Moviebase L'auberge rouge
Historienfilme sind selten so historisch akkurat, wie sie gerne zu sein vorgeben; die besseren Beispiele dieser Gattung, die historische Settings nur exploitativ als stimmungsvolles Setting für ihre Geschichten benötigen, setzen sich deshalb von Beginn an gleich konsequent über jeden Anspruch historischer Korrektheit hinweg. Nicht immer geschieht das mit so postmoderner Chuzpe wie etwa in dem oft und gern unterschätzten „Ritter aus Leidenschaft“; besonders gern bedienen sich dieses Kniffs allerdings Filme mit eher schaurigen Sujets, die man gerne in Landschaften vergangener Zeiten verlegen mag.
Tim Burton ist mit seinen eklektischen Filmkompositionen immer gerne für solche nebelwallenden Historiengemälde ohne historische Verankerung zu haben, sei es in „Sleepy Hollow“ oder zuletzt im famosen „Sweeney Todd“; aber auch im französischen Kino findet man eine gewisse Neigung zu diesem Stil, etwa in Christophe Gans’ „Pakt der Wölfe“ von 2001, der eine historische Geschichte mit wüsten Martial-Arts-Kämpfen verbindet und sich dazu kräftig in der Mottenkiste des Schauerfilms bedient.
Auch „L’Auberge rouge“ verweist in seinen ersten Bildern wieder auf dieses Kino. Nebel liegt da in den Tälern der französischen Pyrenäen - die Zeit ist ein unbestimmtes Jahr nach der Französischen Revolution und Restauration -, als ein Spielmann mit seinem dressierten Bären am titelgebenden rot gestrichenen Gasthaus Station machen möchte. Allerdings nimmt der Film eine Wendung, die ihn von den oben genannten Beispielen deutlich unterscheidet: Wie schon viele Besucher vor ihm landet der Spielmann in diesem Gasthaus keineswegs im Bett. Gäste werden hier an die Schweine verfüttert oder unter den Obstbäumen begraben.
Regisseur Gérard Krawczyk, der breiteren Öffentlichkeit am ehesten noch durch die „Taxi“-Filme bekannt, bei deren zweiten, dritten und vierten er im Regiestuhl saß, hat mit dem 2003er-Remake von „Fanfan der Husar“ (1952; auch „L’Auberge rouge“ ist im Übrigen ein Remake) schon eine gewisse Erfahrung mit dem eher humorig angehauchten Kostümkino. Das kommt dem Film zugute, denn anders als viele ähnlich geartete Filme, die sich am schwarzen Humor versuchen („Smokin’ Aces“ war da kürzlich ein abschreckendes Beispiel), entwickelt sich hier die Komik nicht (oder nur selten) aus den Körperverletzungen oder der schieren Opferzahl.
Krawczyk vertraut ebenso wenig nur auf Slapstick und Zoten, obwohl man auch das geboten bekommt; stattdessen entwickelt er viele komische Momente aus den Figuren, baut running gags mit der Zeit immer weiter (auch gegen alle Gesetze der Logik und Wahrscheinlichkeit) aus. Das wird bis kurz vor dem sich dann allerdings etwas hinziehenden Schluss nicht langweilig, auch wenn der Film sich nie so ganz bis zu jenem Ende des schwarzen Humors traut, wo es wehtut und die Befreiung beginnt. Hier geht es immer leichtfüßig-unernst zu, aber komisch ist es dennoch.
Eine wohlhabende Reisegruppe in einer Kutsche strandet nach einem kleinen Unfall im roten Gasthaus. Eigentlich sollen sie mit dem Leben davonkommen, denn die Wirtsleute trauen sich nicht so recht zu, gleich mehrere Reisende auf einmal aus dem Weg zu räumen. Als sie aber erfahren, dass die Straße an ihrem Gasthaus vorbei wohl bald verlassen daliegen wird, weil anderswo ein Tunnel den Weg verkürzen und vereinfachen soll, entschließen sie sich zu einem letzten Coup. Dass der mehr oder minder schief geht, dass es amouröse wie religiöse Verwicklungen gibt, gehört zu den Grundregeln des Genres. Dass der Humor nicht immer der originellste ist, vielleicht auch. Gut unterhalten wird man trotzdem.
>> verfasst von Rochus Wolff