Moviebase Sweeney Todd - Der teuflische Barbier aus der Fleet Street
Wenn ein wankender Pirat und ein ambitionierter Märchenerzähler aufeinander treffen, kann es sich nur um das Gespann Depp/Burton handeln. Alles begann 1990 mit dem gemeinsamen Film „Edward mit den Scherenhänden“ und zog sich dann mit dem Gruselmärchen „Sleepy Hollow“, der Kinderbuchverfilmung „Charlie und die Schokoladenfabrik“ und eben SWEENEY TODD erfolgreich fort. Und auch im letzten Projekt präsentiert Regisseur Tim Burton seine dunkle Seite, die dank eines brillant aufspielenden Johnny Depps erleuchtet wird.
Sweeney Todd (Johnny Depp) hieß früher Benjamin Barker. Er lebte glücklich mit Frau und kleiner Tochter und verdiente sein Einkommen als Barbier. Dann wurde er unschuldig zur Zwangsarbeit nach Australien verbannt. Angetan hat das dem machtlosen Friseur der mächtige Richter Turpin (Alan Rickman). Dessen Motiv war denkbar einfach: Er wollte Benjamin Barkers Frau. 15 Jahre später ist Barker zurück mit neuem Namen im alten Beruf und will Rache. Neben seinem Laden hat Mrs. Lovett (Helena Bonham Carter) ihre Bäckerei, in der sie aus streunenden Katzen und Kakerlaken die schlechtesten Fleischpasteten der Stadt herstellt. Von ihr erfährt er, dass sich seine Frau, nachdem sie von Turpin missbraucht wurde, mit Arsen vergiftet hat und dass seine Tochter von Turpin adoptiert wurde und gefangengehalten wird. Mrs. Lovett liebt Sweeney Todd, aber der wird ganz allein von seinem Bedürfnis nach Rache bestimmt, das sich in einen Hass auf die gesamte Menschheit auswächst. In der Situation, in der sie ihm hilft, seinen ersten Mord zu vertuschen, kommt der praktisch denkenden Frau die Idee mit den Pastetenfüllungen aus Menschenfleisch. Es ist auch ein Weg, ihm näher zu kommen. Damit haben die beiden plötzlich etwas, für das sie sich gemeinsam begeistern können. Es steht jedoch zu befürchten, dass das nicht unbedingt die Basis für eine glückliche Beziehung ist...
Anders, als der Inhalt es vielleicht vermuten lässt, beginnt das Musical nicht mit der glücklichen Zeit des Benjamin Barkers. Nach dem mit Orgelmusik unterlegten und animierten Vorspann steigen wir mit dem nach 15 Jahren wieder in London eintreffenden Barker in die Geschichte ein. Direkt zu Anfang lässt Depp, skurriler Weise in der ersten Szene wieder einmal als Kapitän eines Schiffes zu sehen, sein Gesangstalent in einem musikalischen Dialog mit seinem Kollegen Jamie Campbell Bowen (spielt den Anthony) erahnen. Und für wahr, die Gesangsdarbietungen können sich in SWEENEY TODD wirklich hören lassen.
Depp brilliert als frustrierter Barbier und drückt seinen Missmut in grimmigen Dialogen aus, harmoniert mit seiner Partnerin Bonham Carter (Burtons Ehefrau), die Depp gesangsmäßig allerdings nicht ganz das Wasser reichen kann. Auch Borat-Darsteller Sacha Cohen Baron mimt die ernste Rolle des Adolfo Pirelli glaubwürdig, Alan Rickman trällert ebenfalls gekonnt, erinnert mitunter aber an seine Rolle in „Das Parfum“. Auch die restlichen Nebenrollen wurden weise besetzt, dank der tollen Kostüme und des Make Up's, der Kulisse und der düsteren Optik bietet sich dem Zuschauer ein besonderes Horror-Musical.
Burton setzt über die Laufzeit von knapp zwei Stunden fast durchgehend auf ein tristes, graues und farbloses Bild. Nur in den Rückblenden, die Barker an seinen fröhlichen Tagen zeigen, und in Traumsequenzen wird es im Kinosaal hell und die gleißenden Farben schmerzen schon fast in den Augen. Burton gelingt ein visuell perfekt inszeniertes Stück und aufgrund der verblichenen Farben macht sich in den Szenen, in denen Depp seine Kundschaft singend rasiert, eine Gänsehaut breit. Wenn er sie schließlich ermordet, ebenfalls singend, wirken die dahinsiechenden Opfer, denen allesamt rote Blutfontänen aus der Kehle schießen, fast schon schwarzhumorig, so dass Mitleid mit ihnen wohl gänzlich ausbleibt.
So schön sich die gesungene Szenen auch anhören mögen, irgendwie fehlt es den Songs an Individualität. Die Texte sind selbstverständlich auf die vorherrschende Thematik angepasst, doch bei einem musikalischen Filmanteil von neunizg Prozent hat man mitunter das Gefühl, hier wiederhole sich etwas. Inwieweit die komponierten Songs auch in dem als Quelle geltenden Musicalstück von früher auftauchen, kann ich leider nicht sagen. Auch die Geschichte um den teuflischen Barbier bietet zwar eine gute Grundlage für ein solches Musical, weist aber zu keiner Zeit Überraschungen oder Tiefgang auf. Zum Schluss ein folgerichtiges Finale voller Schmerz und Trauer erzeugen ein berechtigtes, aber wenig aussagekräftiges Ende.
Vollkommen perfekt ist SWEENEY TODD sicherlich nicht. Auch hier eine weitere hervorragend gelungene Produktion von Tim Burton, der sich glücklich schätzen darf, dass er für die Vision des Barbiers Barker/Todd einen glänzend aufgelegten Depp sein Eigen nennen durfte.
>> verfasst von Janosch Leuffen