Das war 2015 – Die besten Horrorfilme und größten Enttäuschungen des Jahres

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Schon letztes Jahr begannen wir diesen Rückblick mit der Beobachtung, dass Horror in Krisenzeiten floriert. 2014 brachte uns neue Perlen wie It Follows und Der Babadook, die viele erst in diesem Jahr zu sehen bekamen. Mittlerweile aber mag selbst dem hartgesottenen Genre-Fan vielleicht die Lust auf die kontrollierte Angst beim Gruselfilm-Konsum vergangen sein, besonders angesichts der keineswegs so leicht abzuschüttelnden Ängste, die ein Blick in die Nachrichten verursachen kann. Andererseits aber sind es genau diese Zeiten, in denen wir das Genre wirklich brauchen. Hierhin gehören sie nämlich, unsere diffusen Ängste. Im Angesicht der Zombies, Aliens und anderer fiktiver, symbolischer Bedrohungen lernen wir sie zu verstehen, zu verarbeiten und zu bekämpfen. Davon ab stand 2015 noch mehr als letztes Jahr im Zeichen der Science-Fiction – das schlägt sich auch im Spitzenreiter unserer Jahresliste wieder. Wie viele andere Genrevertreter dieser Tage offenbart auch dieser geschickt inszenierte Film aber einen eher skeptischen Blick auf die Zukunft der Menschheit.

Hier findet ihr nun wie üblich unsere Tops und Flops des Genre-Kinojahres. Wie schon im letzten Jahr richten wir uns nicht strikt nach dem deutschen Erscheinungsdatum, so dass etwa die beiden oben genannten Highlights in dieser Liste fehlen, da sie schon im letzten Jahr von uns bejubelt wurden. Wir freuen uns wie immer über eure Kommentare zu unserer Auswahl!

Ex MachinaEin Auszug aus unserer Filmkritik:

„Ein Sci/Fi-Film ganz ohne krachende Effekte, fokussiert auf seine drei Akteure und versehen mit einer unheilvollen Atmosphäre, die Feindseligkeit und Paranoia zu Tage fördert. Garlands Ansatz ist ungewöhnlich, entfaltet allerdings einen enormen Sog. Furios ist zweifelsohne, wie Debütant Garland die schwelenden Konflikte im wendungsreichen Schlussdrittel mit einem großen Knall zum Überkochen bringt. Ohne den Blick von seinen Protagonisten abzuwenden, führt der Schöpfer seine kluge Geschichte zu einem Höhepunkt, der es wirklich in sich hat. Der weiterhin auf plattes Spektakel verzichtet. Der in gleichem Maße Schaudern und tiefes Verständnis hervorruft. Und damit niemanden kalt lassen dürfte.“

Wo Spike Jonze in Her das Thema Künstliche Intelligenz als pastellfarbene Groteske verarbeitete, verwandelt es sich in den Händen von Debütregisseur Alex Garland in ein bedrohliches Kammerspiel mit düsteren Implikationen: Nicht nur, dass die Maschinen uns bald rein faktisch überlegen sein werden, möglicherweise sind sie auch einfach die besseren Menschen. Diesem so klassischen Science-Fiction-Thema ringt der Film originär neue Aspekte ab, macht dort aber nicht Halt. In der komplexen Konstruktion seiner Figurenkonstellationen erinnert Ex Machina glatt an die paranoiden Klassiker von Roman Polanski und funktioniert so auch als perverses Dreiecksdrama. Das ist Genrekino für eine Generation, die manchmal selbst glaubt, in einem Sci-Fi-Film zu leben.

