„Super 8“ beginnt dort, wo fast alle guten Science-Fiction-Geschichten seltsamerweise anfangen: In einer typischen amerikanischen Kleinstadt, wo jeder jeden kennt und wo man gerade nicht das große Abenteuer vermuten würde. In dieser Normalität des ruhigen, beschaulichen Amerika wächst der inzwischen 13-jährige Joe (Joel Courtney) auf. Er leidet schwer unter dem tragischen Tod seiner Mutter, die bei einem Unfall in der örtlichen Fabrik starb. Sein Vater (Kyle Chandler), der Deputy des Ortes, gibt sich zwar alle Mühe, ihn auf andere Gedanken zu bringen, wirkliche Ablenkung erfährt Joe jedoch nur bei seinem besten Freund Charles (Riley Griffiths), einem filmverrückten Nachwuchs-Regisseur, der mit ihm und Klassenkameraden einen selbst ausgedachten Amateur-Zombiefilm drehen möchte.
Als die Jugendlichen eines Abends am Bahnhof des Ortes eine Szene für ihr Horrorfilmprojekt proben, geschieht das Unfassbare. Ein Güterzug der US Air Force reißt es vor ihren Augen aus den Schienen. Es folgen mehrere gewaltige Explosionen, vor denen sich Joe und seine Freunde nur in letzter Sekunde in Sicherheit bringen können. In den darauf folgenden Tagen ereignen sich in dem kleinen Städtchen dann immer wieder seltsame Dinge, die sich keiner der Einwohner so recht erklären kann. Schließlich verschwinden sogar Leute spurlos, was wiederum die Armee auf den Plan ruft. Auch die Jungs spüren, dass in ihrem Ort Merkwürdiges vor sich geht. Noch wissen sie allerdings nicht, auf was für ein Abenteuer sie sich da gerade eingelassen haben.
Steven Spielberg – hier als Produzent tätig – liebt das kleinstädtische Milieu und so ist es kein Wunder, dass bei „Super 8“ besonders viel Wert auf eine stimmige Atmosphäre und eine detailreiche Ausstattung gelegt werden. Aus einem zunächst sterilen Filmset wird so rasch eine lebendige Kulisse für ein angenehm altmodisches Science-Fiction-Abenteuer, das sich seiner berühmten Vorbilder jederzeit bewusst ist. Vor allem Spielbergs eigene Werke wie „E.T.“ und „Die unheimliche Begegnung der dritten Art“ schleichen sich immer wieder als Zitat und Blaupause in die Handlung ein. Mit „Der weiße Hai“, einem anderen Spielberg-Klassiker, teilt sich „Super 8“ den sparsamen, fast geizigen Einsatz seines lange Zeit streng geheimen Hauptdarstellers. Erst in der letzten halbe Stunde erlauben uns J.J. Abrams und Spielberg einen längeren, unverstellten Blick auf die außerirdische Bedrohung.
Dass die Handlung ausgerechnet im Jahre 1979 angesiedelt wurde, ist ebenfalls kein Zufall sondern als ein direkter Hinweis auf die Filmgeschichte und das Kino jener Zeit zu verstehen. „Star Wars“, der Zombiefilm der siebziger Jahre, Spielbergs eigene Science-Fiction-Märchen, „Super 8“ atmet den Geist dieser Ära, für die noch technische Grenzen existierten, die es mit Kreativität und Improvisationstalent wettzumachen galt. Weil die Erinnerung an jene „gute, alte Zeit“ jedoch nicht selten romantisch verklärt wird, leuchtet es auf eine gewisse Art ein, dass auch Abrams und Spielberg diesem Nostalgie-Reflex erliegen und sich manch eskapistische Schnörkel erlauben. Zum Ende hin übertreiben es beide dann mit Sentimentalitäten und einer insbesondere für Spielberg und dem Hollywood-Kino so charakteristischen Happy-End-Sehnsucht.
Trotz seiner verkitschten Auflösung, in die das Drehbuch sogar eine überhastete Last-Minute-Katharsis packte, funktioniert „Super 8“ über weite Strecken überaus gut als Zeitreise in die Filmgeschichte und in die eigene Jugend. Joes und Charles Hobbyfilmer-Clique schließt man sofort in sein Herz, was nicht zuletzt das Verdienst der durchweg erstklassigen Jungdarsteller ist. Als Joes heimlicher Schwarm Alice ist die aus Sofia Coppolas „Somewhere“ bekannte Elle Fanning eindeutig der Star unter den Nachwuchstalenten. Ihre Präsenz und Ausstrahlung übertrifft die ihrer männlichen Mitstreiter um Längen, was weniger gegen die Anderen als vielmehr für sie spricht. Die Erwachsenen bleiben hingegen ziemlich blass, ihre Rollen bis zuletzt austauschbar.
Echte Horrorfans werden von „Super 8“ vielleicht leise enttäuscht sein, weil sich der Film anders als Abrams Monsterhatz „Cloverfield“ weniger für sein außerirdisches Geheimnis als für seine heranwachsenden Helden interessiert. Er kreuzt dabei ein in seinen Dimensionen abgeschwächtes Invasions-Szenario mit der Logik eines klassischen Coming-of-Age-Stücks. Das erklärt auch, warum man sich hier weniger an berühmte Alien-Schocker als an die Melancholie und Wärme eines „Stand by Me“ erinnert fühlt. Und wie dieser erkundet er die Bande einer echten Freundschaft, die sich durch nichts und niemanden erschüttern lässt.
>> verfasst von Marcus Wessel