Enthält leichte Spoiler! Ein paar junge Menschen sind unzufrieden mit ihren Lebensumständen, wollen mit einem Diebstahl den großen Coup landen und setzen sich unverhofft einer großen Bedrohung aus. Die Grundzüge des Home-Invasion-Thrillers Don’t Breathe schimmern auch im neuen Titel der Alien-Saga durch. Natürlich mit dem Unterschied, dass sich das Geschehen in den Weltraum verlagert.
Hier wie dort führte der Uruguayer Fede Alvarez Regie und schrieb das Drehbuch zusammen mit seinem Landsmann Rodo Sayagues. Was jenseits der Ähnlichkeiten mit dem 2016 veröffentlichten Einbruchsschocker auffällt:
Die Macher von Alien: Romulus, der zeitlich zwischen dem Ursprungswerk Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt (1979) und dessen Nachfolger Aliens – Die Rückkehr (1986) angesiedelt ist, orientieren sich stark an den Wurzeln der Scifi-Horrorsaga, unternehmen keine philosophischen Exkurse, wie sie Ridley Scott in seinen kontrovers diskutieren Prequels Prometheus – Dunkle Zeichen (2012) und Alien: Covenant (2017) bemühte.
Der Maßstäbe setzende, Sigourney Weaver zu einer der ersten weiblichen Actionikonen machende extraterrestrische Albtraum von 1979 ist für Alvarez trotz diverser Verweise auf die anderen Reihenbeiträge der Hauptbezugspunkt. Sowohl in Sachen Handlungsgestaltung als auch in Fragen der Ästhetik.
Unsere Protagonistin Rain (Cailee Spaeny) lernen wir auf einem höchst unwirtlichen Planeten kennen, der Bergbaukolonie Jackson’s Star, die dem allmächtigen Weyland-Yutani-Konzern gehört. In ewiger Finsternis verbringen nach einem schöneren Leben lechzende Kolonisten ihre Tage in den Minen, wobei es nicht wenige von ihnen dahinrafft.
So auch die Eltern der jungen Rain, die seither mit dem auf ihr Wohlbefinden programmierten, jedoch stark lädierten Androiden Andy (David Jonsson), in dem sie einen kleinen Bruder sieht, auf eine bessere Zukunft hofft. Am liebsten auf dem Himmelskörper Yvarga, auf dem man die Sonne in ihrer ganzen Pracht bestaunen können soll. Als Rain glaubt, ihre Schuldigkeit als Arbeiterin getan zu haben, muss sie entsetzt feststellen, dass ihr weitere Jahre auf Jackson’s Star bevorstehen.
Genau in dieser schweren Stunde meldet sich ihr Ex Tyler (Archie Renaux), der in ein verlassen umherschwebendes Raumschiff der Weyland-Yutani-Corporation einbrechen will, da er dort funktionsfähige Kälteschlafkammern vermutet. Mit ihnen wäre ein Aufbruch zu einem lebensfreundlicheren Planeten möglich.
Zutritt verschaffen soll ihm, seiner Schwester Kay (Isabela Merced), Bjorn (Spike Fearn) und Navarro (Aileen Wu) Rains „Bruder“ Andy, der als vom Konzern entwickelter Roboter keine Probleme haben dürfte, die Türen zu entsichern. Nach kurzem Zögern willigt Rain ein, erlebt aber schon bei der Ankunft die erste Überraschung.
Das Zielobjekt ist kein Raumschiff, sondern eine gigantische Raumstation. Was die Eindringlinge noch nicht ahnen: In den verwüsteten Forschungsräumen wartet eine mörderische Alien-Lebensform nur darauf, aktiv zu werden.
Fede Alvarez und Rodo Sayagues bauen ihre Spannungsdramaturgie ähnlich auf wie Ridley Scott und seine Autoren im meisterlichen Ursprungswerk. Heißt konkret: Auch Alien: Romulus fällt nicht mit der Tür ins Haus, lässt satte 50 Minuten verstreichen, bis es erstmals richtig zur Sache geht. Unheilvolle Andeutungen befeuern das Unbehagen, und ein wunderbar haptisch gestaltetes Setting sorgt für die richtige Atmosphäre.