Der Trailer:


Lost RiverEin Auszug aus unserer Filmkritik:

„Der junge Regisseur hat mit seinem Debüt etwas gewagt: Den liebevollen magischen Realismus, der Lost River ausmacht, kann man leicht als Naivität abtun. Er hätte es sich mit einem kühlen Gangsterfilm à la „Drive“ sicherlich leichter machen können – zum Glück hat er Mut bewiesen. Denn wer in der Lage ist, sich auf den von Gosling und seinem Ausstattungs- und Kostümteam und nicht zuletzt den durchweg großartigen Schauspielern erzeugten Kosmos einzulassen, wird mit einem filmischen Erlebnis belohnt, das seine kitschigen Elemente letztlich transzendiert und zum abgründigen Kino-Märchen wird.“

Wenn ein Genre-Film in der Mainstream-Presse einhellig Verrisse kassiert, sollte man hellhörig werden; wahrscheinlich gibt es etwas Interessantes zu sehen. Diese Faustregel traf 2015 zu auf Lost River, das höchst unwahrscheinliche Regie-Debüt von Ryan Gosling. Unwahrscheinlich deshalb, weil es die Star-Persona des Regisseurs vollkommen in den Hintergrund stellte und sich gänzlich auf die halluzinogene Optik und den hervorragenden Cast konzentrierte. Gosling hat ein düsteres Märchen mit respektvollen Anleihen bei Lynch, Argento und Winding-Refn erschaffen, das die Zuschauer mit seiner wohlig-unheimlichen Traumlogik langsam aber sicher in seinen magischen Bann zieht. Man kann nur hoffen, dass sich Gosling von all dem Gegenwind nicht davon abbringen lässt, einen weiteren Trip dieser Güteklasse zu inszenieren.

Der Trailer:


Ich seh, Ich sehEin Auszug aus unserer Filmkritik:

„Überhaupt sind es die streng komponierten, nicht selten surreal anmutenden Bilder von Martin Gschlacht, die „Ich seh, Ich seh“ zu einem sehr besonderen Filmerlebnis machen. Selbst kleine Nebensächlichkeiten wie eine fast menschenleere Dorfstraße entfalten eine beklemmende Wirkung und versetzen den Betrachter in einen fortlaufenden Alarmzustand. Das Unbehagen hält freilich auch deswegen an, weil Franz und Fiala immer wieder mit erzählerischen Auslassungen und äußert merkwürdigen Andeutungen arbeiten. Welche Rolle der abwesende Vater im Leben der Zwillinge spielt, erfahren wir nicht. Und was genau es mit einem bestimmten Foto auf sich hat, bleibt ebenfalls unklar. “

Das zynisch-kühle Seziermesser-Kino von österreichischen Regisseuren wie Michael Haneke und Ulrich Seidl traf in Ich seh, Ich seh auf  klassische Horror-Versatzstücke – eine teuflische Mischung, wie sich zeigte. Denn das Debüt von Severin Fiala und Veronika Franz ist unbequem und hochgradig verstörend – zum einen ist das dem klinischen, kalten Look geschuldet, zum anderen dem Gefühl der Orientierungslosigkeit, das der schwarzhumorige Film bravourös erzeugt. Nach Ende der blutigen Mutter-Sohn-Parabel kann man keineswegs beruhigt in den Sessel zurücksinken – nicht nur gönnen uns die Regisseure keine eindeutige Katharsis, sie deuten auch durchaus geschickt eine Übertragbarkeit des Geschehens an. Das ist Genrekino, das einen bis in den Schlaf verfolgt.

Der Trailer:


A Girl Walks Home Alone At NightEin Auszug aus unserer Filmkritik:

A Girl Walks Home Alone At Night ist sich seiner stilistischen Klasse und Reife bewusst. Was den Film auszeichnet, ist, wie souverän und leicht – Humor ist für Amirpour kein Fremdwort – sie ihre überschaubare, mit gängigen Plotkategorien eigentlich kaum zu erfassende Geschichte erzählt. Statt einer Handlung präsentiert uns Amirpour eher eine atmosphärisch verdichtete Abfolge aus expressiven Bildern und dunklen Stimmungen, von denen man je nach eigener Gemütslage begeistert oder auf visuell höchsten Niveau gelangweilt sein kann.“

