Moviebase Underworld: Awakening
Viele Horror-Reihen beginnen mit einem Tusch an Originalität und verlieren sich spätestens ab Teil 3 in uninspirierten Abwandlungen der Kernidee. Nicht so das "Underworld"-Franchise – dort war nämlich schon der erste Teil eine unsagbar langweiliges Flickwerk aus Versatzstücken aller möglichen Blockbuster. Abgesehen von den Performances der zauberhaften Kate Beckinsale nervte die Reihe von Anfang an mit dümmlichen Dialogen, schlecht geklauter "Matrix"-Ikonographie und der generell bescheuerten Idee, dass sich Werwölfe und Vampire mit hypermodernen Feuerwaffen bekämpfen. Endlose, bierernste Rückblenden auf die anhaltende Fehde zwischen den beiden "Clans" taten ihr Übriges zur einschläfernden Wirkung der Filme. Mit Teil vier soll nun vieles anders werden: Nicht nur, dass zum ersten Mal ein unverbrauchtes Regie-Duo verantwortlich zeichnete, auch inhaltlich hat sich einiges getan. Aber genügt das um dieses unerklärlicherweise erfolgreiche Franchise zu retten?
Besonders angenehm fällt schon zu Beginn auf, dass "Underworld: Awakening" zwar lose auf den Stories der ersten beiden Teile aufbaut, sich aber insgesamt einen gänzlich neuen Kontext sucht: Der Film verlässt die abgeschlossene Welt der frühen Filme und platziert Vampire und Werwölfe diesmal in einer zukünftige Version unserer realen Welt. Das sorgt vor allem deshalb für neuen Pepp, weil man die mystisch überladenen Vorgeschichten endlich hinter sich lässt und sich ganz auf das düstere Zukunftssetting einlassen kann. Ebenfalls erfreulich: Der Film überschreitet nicht wie die beiden Vorgänger die 100-Minuten-Marke sondern gefällt sich als kurzer, knackiger Actionfilm. Die lobenswerteste Neuerung, die "Awakening" in die Reihe einführt, ist aber ein gewisser Sinn für Selbstironie. Der offenbart sich nicht etwa durch platte Scherze, sondern dadurch, dass die hanebüchene Story nicht mehr mit solch verbissenem Ernst vorgetragen wird, wie in den Vorgängern, sondern stets leicht ins Überzogene, Überdrehte lappt. So gibt es in diesem vierten Teil etwa erstmals einen genetisch veränderten Werwolf zu sehen, der als riesengroßes, trollartiges Ungetüm präsentiert wird – das ist Monsterkino wie man es sehen möchte.
Als neues Plotelement wurde der Charakter "Eve" eingeführt, ein junges Mädchen, das sich als Tochter der Serienheldin Selene herausstellt. Das sorgt zwar für einige erwartungsgemäß peinliche Dialoge, aber auch für frischen Wind im eingefahrenen Figurenkonzept. Die Werwölfe haben sich diesmal als Tarnung übrigens eine große Genfirma ausgesucht – hat sich da gar so etwas wie aktuelle Gesellschaftskritik in das Franchise verirrt? Bevor hier aber der fatale Eindruck entsteht, es handele sich bei "Underworld: Awakening" um einen neuen "Citizen Kane": Es gibt auch hier immer noch genügend Momente, die viel zu voraussehbar inszeniert sind oder einem glatt die Schamesröte ins Gesicht treiben. Auch auf halbwegs aufrecht erhaltene innere Logik muss man weiterhin verzichten. Die zunächst vielversprechende Endzeit-Stimmung der Anfangsszenen wird schon bald komplett vernachlässigt, geopfert zugunsten endloser Baller-Orgien.
Innerhalb der bislang unterdurchschnittlichen Serie stellt "Underworld: Awakening" aber ganz eindeutig den Höhepunkt dar. Zum ersten Mal hält ein gewisses Gefühl für Timing, Action und Tempo Einzug in die Reihe ein, was wohl vor allem der Arbeit der beiden Regisseure Marlind und Stein zu verdanken ist. Mit den Newcomern India Eisley und Michael Ealy hat man Beckinsale außerdem erneut solide Mitstreiter zur Seite gestellt. Insgesamt also ein erfreulicher Ausreißer nach oben, der den Wunsch aufkommen lässt, dass sich Beckinsale-Ehemann Len Wiseman auch weiterhin von seinem Geisteskind "Underworld" fernhält. Wirklich Großes kann aus der albernen Prämisse aber wohl nie entstehen.
>> verfasst von Tim Lindemann