Moviebase Dredd
Man muss Regisseur Danny Cannon eigentlich dankbar dafür sein, dass seine Verfilmung der Judge Dredd-Comics mit Sylvester Stallone als Titelfigur vor 17 Jahren an den Kinokassen gefloppt ist. Bei einem geschätzten Budget von rund 90 Millionen Dollar spielte der Actioner nicht einmal die Hälfte seiner Produktionskosten wieder ein. Doch gerade aufgrund dieses Scheiterns war es laut Alex Garland, der für das Drehbuch der Neuauflage verantwortlich zeichnete, überhaupt erst möglich gewesen, die Filmrechte zu bekommen. Die Produzenten gaben diesmal 40 Millionen Dollar weniger aus und setzten auf einen neuen Ansatz. So ist der neue Dredd wesentlich kantiger und rauer als sein direkter Vorgänger, was sich auch in der Altersfreigabe bemerkbar macht. Jugendliche unter 18 Jahren dürfen sich das Remake nicht ansehen – und zwar völlig zu Recht.
Mega City One – eine gigantische Metropole voller Gewalt, Chaos und Verbrechen inmitten des düsteren und zerfallenen Amerikas. Die Bewohner leiden und immer mehr Menschen verfallen der neuen Droge Slo-Mo, die sie die Realität in extremer Zeitlupe erleben lässt. Einzig und allein die „Judges“ können gegen die Verbrechen in ihrer Stadt ankämpfen, nur sie haben die Macht als Richter und Vollstrecker für Recht und Ordnung zu sorgen. Dredd (Karl Urban), als oberster „Judge“ gefürchtet, will die Stadt von ihren Plagen befreien. Zusammen mit seiner neuen Rekrutin, Cassandra Anderson (Olivia Thirlby), nimmt er den Kampf gegen Ma-Ma (Lena Headey) auf – eine Drogenbaronin, die eiskalt über den größten Slum der Stadt herrscht.
Als Dredd und Anderson einen Handlanger aus ihrem skrupellosen Clan zu fassen kriegen, entfacht Ma-Ma einen erbitterten Krieg, in dem sie vor nichts zurückschreckt, um ihr Imperium zu schützen. Die Zahl der Todesopfer steigt und auch Dredd und Anderson müssen in diesem erbarmungslosen Kampf an ihr Äußerstes gehen, um am Leben zu bleiben…
Gar nicht auszudenken, was von dem grimmigen und äußerst brutalen Ton übrig geblieben wäre, wenn sich der deutsche Verleiher dazu entschlossen hätte, Schnitte zwecks einer milderen Altersbeschränkung vorzunehmen. Denn der härtere Dredd punktet gerade in den furiosen Actionszenen, die Hauptdarsteller Karl Urban stets mit heruntergezogenen Mundwinkeln durchsteht. Überhaupt muss Urban, der Genreerfahrungen bereits in der Zeitlupenschlacht „Pathfinder“ und im Rentner-Actionfilm „R.E.D.“ sammeln konnte, einzig mit seinem stämmigen Körper und der Mundpartie agieren. Seinen Helm nimmt der Hüne, ganz wie in den Comicvorlagen, zu keiner Zeit ab. Judge Dredd ist Richter, er ist das gesichtslose Gesetz, kein Mann vieler Worte. Kompromisse kennt die Kampfmaschine ebenso wenig wie Erbarmen.
Daher gerät der anfangs als Routine abgestempelte Besuch in einem Wohnblock zu einem bleihaltigen Schlachtfest, einem in sich sehr stimmigen noch dazu. Es ist dreckig in Mega City One, so sehr, dass selbst obdachlose Bettler vernichtet werden. Und es ist laut in der Stadt, nicht allein durch den stetigen Einsatz von Feuerwaffen, die viel mehr drauf haben als bloße Kugeln abzufeuern. Dredd kann einzig durch sprachliche Befehle seinen Geschützen mitteilen, mit welchem Material sie ihre Opfer pulverisieren sollen. Regisseur Pete Travis kesselt seine Charaktere dabei immer weiter ein, in dem er sie aus der weiten Stadt zunächst in einem (200 Stockwerke hohen) Wohnkomplex und schließlich auf einer einzelnen Etage einengt. Dadurch werden Puls und Leichen drastisch erhöht.
Die Menschlichkeit kommt dem Film dann aber doch nicht komplett abhanden. Sie findet sich in Dredds neuer Kollegin und Rekrutin Anderson, kühl angelegt von Olivia Thirlby („Darkest Hour“, „In deiner Haut“). Anfänglich wirkt die Blondine noch etwas ängstlich und unsicher am Gewehr und versucht diejenigen zu schützen, die unschuldig sind. Zudem bringt sie durch ihre Fähigkeit, in die Gedanken der Menschen zu sehen, einige wichtige Handlungsdetails ans Licht und verdreht in einer irrwitzigen Sequenz einem Widersacher im wahrsten Sinne den Kopf. Dredd muss zwischenzeitlich gehörig aufpassen, dass ihm sein weiblicher Co-Star nicht die Show stiehlt.
Die bereits aus diversen Trailern bekannten Slow-Motion-Einstellungen, die Befürchtungen laut werden ließen, der gesamte Film würde sich dieses Stilmittels bedienen, sind in der endgültigen Kinofassung rar gesät, aber dafür umso explosiver eingesetzt. Wer dazu dem 3D-Effekt etwas abgewinnen kann, wird die mit wummernden technoartigen Synthisounds unterlegten Drogenexzesse fast schon als schön empfinden. Schüsse durch Wangen, Stürze durch Fenster und Aufpralle, die mit dem Gesicht voran abgefangen werden, schmerzen angesichts einer solchen Inszenierung noch einmal besonders.
„Dredd 3D“ ist ein extrem kurzweiliger Science-Fiction-Actioner, der sich durch seine unbarmherzige Härte und Brutalität auszeichnet. Karl Urban als eiskalter Richter sorgt für jede Menge spektakulärer Schauwerte, die zusammen mit dem industriellen, stampfenden Score von Paul Leonard-Morgan und der dreckigen Hochglanzoptik für eine anderthalbstündige immens abgefuckte Zukunftsvision sorgen. Hier scheppert und knallt es unentwegt, Atempausen gibt es nicht. Definitiv ein sehenswertes Stück Film, aber folgerichtig auch eben nur für Erwachsene.
>> verfasst von Janosch Leuffen