Moviebase Prom Night
Als Europäer mag es schon etwas befremdlich wirken, welches Bohei die Amis um ein Event wie den Abschlussball veranstalten. Die Prom Night markiert das Ende der High School-Zeit und den Aufbruch in einen neuen Lebensabschnitt. Während die Mädels darum bemüht sind, an jenem Abend möglichst gut auszusehen – schließlich steht der Titel der Prom Queen auf dem Spiel –, wollen die Jungs mit dem hübschesten Mädchen der Stufe auf dem Ball erscheinen.
Vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch an den Horrorfilm Prom Night, in dem es die junge Jamie Lee Curtis auf ihrem Abschlussball mit einem maskierten Schlitzer zu tun bekam. Knapp dreißig Jahre später greift Regisseur Nelson McCormick auf ein vergleichbares Setup zurück, wobei sich sein Prom Night nicht als Remake qualifiziert, da allein schon die Charaktere andere sind. Aus der eher trostlosen und muffigen Turnhallen-Absteige, die im ersten Prom Night-Film zum Festsaal umfunktioniert wurde, wird bei McCormick ein edles Grand Hotel mit imposanter Fassade, futuristischer Tanzfläche und aufwändiger Video-Installation. Keine Frage, hier feiern die Kids aus O.C. California und Beverly Hills 90210.
Eine von ihnen ist Donna (Brittany Snow). Die heiße Anwärterin auf den Titel der Prom Queen geht zusammen mit ihrem Freund Bobby (Scott Porter) auf den opulenten Ball. Es soll ein unvergesslicher Abend werden. Dumm nur, dass ausgerechnet jetzt die Vergangenheit Donna einzuholen droht. Einst kamen ihr Bruder und ihre Eltern bei einem tragischen Verbrechen ums Leben. Ein irrer Verehrer (Jonathon Schaech) metzelte aus verschmähter Liebe Donnas gesamte Familie nieder. Rechtzeitig zur Prom Night gelingt dem Killer die Flucht aus der Psychiatrie. Die Aussicht, seinem Love Interest möglichst bald möglichst nahe zu sein, löst eine unheimliche Mordserie aus, bei der die Polizei stets das Nachsehen hat.
Gemäß dem in unzähligen Slasher-Storys erprobten „Zehn kleine Negerlein“-Prinzip verabschiedet sich in Prom Night brav ein Teenager nach dem nächsten. Weil der Film im Unterschied zu den meisten seiner Genre-Kollegen aus den Achtzigern vorrangig auf ein junges, pubertierendes Publikum abzielt, muss der Killer bei seiner Arbeit penibel auf die Einhaltung bestimmter Jugendschutzvorschriften achten. Es wirkt schon reichlich seltsam, wenn nach einer mehr als schüchtern gefilmten Messerattacke lediglich einige wenige, scheinbar abgezählte Flecken Blut auf dem Kleid des Opfers zu sehen sind. Aber eigentlich hätte man schon bei einem Blick auf die PG-13-Freigabe der amerikanischen Filmbewertungsstelle vorgewarnt sein müssen. Prom Night ist die leicht verschärfte Variante eines im Grunde harmlosen Suspense-Kinos, das mit einem echten Slasher bis auf den formalen Rahmen nichts gemein hat.
So unschuldig, klinisch rein und sterbenslangweilig wie Prom Night waren bis dato Gott sei Dank nur die wenigsten Teenie-Horror-Produktionen. Cheesy ist hier gar nichts. McCormick und sein Drehbuchautor J.S. Carbone vollbringen das seltene Kunststück, die beiden einzigen Konstanten des Slashers – Sex und Gewalt – fast gänzlich aus ihrem Film zu verbannen. Vor der Heirat darf höchstens ein bisschen gefummelt werden. Damit hat es sich dann aber auch schon. Die augenscheinlich nach den Schönheitsidealen populärer MTV-Shows zusammengecastete Darstellerriege übt sich ansonsten in einer geradezu päpstlichen Keuschheit. Überhaupt fällt auf, dass jede nur erdenkliche Ecke fein säuberlich abgeschliffen wurde. Dass die Abschlussklasse nur aus Modeltypen zu bestehen scheint, kann man nur als ein weiteres Indiz für die Stromlinienförmigkeit dieser erschreckend ideenlosen Produktion werten.
