Moviebase Postal
Der wohl umstrittenste Filmemacher unserer Zeit gibt sich nicht geschlagen und plant munter eine Videospielverfilmung nach der anderen. In der Pipeline stehen „Dungeon Siege“ mit Actionstar Jason Statham („Crank“, „Transporter“), „Far Cry“ (mit Til Schweiger in der Hauptrolle…), Massenmörder-Horror „Seed“ und eben auch „Postal“, der endlich die wahren Begebenheiten aufdeckt, die zum Flugzeugabsturz im World Trade Center führten. Die gleichnamige Spielereihe steht hierzulande übrigens nicht zu Unrecht auf dem Index. Nun also kommt das Spiel als Boll-Werk in die Lichtspielhäuser. Und wie sooft bei Bolls Filmen gilt auch hier mal wieder: Eher schlecht als recht.
Als gestresster Mitbürger Amerikas muss man sich von Zeit zu Zeit einfach mal abreagieren. Genervt von der spießigen Gemeinde im beschaulichen Städtchen Paradise City, geht der Postal Dude auf einen Zwerchfell erschütternden Feldzug durch die belebten Straßenzüge. Nicht nur Katzen, Anwohner und Polizisten legen sich mit dem smarten Helden an, selbst Osama Bin Laden ist angesichts solcher Dreistigkeit erzürnt.
Geschmacklosigkeit kann jeder so definieren, wie er möchte. Uwe Boll definiert sie aber sicherlich dermaßen hart und unangebracht, dass einem Hören und Sehen vergehen wird und man sich wirklich fragt, ob so etwas heutzutage wirklich nötig ist. Konsequenz und Härte sind zwar ohne Zweifel in „Postal“ immer allgegenwärtig, jedoch auf unterstem Niveau und einfach nur zum Kopfschütteln. Alles beginnt schon mit den über Jungfrauen streitenden Selbstmordattentätern im Cockpit des Flugzeugs, welches kurze Zeit später – durch Verschulden der Passagiere – in ein uns bekanntes Gebäude düst. Ob man sechs Jahre nach dem tragischen Unglück vom 11. September tatsächlich schon solche makaberen Scherze mit den Umständen treiben sollte, ist fraglich. Uwe Boll tut’s trotzdem.
Und weiter geht’s im Sauseschritt. Die Sprüche so flach wie ein Blatt Papier, die Handlung noch dünner. Ich kenne das Spiel nicht, aber aus einer Unterhaltung mit einem Zocker von „Postal“ erhielt ich die Bestätigung, dass Boll wenigstens alle originalen Schauplätze des Spiels detailgetreu nachgestellt hat. Was der Qualität des Ganzen überhaupt nicht zu Gute kommt. Auch an den Schauspielern liegt das Misslungene nicht. Zack Ward als Dude ist gut besetzt, auch Brent Mendenhall als US-Präsident Bush weist extrem unheimliche Ähnlichkeiten zum Staatsoberhaupt Amerikas auf, ebenso Larry Thomas als Osama Bin Laden, oder auch „Samy“ genannt. So bekloppt die Dialoge auch sind, sind sie irgendwo auch wieder witzig. Aber eben auf einer ganz tiefen Ebene. Ja, selbst unser Regiewunderkind Boll gibt sich selbst die Ehre (oder die Schmäh?) in seinem eigenen Film als er selbst aufzutreten. Das allerdings macht er so unterirdisch schlecht („Viele behaupten, ich würde meine Filme mit Nazi-Gold finanzieren. Was soll ich sagen? Es ist wahr!“), dass es nur noch peinlich und lächerlich wirkt. Eine Schande, dass dieser Mann für seine „Filme“ immerhin gute Schauspieler verpflichten kann, für „Postal“ sogar 15 Millionen Euro verballerte (im wahrsten Sinne) und dazu noch aus einem deutschen Ort stammt, der von mir aus zehn Minuten Fahrt entfernt liegt. Ich schäme mich.
Irgendwann hört der Spaß dann auch mal auf. Spätestens, wenn es um die mutwillige Tötung von unschuldigen Kindern geht, hat die Geschmacklosigkeit und Peinlichkeit Bolls ihren traurigen Höhepunkt erreicht. So was geht einfach gar nicht. Konsequentes Töten ist ja schön und (nicht) gut, aber sobald Kinder ins Spiel kommen, dürfte man selbst von einem Uwe Boll etwas mehr Einfühlungsvermögen verlangen. Genau an diesem Zeitpunkt wurde der Kinosaal auch schlagartig leer. Kinder, die von wild umher ballernden Talibananhängern und dickbusigen Kampfamazonen rücksichtslos blutspritzend von der Leinwand geschossen werden, möchte keiner sehen und braucht auch niemand.
Was also bleibt von „Postal“? Satirisch ist das Ding, keine Frage, jedoch in einer Art und Weise, wie sie nur von Boll kommen kann. Einmal mehr bestätigt der Möchtegern-Hollywood-Regisseur hier, dass er keinen Grund hat, sich über seine Werke zu freuen. Die Frage nach dem großen „Warum?“ steht weiterhin im Raum. Wer unterstützt solche Streifen mit Unmengen an Geld? Welches Interesse finden Schauspieler an Bolls Filmvorhaben? Wir werden es wohl nie erfahren.
>> verfasst von Janosch Leuffen