Scream – Kritik: Hält das Ghostface-Comeback, was es verspricht? [Spoiler]

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Kritik enthält Spoiler! «Elevated horror» – vor allem im englischen Sprachraum tauchte diese kontrovers diskutierte Zuschreibung in den letzten Jahren immer wieder auf. Gemeint sind damit Schauerfilme, die größere Ansprüche verfolgen, emotional komplexere Geschichten erzählen und nicht so sehr auf den schnellen Schock aus sind. Werke wie Der Babadook, Hereditary – Das Vermächtnis oder The Witch, die auch im neuen Teil der das Genre lustvoll reflektierenden und kommentierenden Scream-Saga explizit Erwähnung finden. Als Wes Cravens Ursprungsfilm 1996 das Licht der Welt erblickte, hierzulande verliehen unter dem Titel Scream – Schrei!, setzte er mit seiner Mischung aus blutigem murder mystery und selbstironischer Attitüde neue Akzente im Bereich des Teenager-Horrors und löste eine Welle an minderwertigen Kopien aus. Das offensive Spiel mit Codes und Konventionen wirkte damals ungemein erfrischend, würde heute aber wohl nicht mit dem Etikett «elevated» – zu Deutsch: «gehoben» – versehen. Dafür umarmt der von Kevin Williamson (The Faculty) geschriebene Schlitzerstreifen nämlich zu sehr seine spaßige-derbe B-Movie-Herkunft.

Dass Scream – so schnörkellos heißt das fünfte Franchise-Kapitel offiziell – den Vergleich mit Arbeiten wie Der Babadook aufmacht, ist fraglos ein Risiko. Immerhin wird der Zuschauer dadurch erst recht mit der Nase auf die Leerstellen des Slasher-Thrillers gestoßen. Trotz einiger vielversprechender Ansätze fehlt es an spannend ausgearbeiteten Figuren und lange nachhallenden Momenten echten Schreckens. Nach Cravens Tod im Jahr 2015 standen mit Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett, dem Gespann hinter dem satirischen Schocker Ready or Not – Auf die Plätze, fertig, tot, erstmals in der Geschichte der Reihe andere Regisseure am Steuer. Zugutehalten muss man ihnen und den Drehbuchautoren James Vanderbilt (Zodiac: Die Spur des Killers) und Guy Busick (Castle Rock), dass sie sich bewusst sind über das Wesen ihres Films und nicht mit aller Macht prätentiöse Ambitionen vorzugaukeln versuchen. Scream soll eine wilde, deftige Sause sein, die Genreregeln fortlaufend diskutiert – so, wie man es eben kennt.

Stand in den Teilen eins bis vier Sidney Prescott (Neve Campbell) im Mittelpunkt und geriet immer wieder ins Visier unterschiedlicher Killer, dreht sich die Handlung nun um neue Hauptfiguren. Bettinelli-Olpins und Gilletts Franchise-Beitrag bewegt sich dabei in einer Grauzone, ist – auch das kommt im Film offen zur Sprache – weder zu einhundert Prozent Sequel noch durch und durch Remake oder Reboot. Der mit dem Reihenauftakt identische Titel lässt erahnen, wo die größten Bezugspunkte liegen. Die drei bislang erschienenen Fortsetzungen zu Scream – Schrei! werden nicht komplett ignoriert, spielen im Rahmen des neuen Werks aber keine prominente Rolle. «Alles führt zum Original zurück», lautet nicht umsonst die Devise, die an unterschiedlichen Stellen zu hören ist.

Jenna Ortega tritt in die Fußstapfen von Drew Barrymore

In der Gegenwart erhält die im beschaulichen Woodsboro lebende Teenagerin Tara Carpenter (Jenna Ortega) eines Abends einen seltsamen Anruf und muss sich unverhofft einem Quiz über den Film-im-Film-Horrorstreifen Stab stellen, der die ersten Morde rund um Sidney Prescott rekonstruiert. Wie eine in Cravens Erstling von Drew Barrymore verkörperte Schülerin bekommt es Tara nur wenig später mit einer unbekannten, messerschwingenden, das ikonische Ghostface-Kostüm tragenden Person zu tun. Anders als im Auftakt von Scream – Schrei! beißt die junge Frau jedoch nicht ins Gras, sondern landet schwer verletzt im Krankenhaus.

Von Sorgen zerfressen reist daraufhin ihre vor einiger Zeit aus Woodsboro geflohene Schwester Sam (Melissa Barrera) mit ihrem Freund Richie (Jack Quaid) an und überrascht Tara mit einem erschütternden Geständnis… Da sich eine neue Mordserie ankündigt, suchen Sam und Richie kurzerhand Dewey Riley (David Arquette) auf, der mittlerweile aus dem Polizeidienst ausgeschieden ist und allein in einem heruntergekommenen Trailer haust. Nach anfänglichem Zögern erklärt er sich bereit, die Jugendlichen bei ihren Nachforschungen zu unterschützen. Blut fließt dennoch schon bald in rauen Mengen.

