Ein altes Herrenschloss im britischen Hinterland. Der Regen prasselt in Strömen auf das modrige Erdreich nieder. Innen: Samuel Gorden, einziger männlicher Überlebender einer der ältesten Familienstammbäume Englands. Seit Jahrhunderten sind die Gordons schon von einem mysteriösen Fluch verfolgt, der die männlichen Nachfahren mit voranschreitender Zeit in den Wahnsinn zu treiben droht. Die Folgen sind Mord, Folter und ein Blutbad, wie es das Städtchen Willow Creek zuvor noch nicht erlebt hat. Was hinter den maroden Mauern des Black Mirror Castle und eines örtlichen Sanatoriums geschah, das sich menschliche Versuche auf die Fahne schrieb, offenbart sich erst hier. In welchem Zusammenhang dies alles mit Black Mirror 2 steht, dem direkten Nachfolger des erfolgreichen Erstlings von 2004, der allein in Deutschland über 100.000 Mal über die Ladentische ging? In keinem direkten - so hat es zu Beginn zumindest den Anschein.
Spieler treten beim zweiten Black Mirror erstmals in die Fußstapfen des jungen Amerikaners Darren Michaels, welcher für die Semesterferien bei der geliebten Mutter im Küstenstädtchen Biddeford, Maine einkehrt. Was es hier für die Jugend zu holen gibt? Außer durchweichten und Wind-gepeitschten Klamotten wenig. Daher ist es nur logisch, dass Darren mit künstlerischen Ambitionen beim örtlichen Fotohändler anheuert, der sich bald als ausgewachsenes "Arschloch" entpuppt. Wer bereits an dieser Stelle vor etwaigen Fäkalausdrücken schaudert, sollte einen weiten Bogen um den Adventureeinstand von Cranberry Productions machen. Das Sequel macht dem Vorgänger in sprachlicher Hinsicht nämlich alle Ehre und spart nicht mit des Öfteren auch unnötigen Kraftausdrücken. Treibende Kraft ist auch in diesem Fall unser leitender Protagonist, dessen Leber gleich von einer ganzen Horde Läusen überlaufen worden zu sein scheint. Diese Vorgehensweise hebt sich wohltuend von eindimensionalen Stereotypen ab, scheint zu Beginn jedoch zumeist unnötig und leicht aufgesetzt. Doch Entwarnung: Die harte Gangart ebbt mit der Zeit spür- und hörbar ab.
Arbeitgeber Fuller, ein älterer, stämmiger und noch immer bei der eigenen Mutter in der Dachwohnung lebender Miesepeter, der es mit Vorliebe auf die weibliche Kundschaft abgesehen hat, drückt uns alsbald die ersten Aufgaben aufs Auge, die uns - gewohnt klassisch - als Laufbursche durch Biddeford führen. Die Variationen reichen dabei von einfachen "Überbringe diesen Brief beim Postamt" zu skurrilen "Werfe dieses Erpresserschreiben ein". Moment. Erpresserschreiben? Wie Darren - gewohnt fluchend kommentiert - bereits zu Beginn zu erahnen weiß, steckt hinter der übellaunigen Fassade seines Chefs nämlich tatsächlich etwas Handfestes, ja sogar überaus Gesetzwidriges. Der Beginn eines furiosen Abenteuers, das ab dem dritten von sechs Kapiteln auf die britische Insel übersiedelt, ist somit geschaffen.
Die Kulissen zeigt sich genretypisch. Verregnete Tage und Nächte an der amerikanischen Westküste machen aus Black Mirror 2 einen Thriller aus dem Bilderbuch. Nicht nur, dass sich das Adventure diverser Vorlagen bedient, scheint auch der Hintergrund aus einem beliebigen Wühltisch-Krimi mit ansprechendem Covermotiv entliehen. Das macht aus dem Abenteuer einen waschechten interaktiven Mystery-Krimi zum Mitspielen. Mystery deshalb, weil das Spiel nie zu schockieren vermag. Cranberry Productions spielt gekonnt mit den Erwartungen der rätselnden Anhängerschaft, was sich im Besonderen auf die musikalische Geräuschkulisse bezieht, löst die so entstehenden Versprechen jedoch nie vollends ein. Nach jedem angedeutenden Höhepunkt folgt so die bittere Ernüchterung. Derart verspielt, lockt sich das Publikum gen Ende dann auch nicht mehr hinter dem Horror-Ofen hervor. Dabei entsteht speziell durch das vorhandene Mittendrin-Gefühl des zu steuernden Charakters eine tiefe Verbundenheit, die den Spieler nur allzu leicht von einem zum nächsten Schockmoment führen lässt.