Moviebase Host, The
„Der weiße Hai trifft auf Jurassic Park“ – dieses Zitat ging in Zusammenhang mit dem in seinem Heimatland Südkorea erfolgreichsten Horrorfilm um die Welt – und bereitet mir Bauchschmerzen. „The Host“ lautet der Titel des Spielfilms, der im März diesen Jahres auf deutsche Kinoleinwände trifft. Doch wenn man zwei hervorragende „Tier“filme in einem zusammen packen möchte, muss das Endprodukt schon etwas Großes und Unvergessliches sein. Dass das Zitat mehr als unglücklich formuliert wurde, bestätigt sich beim Betrachten von „Host“.
Ein ganz normaler Tag in Seoul. Viele Menschen relaxen und amüsieren sich an den Ufern des Flusses Han und auch für Kang-du (Kang-ho Song), Verkäufer in dem Kiosk seines Vaters, geht das Leben seinen gewohnten Gang. Der etwas schusselige Mann schläft mal wieder in seiner Verkaufsschicht und wartet darauf, dass seine Tochter Hyun-seo (Ah-sung Ko) von der Schule zurückkommt. Als diese wieder da ist, will erst einmal die Schwester Kang-dus, die Aspirantin auf den Sieg bei den koreanischen Bogenschießmeisterschaften ist, auf dem Sportkanal angefeuert werden. Doch schon bald ist der Wettbewerb nur noch Nebensache, denn aus dem Fluss entsteigt ein ekelhaftes Monster, das Menschen verschlingt. Bevor das Wesen wieder in den Wassern des Han verschwindet, schnappt es sich mit seinem Schwanz noch Hyun-seo und verschwindet von der Bildfläche. Vater und Großvater sowie die bogenschießende Tante und der arbeitslose Onkel sind außer sich vor Trauer. Schon bald werden sie in Quarantäne gebracht, da davon ausgegangen wird, dass die unbekannte Kreatur einen tödlichen Virus übertragt. Als Kang-du einen Anruf von seiner tot geglaubten Tochter erhält, will ihm mit Ausnahme seiner Familie niemand glauben schenken, dass das Mädchen noch lebt. Kurzerhand brechen die Vier aus der Quarantänestation aus und gelten von nun an als hochgefährliche, potenzielle Virenüberträger, die steckbrieflich gesucht werden. Die vier Familienmitglieder sind auf der Flucht und im Kampf gegen das vielarmige Monster ganz auf sich allein gestellt. Werden sie Hyun-seo retten können?
Es ist schwierig, „The Host“ in Worte zufassen. Beginnen wir einmal bei der Werbekampagne für den Film. In Trailern und auf diversen Bildern scheint sich der koreanische Film nur um eines zu drehen: Das mutierte Monster. Wer sich also bereits auf einen lupenreinen Monsterhorrorfilm mit einem animierten und mordenden Riesenfisch freut, wird wohl sehr enttäuscht den Kinosaal verlassen. Denn einen ernst zu nehmender Horrorfilm, dessen Hauptaufgabe es sein sollte, ein Flussungeheuer in der Hauptrolle zu präsentieren, sucht man hier vergebens. Doch bevor sich jetzt die ersten Leser traurig abwenden und frustriert dreinschauen: „The Host“ kann sich trotzdem sehen lassen.
Die Geschichte scheint ein wenig irreführend, denn eigentlich dreht sich der Film um die Jagd nach der Tochter von Kang-du, die vom glitschigen Wassermonster verschleppt wurde, aber noch am Leben ist. Das von mir oben aufgeführte Zitat wird man beim Betrachten wohl nicht entdecken. Wahrscheinlich wurde es zu einer besseren Vermarktung ausgewählt. So werden wir als Zuschauer ziemlich direkt ins Geschehen geworfen, indem wir zwei Chemiker bei der Arbeit beobachten. Nicht vorschriftsgemäß kippt einer der beiden giftige Chemikalien in den Ausguss, die direkt in den Fluss Han gespült werden. Es folgen zwei kurze Einschübe, die zunächst im Jahr 2003 spielen, bis wir dann in der Gegenwart angelangt sind. Schnitt auf die Familie, um der es in dem Abenteuer vorrangig geht. Eine Imbissbude, eine Promenade am Fluss und lockere Stimmung, doch plötzlich tut sich das Wasser auf und schon ist es da, das Monster aus dem Computer. Im Kinosaal herrschte Verwirrung. Wieso erscheint das Vieh bereits nach 10 Minuten so plötzlich und ohne Spannungsaufbau? Was soll denn jetzt noch kommen? Und genau an diesem Punkt werden sich die Geister der Kinogänger scheiden. Die Einen werden „The Host“ wohl als großen Flop ansehen, da das Monster in den knapp zwei Stunden nur ungefähr 20 Minuten zu sehen ist. Aber wer sich doch auf den Film einlässt und ihn eben nicht als puren Angstmacher und Monsterfilm ansieht, der wird seinen Spaß haben. Denn die Stärken liegen bei diesem Streifen in den Szenen, in denen das Riesenungetüm nicht auf der Leinwand erscheint. Teils Slapstickeinlagen, teils Wortwitze werden von den mittelmäßig agierenden Schauspielern präsentiert. Eine Horrorkomödie mit Schwerpunkt auf Komödie. Zum Beispiel wird das übertriebene und hektische Handeln der Regierung auf die Schippe genommen, die einen Virus als Auslöser des Ungeheuers vermutet und Panik verbreitet. Auch die Musik wird oftmals so eingesetzt, dass sie das genaue Gegenstück zum Gezeigten wiedergibt. Das ist sehr oft lustig, ab und an aber auch ein wenig übertrieben. Zudem gibt es mit knapp 120 Minuten auch unumgängliche Längen, darunter das Ende Films.
Einige Logiklöcher ließen sich auch bei „The Host“ nicht vermeiden, werden aber meist durch die Komik und die ungleiche Familie (Tante Bogenschützin, Onkel Säufer, Vater liebenswürdig, Opa durchgeknallt) wieder wett gemacht. Doch was ist eigentlich mit dem Monster, mit dem der Film praktisch wirbt? Animiert wurde es gut, die schleimige Haut und das gesamte Aussehen erwecken Ekel und Abstoßung. Ja, selbst unser animierter Freund bekommt seine eigenen Comedy-Einlagen, wenn er sich wie Tarzan einst im Urwald an der Brücke von Pfeiler zu Pfeiler schwingt. Bis auf die Hetzjagd zu Beginn des Film und den Finalakt, der leider schwach animiert wurde, tritt der glitschige Wassermann kaum in Erscheinung.
„The Host“ begeht eine gefährliche Gratwanderung, die für den Film und vor allem den Zuschauer böse enden könnte. Das Publikum wird entweder die Absicht verstehen oder sich einfach nur ärgern über einen Monsterhorrorfilm, der eigentlich gar keiner ist. Unvoreingenomme Kinozuschauer werden jedoch Spaß haben und sich an diesem ungewöhnlichen Mix aus Satire, Ironie und stellenweise komischen Horror erfreuen. „Seltsame Familie trifft auf mutiertes Riesenfischli“ würde wohl besser zu „The Host“ passen als das oben genannte Zitat.
>> verfasst von Janosch Leuffen