Wenn ein Konzept wie das des irren Jungfrauenschlitzers bereits derart ausgelutscht ist, sollte zumindest die Verpackung stimmen und der Regisseur sein Handwerk verstehen, damit keine Langweile aufkommt. Beides ist bei Prom Night, für dessen Fortsetzung Sony unglücklicherweise längst grünes Licht erteilt hat, nicht gegeben. McCormick stolpert nach dem akzeptablen Intro, das mit einer schicken Kamerafahrt über den Columbia River aufwartet, von einer Peinlichkeit zur nächsten. Die Inszenierung der einzelnen Morde erweist sich dabei als ausgesprochen monoton. Wenn der Killer nicht gerade plötzlich hinter einer Säule oder in einem der zahlreichen Spiegel auftaucht, beobachtet er seine potenziellen Opfer, wie diese ahnungslos in die Falle tapsen. Dass man als Zuschauer zumeist den Ausgang einer Szene bei ihrem Beginn erahnt, ist der Spannung nur wenig zuträglich. Da kann die Tonspur auch noch so verzweifelt aufheulen, für einen echten Horror-Fan ist Prom Night nicht mehr als eine unfreiwillig komische Kaffeefahrt.
Es ist wieder Remake-Zeit! Als hätten wir noch nicht genug von Neuauflagen zu angeblichen „Kultfilmen“ aus den Achtzigern erlebt, geht es nahezu unaufhaltsam weiter mit den Produktionen von mehr oder minder gelungenen Remakes. Passend zur Reifeprüfung in Deutschland wird jetzt also der diesjährige Abschlussball mit der wiederbelebten PROM NIGHT zelebriert. Verantwortlich für diesen Geniestreich zeichnet Nelson McCormick, der sich in der Fernsehlandschaft als Regisseur von „Nip/Tuck“ und „Emergency Room“ einen Namen machte. Im Gegensatz zu PROM NIGHT dürften diese Serien wohl wenigstens im Ansatz das haben, was dem Kinofilm die gesamte Spielzeit über fehlt: Spannung. Doch dabei sollte der Streifen vor dieser gerade nur so strotzen – zumindest schwebte das den Produzenten Marc Forby und Neal H. Moritz vor.
Der Abschlussball der High School ist jene Nacht, die für jeden unvergesslich bleibt – insbesondere für Donna Keppel. Während sie sich auf das größte Erlebnis ihrer High School-Zeit vorbereitet, ist ihr nicht bewusst, dass der messerschwingende Psychopath, der ihre Familie ermordet hat, aus dem Gefängnis fliehen konnte und auf dem Weg zu ihr ist, um zu beenden, was er einst begonnen hat. Erst drei Jahre zuvor überlebte Donna als einzige aus ihrer Familie Robert Fentons tödlichen Feldzug. Fenton, ein Lehrer, war von ihrer unberührten Schönheit besessen. Nachdem ihre Eltern zu Donnas Schutz einen Gerichtsbeschluss erwirkten, brach Fenton in das Haus der Familie ein und schlachtete Donnas Eltern und ihren jüngeren Bruder ab. Donna überlebte die Bluttat, weil sie sich vor dem Killer verstecken konnte. Jetzt, am Ende ihrer Schulzeit, gelingt es ihr endlich, die Vergangenheit hinter sich zu lassen. So mietet sie sich zusammen mit ihren Freunden eine Suite in dem Hotel, in dem der Abschlussball stattfindet. Während Donna und ihre Klassenkameraden feiern, schleicht Fenton unerkannt durch das Hotel, um peinlichst genau seinen Plan umzusetzen, mit dem er die Frau für sich gewinnen will. Währenddessen versucht sich ein verantwortungsbewusster Polizeibeamter in einem Netz aus Hinweisen zurecht zu finden, um Fenton zu stoppen, bevor sich Donnas bezaubernder Abend in einen blutverschmierten Albtraum verwandelt…
Damals, ja, das waren noch Zeiten. Da wirkte alles noch so neu und frisch. Die Hausfrauen schrieen sich die Seelen aus dem Leib und versteckten sich im Pulli ihres Gatten, als Jamie Lee Curtis nach dem erfolgreichen „Halloween“ in Prom Night 1980 ihren Ruf als Scream-Queen weiterhin festigte. Anders als bei den üblichen Genrevertretern kannte man bei Prom Night den Killer von Beginn an. Das Remake macht da keine Ausnahme, die Macher hatten aber ein besonderes Anliegen: Der Schwerpunkt sollte auf der Spannung liegen, die Blutorgien deutlich in den Hintergrund gelangen, das Ganze aber einem neuen und anspruchsvollen Publikum gefallen. Dieses Vorhaben ging ganz schlicht und einfach völlig daneben. Es müssen schon sehr anspruchslose Zuschauer sein, die in dem Werk von McCormick so etwas wie Furcht einflößende Spannung oder einen packenden Thriller finden. Angeblich wurden volle fünf (!) Jahre in die Drehbuchentwicklung investiert, vier Autorenteams wurden verschlungen, bis das endgültige Skript stand. Beim Betrachten fragt man sich, wofür diese Jahre denn letztendlich drauf gegangen sind und wer denn da am Schreibtisch saß und diesen Mumpitz verzapft hat – und dafür womöglich auch noch abkassierte.
