Moviebase Underworld: Aufstand der Lycaner
In „Underworld“ zog Kate Beckinsale 2003 als Lack-und-Leder-Blutsaugerin in den Kampf gegen die Lykaner. Als sie schließlich Lucian, dem Anführer der Lykaner, gegenüberstand, offenbarte dieser ihr ein lang gehütetes Geheimnis: Vor vielen hundert Jahren waren es nicht, wie immer behauptet, die Lykaner, die den Krieg gegen die Vampire begonnen haben. Vielmehr waren es die Vampire, die die Lykaner knechteten und als ihre Sklaven hielten. Diese Erzählung nimmt im Film, inklusive Rückblenden, etwas weniger als zehn Minuten ein. In dem Prequel „Underworld: Aufstand der Lykaner“ bläst Patrick Tatopoulos, der den Platz auf dem Regiestuhl von Kate Beckinsales Ehemann Len Wiseman übernommen hat, den Inhalt dieser knappen zehn Minuten nun auf Spielfilmlänge auf – ohne dem Ganzen auch nur eine Wendung hinzuzufügen.
Alexander Corvinus war ein Sterblicher, bis der Schwarze Tod ihn erwischte. Doch statt ihn zu töten, machte die Pest ihn unsterblich. Corvinus zeugte zwei Söhne, Markus und William. Markus wurde von einer Fledermaus gebissen, von ihm stammen alle Vampire ab. William fiel ein Wolf an, ihm folgen alle Werwölfe nach. Während die Vampire sich ihre „menschliche Natur“ bewahrten, verwandelten sich die Werwölfe in wilde Tiere, die über alles und jeden herfielen. Das änderte sich erst mit der Geburt von Lucien (Michael Sheen), der im Gegensatz zu seinen Ahnen dazu in der Lage ist, seine Transformation zu kontrollieren. Der Vampirälteste Viktor (Bill Nighy) nutzte diesen Umstand aus, um noch mehr solche Superwerwölfe zu züchten - die Rasse der Lykaner war geschaffen. Mittlerweile ist Lucien Viktors Lieblingssklave. Trotzdem ist der Lykaner mit der Gesamtsituation unzufrieden. Er will Freiheit für sein Volk und Viktors ebenso hübsche wie schlagfertige Tochter Sonja (Rhona Mitra), mit der er schon lange im Geheimen anbändelt. Doch für Viktor gibt es nichts Schlimmeres als eine mögliche Durchmischung der Rassen. Den Sklaven bleibt nur eine Möglichkeit: ein Aufstand…
Gefühle gehörten noch nie zu den Stärken des „Underworld“-Franchise. Oder gibt es irgendjemanden, der Kate Beckinsale und Scott Speedman ihre hingerotzte Liebesgeschichte im ersten Teil ernsthaft abgenommen hat? Bisher war das jedoch nie ein Problem, großzügiger proportionierte Lovestorys hätten der coolen, an „Matrix“-angelehnten Ästhetik sowieso nur im Weg gestanden. Doch im Mittelpunkt von „Aufstand der Lykaner“ steht nun mal eine unmögliche Liebe von shakespeareschen Ausmaßen. Die Parallelen zu „Romeo & Julia“ sind ganz sicher kein Zufall. Trotz dieser Ausgangssituation kommen aber auch diesmal Null Emotionen rüber. Die Liebe zwischen Lucien und Sonja wird einfach behauptet, und zwar in einer stilisierten Sexszene, die peinlicherweise an eine Shampoo-Werbung erinnert. Und auch wenn die schwangere Sonja als Strafe dem Sonnenlicht ausgeliefert wird und ihr Geliebter ihr beim Verkohlen zusehen muss, lässt das den Zuschauer vollkommen kalt.
An der Actionfront sieht es nur leidlich besser aus. Die Kampf- und Schlachtchoreographien gehen, auch wenn überraschend viel Blut spritzt, nie über das Übliche hinaus. Moderne (sprich: zu schnelle) Schnitte und das düstere Setting sorgen aber eh dafür, dass man kaum etwas erkennt. Insgesamt fehlt den Actionszenen einfach die nötige Energie, was auch an den Spezialeffekten liegt. Dem Film sind die Vorlieben von Debüt-Regisseur Patrick Tatopoulos, der für das Kreaturen-Design in allen „Underworld“-Teilen verantwortlich zeichnet, deutlich anzumerken: Die Animatronik- und Maskeneffekte sind nicht zu beanstanden, doch sobald die Werwölfe animiert sind, fällt der Film deutlich ab. Die Wölfe sehen aus, als seien sie einem Computerspiel entliehen, zudem stimmt das Physik-Engine hinten und vorne nicht: Wenn ein Mensch sich in einen Werwolf verwandelt, kann er schneller laufen und weiter springen - alles kein Problem. Aber warum bitteschön fällt ein Werwolf auch schneller? Aufgrund solcher Patzer entwickeln die Lykaner in den Kämpfen keinerlei glaubhafte Körperlichkeit, womit auch die Spannung auf der Strecke bleibt. Lediglich in einer Szene, in der die Vampire mit Riesenbolzen auf die flüchtenden Sklaven schießen und diese berstend in die Wand krachen, geht vom Leinwandgeschehen eine gewisse Power aus.
„Romeo & Julia“ meets „Spartacus“ meets „Der Herr der Ringe“, gewürzt mit Vampiren und Werwölfen - eine vielversprechende Rezeptur, die sich im Fall von „Underworld: Aufstand der Lykaner“ jedoch als geschmacksneutraler Genreeintopf erweist. Es fehlt an Spannung und Emotionen, dafür gibt es hemmungsloses Over- (Bill Nighy) und genauso hemmungsloses Under-Acting (Rhona Mitra). Fans der Reihe können sich den Film aus Gründen der Vollständigkeit ansehen, Neueinsteiger sollten jedoch besser verzichten. Spannend ist hier lediglich die Frage, in welcher Reihenfolge man sich die drei Teile künftig bei einem Vampire-gegen-Werwölfe-DVD-Abend ansehen sollte. Guckt man „Underworld“ zuerst, braucht man „Aufstand der Lykaner“ gar nicht mehr in den Player legen, weil Lucius einem die Story des Films eh schon erzählt hat. Beginnt man aber mit „Aufstand der Lykaner“, versaut man sich den „Underworld“-Twist, dass gar nicht die Werwölfe, sondern die Vampire die Bösewichte sind.
>> verfasst von Marcel Clerici