The Lodge – Interview: Veronika Franz and Severin Fiala sorgen für frostigen Horror!

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Der Winter ist in Deutschland aktuell Mangelware. Doch zumindest im Kino kann man sich ab heute so richtig einschneien und von frostiger Kälte benebeln lassen – mit grauenhaften Folgen für alle Beteiligten! Von Veronika Franz and Severin Fiala (The Field Guide to Evil), einem der spannendsten Filmemacher-Duos, das die europäische Genrefilm-Landschaft derzeit zu bieten hat, kommt The Lodge, der unterkühlten Horror heraufbeschwört, wie es nur ein Psycho-Albtraum im Stile von The Shining vermag. Wir haben uns anlässlich der deutschen Kinopremiere mit Veronika Franz and Severin Fiala zusammengesetzt und über ihren aufregenden zweiten Film nach dem umjubelten Horror-Festival-Senkrechtstarter Ich seh, ich seh (Goodbye Mommy) gesprochen. Dabei geht es um Themen wie die einmalige Gelegenheit, mit der legendären britischen Kult-Horrorfilmschmiede Hammer Films (The Quiet Ones, Die Frau in Schwarz) zusammenzuarbeiten, aber auch die neuen und veränderten Drehbedingungen in Kanada und das besondere Zusammenspiel innerhalb des prominenten Casts, darunter Richard Armitage (Der Hobbit und Storm Hunters), Alicia Silverstone, Jaeden Martell (Stephen Kings ES) und Riley Keough (It Comes at Night, Mad Max: Fury Road).

Schon Shining hat uns gelehrt: Verschneite, abgelegene Berghütten verheißen nichts Gutes! In The Lodge mischt sich aber noch etwas anderes unter eisige Kälte, Einsamkeit und langsam zunehmende Paranoia – unheilvolle Anzeichen auf einen mysteriösen Todeskult, finstere Rituale und ein düsteres Geheimnis. Wieder stellen beide unsere Vorstellung von Familienidylle auf eine harte Probe. Denn was Riley Keough (American Honey, Mad Max: Fury Road), Jaeden Martell (ES, ES: Kapitel 2, The Book of Henry), Lia McHugh (Along Came the Devil) während ihrer Tage und Nächte in der titelgebenden Lodge durchleben, kommt einem echten Horrortrip gleich.

BlairWitch.de: Sie haben sich für ihren neuen Langfilm nach ICH SEH ICH SEH fünf Jahre Zeit gelassen, lediglich 2018 noch ein Segment für A FIELD GUIDE TO EVIL gedreht. Wie viel Zeit floss nun letztendlich in THE LODGE?

Severin Fiala: Es war eine längere Geschichte. Es ist schon ein paar Jahre her, dass wir die erste Fassung des Drehbuchs bekommen haben und standen seitdem immer wieder mit dem Originalautor in Kontakt. Wir haben das Ende etwas geändert, was dazu geführt hat, dass wir den ganzen Film anpassen mussten. Insgesamt hat sich dieser Prozess, natürlich nicht durchgehend, fast drei Jahre gezogen.

Veronika Franz: Man muss das natürlich so sehen: Heutzutage ist es nicht mehr so, dass man einen einzigen Film im Kopf hat und plant. Wir hatten eigentlich schon einen anderen Film geschrieben, der jedoch von der Förderung nicht finanziert wurde. Das hat sich mittlerweile geändert, den drehen wir nun nächsten Sommer. ICH SEH ICH SEH war ja ein überraschend großer Erfolg und das beschäftigt einen neben dem Schreiben des Drehbuchs noch ein Jahr lang. Nach der Uraufführung kommt der Film in verschiedenen Ländern raus, zum Teil erst viele Monate später, und dorthin reist man dann auch. Jeder Film dauert als Regisseur bestimmt drei Jahre, vom Drehbuch über das Filmen bis zur Nachbearbeitung.

Severin Fiala: Bis zum nächsten Film wird es sicherlich nicht wieder so lange dauern. Aber den „ICH SEH ICH SEH“-Schock mussten wir erst einmal verdauen.

THE LODGE wurde produziert von den legendären britischen Hammer-Studios, die zuletzt ja u.a. für „Die Frau in Schwarz“ oder „The Quiet Ones“ verantwortlich waren. Fühlt sich das anders an, wenn man plötzlich für so ein renommiertes Horror-Studio arbeitet oder kann man das ausblenden?

