Not macht erfinderisch – heißt es. Und manchmal ist es tatsächlich so. Als die Corona-Pandemie die Welt und auch die Filmbranche fest im Griff hatte, verfasste der für seine Retrohorrorliebe bekannte Ti West ein knackig-anspielungsreiches Slasher-Drehbuch und zog sich im Frühjahr 2021 mit Cast und Crew nach Neuseeland zurück, das zu dieser Zeit vom Virus wenig behelligt wurde.
Unter relativ sicheren Bedingungen drehte der US-Regisseur X, eine Hommage an das staubig-grimmige Backwoods-Kino, das Tobe Hooper mit The Texas Chainsaw Massacre maßgeblich beeinflusst hatte. Schillerndes Zentrum des im Jahr 1979 verorteten Films ist die von Mia Goth verkörperte, großen Träumen nachjagende Amateurpornodarstellerin Maxine Minx, die sich mit einem kleinen Team in das Gästehaus eines greisen Ehepaares im ländlichen Texas einmietet, um vor Ort, ohne Kenntnis der Besitzer, einen Erotikstreifen zu produzieren.
Hausherrin Pearl, ebenfalls dargestellt von einer unter dickem Make-up versteckten Goth, rebelliert gegen das Vorhaben jedoch mit wilder Entschlossenheit. Das Ergebnis: Ein Blutbad in der Pampa, dem einzig Maxine entkommen kann.
Mit Pearl schob Ti West ein direkt im Anschluss gefertigtes Prequel nach, das die traurige Vorgeschichte der X-Antagonistin erforscht. Mia Goth gibt – natürlich – auch die junge Pearl, die sich während des Ersten Weltkriegs ein Leben jenseits des elterlichen Hofes, jenseits ihrer kaltherzigen Mutter ausmalt und ihre Frustrationen mit Gewalt kompensiert. Ein albtraumhaftes Melodram in satten Farben, dem die Hauptdarstellerin einmal mehr ihren Stempel aufdrückt.
In MaXXXine trifft Mia Goth auf einen Serienkiller. ©A24
MaXXXine, der dritte Teil in der 2022 begonnenen Reihe, kehrt nun wieder zur Hauptfigur von X zurück und schließt mit einem Zeitsprung von sechs Jahren an den Erstling an: Der jungen Frau ist es offenbar gelungen, ihre traumatischen Erfahrungen hinter sich zu lassen. In der Pornobranche ist sie 1985 zumindest eine große Nummer und will nun – ehrgeizig, wie sie ist – in Hollywood Fuß fassen.
Ihr Türöffner: das fiktive Horrorfilmsequel The Puritan II, das, so die Regisseurin Elizabeth Bender (Elizabeth Debicki), ein B-Movie mit ambitionierten Ideen sein soll. Gleich zum Einstieg, als Maxine sich beim Vorsprechen beweisen muss, bringt Mia Goth wieder die Präsenz und Energie ein, die schon die Vorgänger sehenswert machten.
Die Gewissheit, die Richtige für den Part zu sein, alle anderen Bewerberinnen zu überstrahlen, vermittelt die Pornoaktrice nicht nur mit ihren forschen Bemerkungen. Auch ihre Körpersprache – gerader Rücken, vorgerecktes Kinn – lässt keine Zweifel zu. Maxine ist von ihren Starqualitäten überzeugt und trägt diese Haltung in die Welt hinaus.
Mit ihrem immer wieder ins Überhebliche kippenden Selbstbewusstsein, ihrer Ichbezogenheit ist sie alles andere als eine klassische Sympathieträgerin, bleibt als Figur aber stets so interessant, dass man wissen will, wie es für sie weitergeht. Goths Können zeigt sich nicht zuletzt in Momenten der Verunsicherung. Dann, wenn die Erlebnisse von einst flashartig über sie hereinbrechen. Ein zwielichtiger Privatdetektiv (grandios schmierig: Kevin Bacon) erinnert sie im Auftrag eines einflussreichen Unbekannten nämlich fortlaufend an das Massaker.
Wo X das Slasher-Kino der 1970er-Jahre feiert und Pearl dem klassischen Melodram eine abgründige Note verpasst, verneigt sich MaXXXine vor dem italienischen Giallo-Schaffen. Schwarze Handschuhe, Messer und irrwitzige Tätermotivationen, alles Markenzeichen der südeuropäischen Horror- und Spannungsspielart, kommen auch hier zum Einsatz. Überhaupt geizt der Film nicht gerade mit Verweisen und Zitaten – so machen wir unter anderem einen Ausflug an den Psycho-Drehort.
Den seit einigen Jahren grassierenden True-Crime-Boom arbeitet Ti West ebenfalls in sein Drehbuch ein. Denn während Maxine am großen Durchbruch arbeitet, geht in der Gegend von Los Angeles ein real existierender, Night Stalker getaufter Serienkiller um, der die junge Frau augenscheinlich ins Visier nimmt. In ihrem Umfeld ereignen sich jedenfalls mehrere brutale Morde, was die ermittelnden Polizisten Williams (Michelle Monaghan) und Torres (Bobby Cannavale) stutzig macht.
Seinen reißerischen, mit handgemachten Gewaltspitzen versehenen Plot durchtränkt der Regisseur mit vielen unterschiedlichen Überlegungen, umkreist etwa die Stellung von Frauen in der Unterhaltungsbranche, die amerikanische Prüderie und den gerade heute so aggressiv tobenden Kampf zwischen liberalen und reaktionären Kräften. MaXXXine wirft einiges in die Waagschale. Manche Elemente wirken jedoch disparat, lassen den Film weniger fokussiert erscheinen als die ersten beiden Teile.
Hier und da – ein Beispiel ist eine Verfolgungsjagd durch verwaiste Drehkulissen – schlägt das Ganze zu sehr ins Komische bzw. Satirische aus, was die Spannung abwürgt. Gänzlich absurd wird es im Finale. Gerade damit liegt die Geschichte aber voll auf Giallo-Linie und rundet Maxines Reise auf seltsam stimmige Weise ab.
Mia Goths hingebungsvolle Darbietung und die liebevolle, nie zu prahlerische Rekonstruktion der Handlungszeit sind allemal schlagende Argumente für das im Vergleich mit den eher kammerspielartigen Vorgängern doch etwas aufwendiger gestaltete dritte Kapitel. Bei gutem Abschneiden, so ist zu hören, könnte ihm übrigens ein viertes folgen.
> von Christopher Diekhaus
©Universal Pictures