PROM NIGHT wirkt zunächst wie eine typische US-Teenie-Klamotte – und kann tatsächlich in den sehr zäh erscheinenden 90 Minuten einige Lacher, die natürlich so nicht gewollt sind, verbuchen. Gerade die fast schon unumgängliche Dummheit der einzelnen Charaktere, die den ganzen Abend damit verbringen, herauszufinden, wer denn Miss und Mister Prom Night wird und die Zitate aus Highlights wie „Das Schweigen der Lämmer“ oder „Shining“ sowie die typischen Horrorfilm-Klischees, die auf Gruseleffekte setzen, die jeder bereits im Vorhinein aufzählen kann, sorgen für alles andere, aber keinen Horrorthriller, der laut Presseheft klassisch und geradlinig sein und eine große Realitätsnähe aufweisen soll. Dass das größte Protzhotel einen Flügel beheimatet, der natürlich erst noch gebaut werden muss, ist genauso innovativ wie die Tatsache, dass Donna (während eine unglaublich nervende Stimme Alarm im Hotel läutet und die Gäste aus dem Haus geführt werden) noch einmal seelenruhig und alleine wieder nach oben fährt, weil sie ja noch etwas Wichtiges im Kleiderschrank vergessen hat. Da möchte man sich an den Kopf greifen und der Darstellerin entgegen brüllen, dass sich doch dort in ihrer Suite noch der böse Killer mit Cap und Minimesser befindet. Um dann aber den Spaß noch mitzuerleben, wie sich Brittany Snow unter einem der beiden Betten in dem Zimmer versteckt und der grimmige Mörder nun eine Fifty-Fifty-Chance hat, sein Opfer ausfindig zu machen, machen wir’s uns wieder im Sessel bequem und passen auf, dass uns die Augen nicht zufallen.
Die Charakterzeichnung fand bei PROM NIGHT erst gar nicht statt, so dass Snow auch tun kann, was sie will – Mitleid wird sie von uns nicht ernten. Genauso wenig wie ihre blass gebliebenen Freundinnen und Freunde, die allesamt auch hätten zu Hause bleiben können. Der Nebenstrang, in dem Idris Elba (28 Weeks Later, The Reaping) die Ermittlungen leitet, dümpelt bis zum Ende einfach vor sich hin und verbucht ebenso viel geballte Spannung wie die öde Abschlussparty. Wahnsinnig kreativ und mit voller Leidenschaft stellt Jonathon Schaech (wieder zu sehen im kommenden US-Remake „Quarantine“) den liebeshungrigen Schlitzer Richard Fenton dar. Doofer kann wohl niemand dreinschauen und dabei seine Sache noch so ernst meinen wie Schaech.
Ob PROM NIGHT aufgrund seines Starttermins die betrunkenen Abiturienten in diesem Jahr in die Kinosäle locken kann? Wer eine Erwägung der Sichtung in Betracht zieht, dem sei ans Herz gelegt, dass jeder noch so langatmige Abiball mit Sicherheit um Längen spannender, geistreicher und kreativer sein wird als der von Nelson McCormick. PROM NIGHT ist für das zahlende Publikum sicherlich nicht kostenlos – aber völlig umsonst.