So cool wie Ana Lily Amirpours enigmatisches Debüt war 2015 nichts anderes im Kino. Robert Rodriguez jedenfalls sollte vor Scham im Boden versinken, wenn er sieht, was die iranische Exil-Regisseurin mit begrenzten Mitteln in seinem vormaligen filmischen Terrain erreicht hat. Im Gegensatz zu den neueren Werken des Sin City-Regisseurs trifft A Girl Walks Home Alone At Night alle inszenatorischen Töne perfekt: ein grandioser Soundtrack, ein messerscharfer Look, eine starke Protagonistin und lakonisch-trockene One-Liner. Das alles verwebt die junge Filmemacherin zu einer stimmigen Atmosphäre wie aus einem Guss. Zusammen mit Jim Jarmuschs Only Lovers Left Alive der ultimative Stil-Guide für alle Vampirfans.

Der Trailer:


SpringEin Auszug aus unserer Filmkritik:

„Der größte Verdienst des Films ist die glaubwürdige Konstruktion der Romanze zwischen Evan und Melissa. Das Drehbuch scheint den beiden Schauspielern durchaus Raum für Improvisationen gelassen zu haben und so entsteht eine natürliche, spontane Interaktion zwischen den beiden Protagonisten, wie sie gerade im Genrefilm durchaus eine Seltenheit ist. Es ergeben sich auf diese Weise gar Assoziationen zu Richard Linklaters Kult-Liebesfilm Before Sunrise. Das aufregende Gefühl, auf Reisen und verliebt zu sein, überträgt sich äußerst überzeugend von Evan auf den Zuschauer. Es ist auch gut, dass Spring sich Zeit lässt, diese Atmosphäre zu entwickeln, wenn das auch bedeutet, dass es Phasen ohne große Dramatik oder Spannung gibt.“

Die interessante Geschichte eines jungen Amerikaners auf Europa-Trip wird in diesem zarten Horror-Drama angenehmerweise einmal nicht als xenophobe Untergangsphantasie, sondern als romantische Verführung dargestellt. Spring  gelingt es, aus der wunderbaren Chemie zwischen den Protagonisten eine durch und durch sympathische Märchenstimmung zu schaffen. Natürlich, der amerikanische (Genre-)Blick auf Europa ist wie immer leicht verzerrt, diesmal eben auf betont positive Weise. Nichtsdestotrotz kann man sich in den Film von Justin Benson und Adam Moorhead wunderbar fallen lassen und sich mit Hauptfigur Evan in ein wunderbares Monster verlieben.

Der Trailer:


Burying the ExEin Auszug aus unserer Filmkritik:

„Das nutzt Dante um das herzlose Drehbuch mit so etwas wie einer eigenen Handschrift zu versehen. Diese besteht aber nur darin, wahllos ältere (und in jedem Fall: bessere!) Zombiefilme zu zitieren, beziehungsweise Clips aus diesen Filmen einzubauen. Im Grunde wirkt das wie die endgültige kreative Bankrotterklärung des Regisseurs. Immerhin einige ganz nette Schauplätze und Settings findet und entwirft der Film, so etwa den berühmten Prominentenfriedhof Hollywood Forever und Olivias Eisdiele im Gothic-Stil. Kurz nach Evelyns Rückkehr gibt es zudem einige erstaunlich geschmacklose Gross-Out-Momente zu verzeichnen. Ansonsten lässt sich über diese müde Klamotte nicht mehr Positives sagen, als dass knutschende Teenies sich dabei zumindest nicht ärgern müssen, etwas von der Handlung zu verpassen.“

Junge trifft Mädchen, macht Schluss mit irrer Ex-Freundin, diese kommt ums Leben und als rachsüchtiger Zombie zurück aus dem Grab: Burying The Ex, ein weiteres Alterswerk des Regisseurs Joe Dante, macht wahrhaft betroffen. Sicher, Dante mag nie einer der ganz großen Innovatoren des Genres gewesen sein. Mit Gremlins und Die Reise ins Ich machte er sich aber zumindest für sein Gespür für komödiantisches Timing und gekonnt schlechten Geschmack einen Namen. Burying The Ex hingegen ist peinlichste Teenie-Zombie-Ware in Scripted-Reality-Optik – nicht mal mehr mit schlechtem, sondern ohne jedweden Geschmack. In etwa das filmische Äquivalent zum Herumkauen auf nasser Pappe.

