Moviebase Bukarest Fleisch
Liest man auf dem Cover einer DVD den Aufdruck „Made in Germany“, so kann es sein, dass man gerne die Hände weiterwandern und den deutschen Titel weitestgehend unbeachtet lässt. Selbstverständlich gibt es auch Ausnahmen, die allerdings eher rar gesät sind. Andy Fetscher konnte mit seinem BUKAREST FLEISCH zwar keinen Hit landen, kann seine Geschichte in den Punkten politischer Aktualität und engagierter Jungtalente jedoch positiv aus der überschwemmenden Masse schlechter Horrorfilme hervorheben – auch wenn die Bezeichung "Meisterwerk" kilometerweit in der Ferne liegt.
Als die sorglose und ziemlich selbstgefällige Studentin Lara erfährt, dass ihr Vater, ihre Mutter und ihre kleine Schwester bei einem Autounfall in Rumänien gestorben sind, bricht sie mit drei Freunden auf, um vor Ort mehr zu erfahren. Ihre Suche bringt jedoch nicht nur die Wahrheit über ihren Vater ans Licht, der als Wissenschaftler für eine humanitäre Hilfsorganisation tätig war, sondern die Aufdeckung des tödlichen Geheimnisses könnte Lara auch das Leben kosten. Wie sich herausstellt, wird dort deutsches Gammelfleisch an rumänische Straßenkinder verfüttert - mit unerwarteten Folgen.
Der Film, so scheint es zu Beginn, lässt dem Zuschauer keine Atempause. Es geht mit hohem Schnitt- und Erzähltempo geradewegs in die Hauptgeschichte, die benötigten Charaktere und deren Hintergrundinformationen werden zügig präsentiert. Fetscher wollte die wohl knapp bemessene Zeit nutzen, um sich nicht mit einer detaillierten Einführung der Protagonisten auseinanderzusetzen, sondern um so schnell wie möglich in Rumäniens Pampa zu landen und dort das blanke Entsetzen walten zu lassen. Schade, denn so bleiben die wahren Beweggründe des Vaters von Lara auf der Strecke und die Tortur in Bukarest ist nicht zuletzt deshalb einfach schlichtweg zu lang geraten und nimmt an Geschwindigkeit immer weiter ab.
Einige Zeit kann man sich das Spiel, welches die meiste Zeit über nachts von statten geht, ansehen. Auf Dauer wirkt das Szenario ausgelaugt, langatmig, rutscht schließlich in einen typischen Genrevertreter mit einem (oder mehreren) maskierten Bösewichten ab, die offensichtlich mit dem Fleischskandal des Vaters in Verbindung stehen. Etwas unverständlich sind die Aktionen der Freunde, als sie auf die mysteriöse Rumänin stoßen. Wer lässt einen wahren Freund schon des Nachts in einem fremden Land bei Unbekannten einfach in den Wald laufen, nur weil dort ein Geräusch vernommen wurde? Jedem dürfte klar sein, dass dieser Spaziergang nicht ohne Hindernisse verlaufen wird. In einigen Szenen deutet Fetscher gar so unübersehbar an, was er als nächstes plant, dass die Spannung mit sofortiger Wirkung flöten geht. Das Blut fehlt zwar nie, fließt aber aufgrund eher zufälliger Situationen, in die sich die Opfer bringen.
Bis zum Ende gestaltet sich das Dahinscheiden der jungen Menschen unspektakulär, und auch im Finale, als in Sachen Tatwaffe so etwas wie Kreativität aufblitzt, verläuft die folgende Szene eher peinlich als vorteilhaft. VORSICHT, EVENTUELLE SPOILER! Da wird sich aus einem Schnürsenkel, einem Taschenmesser, einer Flasche, einem Stock und einem Gummihandschuh eine Art Schleuder gebaut. Der Abschuss erfolgt und trifft den Gegner natürlich perfekt, als würde hier eine jahrelang geübte Scharfschützin am Werke sein. Das scheint etwas aufgesetzt und unglaubwürdig. SPOILER-ENDE Zudem kommt es zu einer vermeidbaren Liebesszene, die wohl nur eingefügt wurde, um noch einen Spritzer Sex einzubringen. Dass sich Lara auf eine sexuelle Beziehung mit einer womöglich infizierten Person einlässt, scheint doch etwas zu weit hergeholt.
Schauspielerisch kann man den Jungdarstellern keine Vorwürfe machen. In dem mit Dialogen (und wenn Dialoge, dann lustlos und uninteressant geschrieben) sehr knapp gehaltenen Drehbuch geben sie sich ihren Möglichkeiten entsprechend Mühe, haben im Endeffekt jedoch einzig die Aufgabe, die Welt der Lebenden möglichst schnell zu verlassen. Alias Lara wurde als Hauptdarstellerin passend besetzt und führt die Riege erfolgreich an. In die Ohren des Zuschauers drängt sich des Öfteren ein Rauschen, da einige Stimmen in ihrer Lautstärke erhöht wurden. Ein Störfaktor. Experimentierfreudig zeigte man sich mit der Verwendung diverser Farbfilter. Anfangs in einem warmen Gelbton gehalten, wechseln die Farben in Bukarest zu einem kühlen Grau, in den nächtlichen Szenen zu einem grünlichen Filter, der Nachtsicht nachempfunden. Das Rauschen des Bildes ist entsprechend hoch. Auf musikalischer Ebene zeigt sich die Produktions stets bemüht, die Spannung und die Schockmomente aufrecht zu erhalten.
BUKAREST FLEISCH ist kein herausragender Film aus heimischen Landen, ebenfalls kein schlechtes Werk, bestenfalls durchschnittlich. Geschichtlich aktuell, wirken viele Elemente zu unausgereift, in der Umsetzung ansprechend, im Ganzen dennoch noch arg verspielt und zu unentschlossen. Wer bereits viele misslungene Horrorfilme (aus Deutschland) sichten durfte, kann den Griff nach dem fauligen Fleisch aus Bukarest ruhig riskieren und womöglich die Schauspielerzukunft von morgen beobachten.
>> verfasst von Janosch Leuffen