Severin Fiala: Wir konnten das gut ausblenden, weil wir einfach so viele Dinge zu tun hatten, dass wir wenig zum Denken gekommen sind. Wir waren begeistert, als wir das Drehbuch von ihnen bekommen haben und beim ersten Treffen sicherlich auch ehrfürchtig. Aber dann entwickelt sich das in eine normale Arbeitsbeziehung. Da hat man nicht viel Zeit, sich über den Legendenstatus Gedanken zu machen.

Veronika Franz: Der schönste und gleichzeitig einschüchterndste Moment war, als wir das Drehbuch erhalten haben. Da stand dann „Untitled horror film. Hammerfilm Productions“.

Jetzt ist es ja auch so, dass im Gegensatz zu ICH SEH ICH SEH ein internationaler Cast mitspielt und auch einige größere Namen dabei sind, z.B. Jaeden Martell, Richard Armitage, Alicia Silverstone oder Riley Keough. Ist die Arbeit, abgesehen von der Sprache, anders als die Arbeit mit deutschsprachigen Schauspielern?

Severin Fiala: Ehrlich gesagt war das über weite Strecken leichter. Es gibt in Amerika einfach so viele großartige Schauspieler, und anders als im deutschsprachigen Raum auch einige, deren Gesichter man nicht schon in- und auswendig kennt. Die bringen ein unfassbares Talent, eine unfassbare Gabe mit, die uns wirklich hat staunen lassen. Der schon angesprochene Jaeden Martell hat die Fähigkeit, immer als er selbst zu spielen und sich in unfassbare Situationen zu bringen.

Veronika Franz: Wenn wir vom deutschsprachigen Raum reden, reden wir von Österreich. Österreich hat einfach eine unglaubliche Theaterproduktion, in Deutschland gibt es natürlich viel mehr Filmschauspieler im herkömmlichen Sinne. Bei uns lernen alle am Theater, etwas was z.B. Riley oder Jaeden noch nie gemacht haben. Auch wir haben großartige Filmschauspieler, aber eben deutlich weniger.

Schnell ist klar: In dieser Hütte stimmt etwas nicht! ©SquareOne Entertainment

Da hat man in Amerika dann einfach mehr Auswahl.

Veronika Franz: Genau, und die bereiten sich dann auch alle völlig selbstständig und allein vor. Wir waren am Anfang etwas beunruhigt, dass wir zu wenig Zeit haben. Aber das war gar kein Problem.

Severin Fiala: Lia McHugh und Jaeden Martell kannten sich zu dem Zeitpunkt noch nicht gut, wir wollten aber, dass sie viel Zeit miteinander verbringen, weil sie Bruder und Schwester spielen. Wir haben sie dann einfach improvisiert über ihre Filmmutter schimpfen lassen. Die konnten einfach 20 Minuten über diese Figur reden, ohne irgendetwas zu sagen, was nicht mit dem Drehbuch übereingestimmt hätte.

Sie haben das Drehbuch also komplett verinnerlicht…

Severin Fiala: Ja, und zwar schon zu dem Zeitpunkt, an dem sie am Set ankamen.

Veronika Franz: Wir sind auch Menschen, die Schauspieler nicht einfach Dialog auswendig lernen lassen. Wir wollen sie kennen lernen, textlich wenn nötig etwas ändern. Wir haben das Bestreben, dass die Schauspieler natürlich sein können und sie etwas Neues erschaffen, an das wir vorher vielleicht nicht gedacht haben.

Das sind doch auch die Momente, die einen Film erst so richtig ausmachen. Ich hatte bei THE LODGE das Gefühl, dass die Chemie der Schauspieler untereinander einfach gestimmt hat.

Veronika Franz: Ja, darüber sind wir glücklich. Man kann sich natürlich bemühen, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Wir haben auch so weit wie möglich chronologisch gedreht.

Severin Fiala: Damit die Schauspieler reinwachsen können. Die Kinder und ihre Stiefmutter kennen einander zu Beginn des Films ja nicht gut. Und damit sie diese Beziehung gemeinsam entwickeln können, haben wir uns dafür entschieden, chronologisch zu drehen. Das ist natürlich in puncto Produktionsbedingungen das ungünstigste und schwachsinnigste, was man tun kann. Das ist ineffizient. Wir glauben aber, dass ein chronologisches Drehen hier die schauspielerische Leistung besser gemacht hat.

Was jagt Grace und den Kindern Angst ein? ©SquareOne Entertainment

Die Dreharbeiten fanden ja in Kanada statt. Warum fiel die Wahl auf diese Hütte? Was waren eure Wunschvorstellungen, was war vor Ort besonders schwierig umsetzbar?

