Nach langer Verspätung kommt „A Tale of Two Sisters“ nun endlich auch nach Deutschland. Vielleicht hängen euch die vielen Horrorfilme, die es in letzter Zeit aus Asien zu uns geschafft haben, ja schon zum Halse raus, aber dieser Film ist anders. Man setzt nicht auf eine recht einfache Story und langhaarige Mädchen, die aufgrund eines Fluches hinter dem Leben der Mensch her sind, sondern auf intelligenten Grusel, der zum Nachdenken anregt. An dieser Stelle weitere Storyinhalte preis zu geben, wäre sicherlich fehl am Platz.
Der Schausplatz ist geschickt gewählt. Ein großer Landsitz mitten im koreanischen Hinterland. Das Haus, dunkel bis in die letzte Pore. Selbst am Tage fällt kaum Licht in die dunklen Gänge der Flure und Zimmer. Passend dazu ist auch die gesamte Einrichtung eher dunkel und morbide gehalten. In diesem Haus leben die beiden Schwestern Su-mi und Su-yeonm, die eines verbindet: Sie hassen ihre Eltern. Die eine mehr, die andere weniger. Der Hauptgrund scheint jedoch eher die Stiefmutter zu sein, die ihre Stiefkinder abgrundtief hasst, und ihr Mann erkennt dieses Verhalten einfach nicht (zumindest macht es zum Anfang den Anschein). Die Darsteller nicht extra zu erwähnen, wäre bei diesem Film ein echter Fauxpas. Grandios spielen die zwei Zwillinge ihre Rollen. Dadurch werden die ganzen Emotionen des Films noch um ein Vielfaches verstärkt. Intensiv und ausdrucksstark verkörpern sie die Charakterzüge der Aufsässigkeit einerseits und der Schüchternheit und Zerbrechlichkeit anderseits. Ein grandioser Cast. Die Synchronstimmen sind wahrlich meisterhaft gewählt und stehen dem Original in nichts nach.
Wie bei vielen Werken von David Lynch hechtet man die ganze Zeit dem Storyverlauf hinterher. Nimmt man für kurze Zeit an, die Handlung begriffen zu haben, steht man wieder vor einem neuen Rätsel, da das nächste merkwürdige Detail nicht sehr fern zu liegen scheint. Der Horror -Aspekt nimmt nur eine kleine Rolle ein und taucht lediglich in ein paar Szenen auf, durchzieht mit seiner dunklen Atmosphäre aber den ganzen Film. Warum das Haus von Geisterwesen geplagt wird (natürlich wieder Form einer Frau mit langen, schwarzen Haaren), bleibt bis zum Schluss nicht erkennbar.
Im Grunde handelt es sich bei „A Tale of Two Sisters“ nicht um einen Horrorfilm, sondern ein tieftrauriges Familiendrama. Bis zur letzten Minute tappt man auf der falschen Spur, aber genau deshalb trifft die letzte Sequenz umso mehr. Vielleicht macht diese Erzählweise einen großen Reiz aus, denn das Abenteuer besitzt einen enormen „Wiederschauwert“ - damit man auch die letzten Metaphern entziffern kann, um das große Geheimnis der Schwesternliebe zu durchschauen. Die Bilder sind grandios in Szene gesetzt und zeugen von dem Können der Regie.
Wer bisher aufgrund der Sprachbarriere gezögert hat, sich dieses Meisterwerk zu importieren, kann nun endlich aufatmen. Der deutsche Publisher e-m-s liefert eine kompromisslos gute Umsetzung ab, die bei keinem Asia-Fan im Regal fehlen sollte. Der Film bildet im Prinzip eine Mischung der Grundideen aus The Others, The Sixth Sense und Ringu. Es ist aber die Art, wie diese Ideen verbunden werden und die grandiose Geschichte dahinter, welche den Film hervorheben. Vollkommen egal, ob man Horrorfilme nun mag oder nicht, „A Tale of Two Sisters“ bietet für jeden etwas. Zugreifen!