Dass Scream mehr sein könnte als der erwartbar flott getaktete, sich permanent selbst hinterfragende Fun-Slasher, wird in einigen ruhigen Momenten deutlich, die ihr Augenmerk auf die Protagonisten und ihre Befindlichkeiten legen. An die Nieren geht das Gespräch zwischen Sam und Tara, bei dem Erstere das düstere Geheimnis um Billy Loomis und damit den Grund für ihre Flucht aus Woodsboro lüftet. Weil Barrera und Ortega über darstellerisches Talent verfügen, fühlt man mit, wenn sich ein Graben zwischen den beiden Schwestern auftut, obwohl sie offenkundig viel füreinander empfinden. Aus dem Rahmen fällt ferner die Wiederbegegnung zwischen Dewey und seiner Ex Gale Weathers (Courteney Cox), die nach den neuen Ghostfaceattacken als Reporterin an den Ort des Geschehens eilt. Reizvoll ist die überraschend emotionale Szene auch deshalb, weil sich hier zwei Schauspieler gegenüberstehen, die sich durch die Scream-Reihe lieben lernten, heirateten, dann aber irgendwann getrennte Wege gingen. Eine Metaebene mit anderem Gehalt als die für die Reihe prägenden selbstreferenziellen Genrekommentare.

Wieso SCREAM zu wenig echte Eigenständigkeit entwickelt

Bettinelli-Olpin und Gillett nehmen diese ungewöhnlich eindringlichen Augenblicke gerne mit, konzentrieren sich aber in erster Linie auf die vertraute Abzähldramaturgie und die augenzwinkernde Diskussion über Horrorregeln und die Einfallslosigkeit Hollywoods. Ab und an wagen es die Macher, die im ersten Film etablierten Formeln abzuwandeln, und verpassen dem Franchise – etwa in puncto Diversität – einen modernen Anstrich. Die meiste Zeit orientiert sich der neue Scream-Teil jedoch am popkulturell ungemein wirkmächtigen Ursprungsteil, vor dem er sich in mehreren fast eins zu eins nachgestellten Situationen voller Hochachtung verneigt. So viel Ehrfurcht birgt natürlich die Gefahr, wenig echte Eigenständigkeit zu entwickeln.

Die Frage nach der Identität des Mörders hält durchaus bei Laune. In Kauf nehmen muss man auf dem Weg zum knalligen Finale, das in der bizarren Tätermotivation das zuweilen schwierige Verhältnis zwischen Fans, Filmen und deren Schöpfern thematisiert, allerdings einige arg forcierte Wendungen. Schlenker, die es braucht, um die Story in Gang zu halten, auch wenn der Killer manche Dinge eigentlich nicht beeinflussen kann. Mit etwas Nachsicht lässt sich jedoch über den hingebogenen Handlungsverlauf und das inkonsequente Verhalten der Figuren hinwegsehen. Schade ist dagegen, dass die aus den Vorgängern bekannten Charaktere nicht allzu sorgfältig in die Story integriert sind. Vor allem Sidney, die als Ehefrau und Mutter inzwischen etwas Frieden gefunden hat, und Gale werden für den Showdown eher plump in Stellung gebracht. Ihr Auftauchen, das für die Geschichte nicht zwingend erforderlich gewesen wäre, wirkt am Ende wie ein reiner Service für Franchise-Liebhaber, frei nach dem Motto «Es lebe die Nostalgie!».

Die zahlreichen Ghostface-Angriffe strotzen nicht gerade vor originellen Einfällen, sind in ihrer Inszenierung mitunter zu durchschaubar, münden allerdings nicht selten in erstaunlich kompromisslose Bluttaten. Unerfahrene Horrorgucker dürften zusammenzucken, wenn sich das Messer ein ums andere Mal tief in die Opfer hineinbohrt. Alten Genrehasen servieren Bettinelli-Olpin und Gillett indes nichts, was sie ernsthaft erschüttern wird. Insgesamt machen es Cravens Nachfolger ordentlich, wenngleich sie sich des Öfteren in ihrem exzessiven Rückbezug auf das Original verheddern. Es hätte deutlich schlimmer kommen, aber sicher auch cleverer zur Sache gehen können – so lässt sich Scream anno 2022 ganz gut zusammenfassen.

>> von Christopher Diekhaus

©Spyglass/Paramount

Geschrieben am 12.01.2022 von Carmine Carpenito
Kategorie(n): News, Scream