, hat man beileibe keinen schlechten Film gesehen. Dennoch macht sich maßlose Enttäuschung breit, weil die zweite Hälfte des Thrillers eben nicht ansatzweise hält, was die erste verspricht.
>> verfasst von Marcel Clerici