Severin Fiala: Wir sind immer dafür, möglichst viel Echtes und Reales zu nehmen, weil wir glauben, dass das den Film bereichert. Wir wollten also eine Original-Location, die isoliert und von innen und außen bespielbar ist. Die Schauspieler sollen kein Set betreten, sondern einen realen Ort. Dann ist es so, dass kein realer Ort dem entspricht, was man sich vorgestellt hat. Das kann einen Film aber auch bereichern, denn der Ort verändert den finalen Film. Das heißt in diesem Fall: Das Haus beeinflusst, in welche Richtung der Film geht, wie er sich anfühlen wird. Ist es eine windschiefe, kleine Hütte mit nur einem Raum oder ein großes Haus mit verwinkelten Gängen und Aufzügen? Das war eine sehr schwierige Entscheidung.

Veronika Franz: Aber auch da arbeiten wir mit dem, was wir haben und ändern dementsprechend das Drehbuch. Die Hütte, die wir letztendlich ausgewählt haben, hatte beispielsweise einen wunderbaren Dachboden, wir hatten aber gar keine Szene auf einem Dachboden im Drehbuch. Als wir die Hütte dann gefunden haben, haben wir einige Szenen dementsprechend umgeschrieben. Aber man adaptiert die Location natürlich auch, man stattet es so aus, wie man es für den Film benötigt.

Severin Fiala: Wenn man sich schon für einen realen Ort entscheidet, muss man sich auch fragen: Was sind die Stärken dieses Ortes?

Veronika Franz: Es ist wie mit Schauspielern. Und wir gehen da sehr intuitiv vor. THE LODGE hat uns bestärkt, auf unser Bauchgefühl zu hören in Sachen Schauspieler und Locations. Man muss die Stärken und Schwächen kennen und dann damit arbeiten.

Weitere wichtige Themen sind in THE LODGE, wie auch schon in ICH SEH ICH SEH, psychologische Probleme, die Kind-Stiefmutter-Beziehung und natürlich Religiosität. Allein der Name „Grace“ der Hauptdarstellerin spiegelt das wider. Was ist da die Faszination für Sie?

Veronika Franz: Wir glauben, wir können Themen, die uns interessieren, intensivieren, indem wir sie auf Dreier- oder Vierer-Beziehungen reduzieren.

Severin Fiala: In Familienkonstellationen sind die Beziehungen untereinander auch relativ klar und Zuschauer können sie nachempfinden.

Veronika Franz: Der Zugang ist leicht. Und die Skelettierung dessen, worum es geht, fällt leichter.

Severin Fiala: Jeder kennt die Idealvorstellung einer Familie. Und wenn da etwas nicht richtig läuft, versteht man das relativ schnell.

The Lodge sorgt für frostiges Grauen. ©SquareOne Entertainment

Veronika Franz: Bei uns geht es oft um Trauma und Kommunikation, auch um Masken, unter denen man sich versteckt. Das Verdrängen und Vergraben der Vergangenheit. Deutsche kommunizieren emotionsloser und geradliniger. Österreicher dagegen eher mit viel Humor, hintergründiger, sie benennen Dinge nicht klar. Da gibt es oft viel, was man begräbt, was dann aber irgendwann wiederaufersteht.

Severin Fiala: Aber die Überwindung von Traumata ist auch speziell bei THE LODGE ein Thema. Da ist die Frage: Wie tut man das, wie teilt man sich anderen Leuten mit oder eben auch nicht?

Veronika Franz: Wenn du fragst, wieso das Thema so interessant für uns ist: Natürlich, weil es jeden betrifft. Ein Amerikaner hat eine Pressevorführung gesehen und sagte dann, man sehe dem Film an, dass er europäisch ist, aber trotzdem thematisch amerikanisch anmutet. Es ist nun einmal kein geradliniger Horrorfilm wie jeder andere.

Definitiv! Abschließend noch die Frage: Welche Erfahrungen und Lehren ziehen Sie aus der Produktion von THE LODGE für ihre weiteren Projekte?

Severin Fiala: Wir haben wahnsinnig viel gelernt. Gerade, mit Frankokanadiern zu drehen, die eine eigene Art haben, zu kommunizieren und zu arbeiten, war neu. Das System, wie dort Filme gemacht werden, ist zu Beginn kompliziert zu durchschauen und etwas behäbiger. Viele Missverständnisse, die es auf dieser Ebene bei THE LODGE gab, werden so das nächste Mal sicherlich nicht mehr passieren.

©SquareOne Entertainment

Geschrieben am 06.02.2020 von Torsten Schrader
Kategorie(n): News, The Lodge



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