Moviebase Witching & Bitching
Der spanische Regisseur Álex de la Iglesia ist wahrlich nicht für ruhig erzählte Geschichten bekannt. In seinen Filmen geht es meist verrückt und merkwürdig zu. Zuletzt sorgte sein abgefahrener Genremix aus Drama, Rachethriller und Splatter in „Mad Circus“ für Aufsehen. Ganz anders, aber ebenso beeindruckend ist sein neues Werk „Witching & Bitching“, im Original „Las brujas de Zugarramurdi“, das den spanischen Goya Award gleich neun Mal verliehen bekam.
Skurriler als diesmal kann eine Ausgangslage für anderthalb Stunden Wahnsinn kaum sein: Ein silberfarben angesprühter Jesus, Spongebob, Minnie Maus und ein Mann ohne Gesicht überfallen eher aus dem Handgelenk heraus statt richtig durchdacht einen Juwelier. Erwartungsgemäß geht die Straftat völlig daneben, unter anderem auch deshalb, weil Jesus (der eigentlich José heißt) seinen Sohn Sergio mitgebracht hat. Der geschiedene Familienvater sah den kriminellen Ausflug als Gelegenheit, mehr Zeit mit seinem Sprössling zu verbringen. Dass der sich kurze Zeit später in einem samt Fahrer gestohlenen Taxi auf der Flucht vor der Polizei befindet, hätte er selbst nicht gedacht.
Doch damit nicht genug, denn auf der turbulenten Jagd nach Frankreich passiert die Gruppe das Dörfchen Zugarramurdi, das zunächst eine kleine Verschnaufpause und flüssige Stärkung verspricht. Was keiner ahnt: die Gemeinde wird von Hexen bevölkert, die nur auf Frischfleisch gewartet haben. Denn ihr Gott, eine Mischung aus dem Ork-König von „Der Hobbit“ und den Trolls aus „Troll Hunter“, hat mächtig Appetit. Und dann sitzt José plötzlich auch noch Sergios Mutter im Nacken.
„Witching & Bitching“ versprüht in den ersten zehn Minuten so viel Charme, Crazyness und Action wie andere Filme in zwei Stunden nicht. De la Iglesia unterstreicht von Beginn an seine unkonventionelle Art, abgefahrene Dinge auf die Leinwand zu bringen. Zeit zum Durchatmen gibt es vorerst nicht, zu rasant und witzig ist das Gezeigte. Inmitten all der Ballereien und Hektik platziert de la Iglesia die Gags punktgenau.
Die Auftaktsequenz spricht für einen Heistthriller mit ungewöhnlicher Gruppenkonstellation. Die Charaktere sind sympathisch und liebenswürdig, obwohl sie gerade gegen das Gesetz verstoßen haben. Allein die absurden Dialoge während der unfreiwilligen Taxifahrt sind voller Ironie und bestem Humor. Ohne Scham werden vor dem kleinen Sergio Themen wie Erektionsprobleme und Frauen besprochen. Ganz nebenbei geht es dann auch noch um die Hausaufgaben des Schülers.
Sicherlich wird diese Mixtour nicht jedem gefallen. Wer sich aber darauf einlässt erlebt ein Roadmovie, wie es wohl nur vom spanischen Regisseur kommen kann. Denn plötzlich dreht sich das Szenario um 180 Grad und entwickelt sich zu einem okkulten Fantasy-Drama, bei dem die Protagonisten in den Hintergrund gedrängt werden. Zaubertränke werden gekocht, laufen an der Decke ist angesagt. Und Sergio gerät in den Mittelpunkt des Geschehens. Es wirkt fast so, als verbinde de la Iglesia hier zwei Filme zu einem – und genau das macht seine Erzählung so anders, so erfrischend.
Etwas straffer hätte man das Ganze durchaus erzählen können, hin und wieder schleichen sich kleine Ermüdungserscheinungen ein. Und wer in diesem verrückten Spaß nach Logik sucht, wird garantiert keine finden. Im Gegensatz zu „Mad Circus“ fehlt „Witching & Bitching“ auch die Dramatik, der seelische Tiefgang. Doch eben darauf schein de la Iglesia diesmal auch gar nicht aus zu sein. Er möchte einfach eine irrwitzige Party voller Überraschungen feiern – und das gelingt ihm zweifellos.
Fazit: Chaotisch, lustig und mysteriös: Álex de la Iglesia rennt einmal quer durchs Genrebeet und nimmt uns mit auf einen verrückten Trip. Anschnallen, Gas geben, Spaß haben!
>> geschrieben von Janosch Leuffen