Der Trailer:


S-VHSEin Auszug aus unserer Filmkritik:

„Konnte Amenábar in The Others mit einem schockierenden Plot-Twist aufwarten, bemüht er in Regression eine Wendung, die sich leider schon im Voraus abzeichnet. Enttäuschend ist die Auflösung auch deshalb, weil sie die Kontroversen rund um die titelgebende Regressionstherapie eher uninspiriert aufgreift. Eingeweihte Zuschauer dürften den Braten demzufolge schon am Anfang riechen. Nicht nur aus diesem Grund wäre es wohl sinnvoller gewesen, den Film deutlicher als Drama anzulegen und die Thriller-Elemente weitestgehend einzudampfen. So, wie es sich jetzt verhält, ist Ernüchterung vorprogrammiert, da man, gemäß den Genreregeln, einen überraschenden Dreh erwartet.“

Alle Zutaten sprachen für einen schmackhaften Horror-Happen: Brillante Besetzung, stimmiger Trailer, spannendes Thema und natürlich ein hervorragender Regisseur, der Spanier Alejandro Amenábar. Heraus aber kam ein unverdaulicher Genre-Brei: Sollte Regression nun Horror, Psychodrama oder gar Religionssatire sein? Die Komponenten harmonierten jedenfalls kein Stück. Dazu erwies sich die Britin Emma Watson als katastrophale Fehlbesetzung für ein Mädchen aus dem US-Hinterland – vielleicht war ihr aber auch nur ihre Rolle peinlich, für die Amenábar ganz tief in die sexistische Klischee-Kiste griff. Ein wirklich ärgerlicher Film.

Der Trailer:


S-VHSEin Auszug aus unserer Filmkritik:

„Versteht man Starry Eyes trotz all dieser Kritik als ambitionierten Amateurfilm, kann man vermutlich dennoch ein wenig Spaß mit diesem Hollywood-Horror haben. Technisch lässt sich an Kolsch und Widmeyers Film nicht viel aussetzen (bis auf den jede Spannung zerstörenden, stümperhaften Schnitt) und mit Sicherheit haben sich die Regisseure mit dem Film einen Fanboy-Traum erfüllt. Von der Speerspitze des Horrorgenres, das sich von den elenden Jahren der Remakes und James Wan gerade wieder erholt und solch innovative Einträge wie It Follows und Der Babadook hervorbringt, ist Starry Eyes aber meilenweit entfernt. Dem Film fehlt jede Ambivalenz, jede Cleverness und jede echte Abgründigkeit.“

Starry Eyes verdeutlicht eindrücklich den Unterschied zwischen Hommage und kreativer Trägheit: Die zahlreichen Verweise auf die Klassiker des okkulten Horrorfilms reichern den Film nicht mit zusätzlicher Substanz an, sondern sollen nur über seine kaum vorhandene künstlerische Eigenleistung hinwegtäuschen. Dazu kommt eine moralische, altbackene Story über dämonische Hollywoodproduzenten, die unschuldige Jungschauspieler ausnutzen – gähn!

Der Trailer:


An dieser Stelle wünschen wir ein besinnliches Weihnachtsfest und ein erholsames Restjahr 2015!

Eure Redaktion,

Torsten Schrader
Carmine Carpenito
Tim Lindemann
Christopher Diekhaus

Geschrieben am 23.12.2015 von Torsten Schrader
Kategorie(n): News