Die jungen Glücksritter bewegen sich zumeist durch ein reales Set, dem die Ausstattungsabteilung einen glaubhaft heruntergekommenen Anstrich verleiht und das die Kamera in schummrig ausgeleuchteten Bildern einfängt. Sah das technische Equipment in den Prequels von 2012 und 2017 noch recht aseptisch und modern aus, präsentieren sich die Apparaturen und Computer dieses Mal klobig und abgenutzt, erinnern viel mehr an das Design im Originalfilm.
Der Einsatz von CGI-Elementen sticht in dieser Umgebung allerdings deutlich hervor und dürfte in mindestens einem Fall für Diskussionen sorgen. Das Wiedersehen mit einem bekannten Gesicht ist einerseits reizvoll, wirft aber auch Fragen nach der Sinnhaftigkeit auf. Zumal man durch die offenkundigen digitalen Effekte ein wenig aus der filmischen Illusion herausgerissen wird.
Vergleicht man die Figurenführung von Ellen Ripley in Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt und Rain, ergeben sich deutliche Gemeinsamkeiten. Beide sind anfangs weniger aktiv, als man es bei Hauptcharakteren vermuten würde, wachsen dann aber Schritt für Schritt in ihre Rolle als taffe Überlebenskämpferin und Problemlöserin hinein.
Auch wenn Cailee Spaeny engagiert zu Werke geht, reicht sie in ihrer Darbietung nicht an Sigourney Weaver heran, die Verletzlichkeit und Stärke eindrucksvoll ausbalancieren konnte. Nichtsdestotrotz geht man mit Rain und ihrem „Bruder“ mit, deren ungewöhnliche Beziehung eine emotionale Komponente in die Handlung einbringt. Diese wird vielleicht nicht vollends ausgeschöpft.
Andy schwingt sich dank einer wendungsreichen persönlichen Entwicklung jedoch zur interessantesten Figur auf – eine Parallele zu Prometheus – Dunkle Zeichen und Alien: Covenant, wo der von Michael Fassbender gespielte Androide ebenfalls den meisten Eindruck hinterließ. Abseits von Rain und Andy haben wir es in Alien: Romulus größtenteils mit entbehrlichem Kanonenfutter zu tun. Vor allem dem in seiner schlechten Laune durchweg nervtötenden Bjorn wünscht man ein schnelles Ableben.
Nervenkitzel erzeugt der neue Film recht kompetent und setzt seine wie immer sexuell aufgeladenen Monsterattacken routiniert in Szene. Das gewisse Etwas fehlt in manchen Momenten dann aber doch. Etwa im obligatorischen Chestburster-Moment, der seltsam fahrig abgehandelt wird. Derart quälend wie das Ringen im ersten Teil ist das Martyrium hier keineswegs. Ebenfalls nicht ganz glücklich: Alvarez strebt im letzten Drittel eine Melange der Eigenschaften der ersten beiden Kapitel an.
Ein klaustrophobisches Katz-und-Maus-Spiel wächst sich aufgrund einer schon früh etablierten Gefahr zu einem Actionspektakel aus, ohne das Intensitätslevel durchgehend halten zu können. Hinten raus wirkt Alien: Romulus zu lang und gewinnt dem in der Reihe schon oft verwendeten Schwangerschaftsmotiv keine besonders bahnbrechenden Ideen ab.
Ridley Scott, der als Produzent wieder mit an Bord war, hätte seinen jüngeren Kollegen in seinem Eifer vielleicht ein bisschen einbremsen sollen. Als Regisseur von Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt weiß er schließlich nur zu gut, wie wirkungsvoll ein kompakter, reduzierter Kampf ums Überleben sein kann.
>> von Christopher Diekhaus