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Masters of Horror: 13 one hour movies from 13 visionary directors on 6 frightening Fridays. So will es zumindest die Werbekampagne. Nur, was soll ich sagen? Die Ergebnisse bisher sind, vorsichtig und höflich formuliert, durchwachsen. Mal völlig abgesehen vom tollen Konzept, das Initiator Mick Garris mit großen Genrenamen gemeinsam ersonnen hat, sind die tatsächlichen Filmerlebnisse eher weniger befriedigend. Während und nach beinahe jeder einzelnen Episode hat mich bisher das ungute Gefühl beschlichen, dass da wahnsinnig viel Lärm um eigentlich sehr wenig gemacht wird, dass da ein Genre langsam und qualvoll an seinen eigenen Klischees erstickt. Klar, ich habe bisher erst die ersten sechs Folgen gesehen (in Australien hechelt man dem Zeitgeist immer so ein paar Monate hinterher) und es ist natürlich noch viel zu früh, um ein tatsächliches Schlussresümee zu ziehen, aber was bisher das Licht der australischen Öffentlichkeit erblickt hat, lässt mich doch leicht zweifeln an den Fähigkeiten so mancher so genannter Masters of Horror. Eine erste ernüchterte Zwischenbilanz mit kleineren und größeren Etappensiegern sei mir nun also erlaubt.

Zugegeben, John Carpenters Cigarette Burns ist eine recht interessante, selbstreflexive Geschichte über einen mysteriösen Film, der sein Publikum in willenlose Monster verwandelt und hat mich durchaus positiv an dessen früheren Film In the Mouth of Madness, eine fieberhafte Fantasie über H.P. Lovecraft, erinnert. Obwohl diese erste Episode der Serie zu keinem Zeitpunkt an Carpenter-Klassiker wie The Thing, Halloween oder Assault on Precinct 13 heranzureichen vermag, habe ich Hoffnungen gehegt, dass da Ernstzunehmendes auf dem Bildschirm heranreift, der Übersättigung durch verwässerten TV-Grusel (von Supernatural über Medium bis hin zu Ghost Whisperer) endlich etwas halbwegs Handfestes gegenübergesetzt wird. Aber dann...

Ich meine, was hat sich Dario Argento nur bei seiner völlig nichts sagenden, offensichtlich im Tiefschlaf Zustand gedrehten Fingerübung Jenifer gedacht? Hat Argento nicht mal von Einstellung zu Einstellung durchkomponierte, von der Liebe zum anspielungsreichen Detail geprägte Meisterwerke des psychedelisch-surrealen Giallo-Horrors wie Suspiria oder Deep Red gedreht? Kaum zu glauben, angesichts des sowohl ästhetisch als auch inhaltlich uninspirierten Elends, das in Jenifer vorherrscht. Andererseits, waren nicht auch Argentos letzte Filme wie The Card Player dazu angetan, eher Mitleid (mit dem Regisseur und den Beteiligten) als Schrecken hervorzurufen?
Dasselbe kann auch über das Werk eines gewissen Tobe Hooper gesagt werden, der seit Texas Chainsaw Massacre (oder, meinetwegen, Lifeforce) ja auch nicht mehr wirklich viel der Rede Wertes zustande gebracht hat: „Willkür und Klischees halten Hoopers Werk zusammen, oder auch willkürliche Klischees und klischeehafte Willkür.“ So Matthias Huber überaus zutreffend in seiner Splatting Image Rezension von Hoopers letztem Film, Mortuary (Splatting Image 63, S.74). Nun kann natürlich gesagt werden, ein Regisseur, der einen absoluten Genreklassiker wie TCM zu verantworten hat, ist für alle Zeiten über jeden Zweifel erhaben und Hoopers Rang und Stellenwert in der Horrorfilmgeschichte sollen hier auch nicht angezweifelt werden. Aber, meine Güte, was hat er sich nur bei seinem völlig ins Leere geschossenen, irgendwie postapokalyptisch-verquasten, unnötig hektisch gefilmten und geschnittenen und – ja – willkürlich-klischeehaften Film Dance of the Dead gedacht? Abmarsch auf die Strafbank, bitte! Und sein Star Robert Englund, der selbst seit Jahren nur mehr traurige Selbstparodien zustande bringt (jüngstes ungutes Beispiel: die Bankrotterklärung 2001 Maniacs), soll gleich daneben Platz nehmen.

Dort wird es dann allerdings schön langsam eng, immerhin hat sich auch gleich Don Coscarelli (Phantasm) mit seiner – mir völlig unverständlich – mancherorts hoch gelobten Serienkillervariation Incidents on and off a Mountain Road dazu gesellt. 60 Minuten bedeutungsschwangere Blicke, unmotiviert-sadistische Gewaltausbrüche, Geisterbahnatmosphäre inklusive Kunstgedonnere und -geblitze in Stroboskopmanier: definitiv nichts für Epilepsiegefährdete. Das kann ja nichts sein. Immerhin strotzen die Figur des völlig absurden Serienkillers, die aufgesetzten Dialoge und die bestenfalls lächerliche Rahmenhandlung vor – wohl unfreiwilligem – Humor.

Aber wo viel Dunkel und Trübsal herrscht, da fällt manchmal auch ein Lichtstrahl ein. Dies ist offensichtlich ein Klischee, zumal in einem Horrorrahmen. Nichtsdestotrotz scheint es mir angebracht angesichts Joe Dantes kleinem Meisterwerk Homecoming. Der Regisseur, der ja schon immer einen Finger gehabt hat an und in den Wunden der amerikanischen (Vorstädter)mentalität (siehe Toy Soldiers, The Burbs, Gremlins, The Second Civil War), bezieht anhand einer freien Bearbeitung einer Kurzgeschichte des Autors Dave Bailey (Death and Suffrage) unverblümt Stellung zu Missständen in der amerikanischen Gegenwartspolitik und attackiert in aller nötigen Schärfe die republikanischen warlords und spin doctors um Präsident George Bush, stellt deren Intrigen, Wahlskandale, Vertuschungsversuche und religiöse Heuchelei und vor allem – als einer der ersten Regisseure aus dem Mainstream Hollywoods – den unter falschen Voraussetzungen und mit katastrophalen Ergebnissen geführten Irakkrieg in den Mittelpunkt der Geschehnisse. „Nobody is doing anything about what’s going on now“, meint er dazu in einem Interview mit der Village Voice, “compared to the 70s, when they where movies about the issues of the day. This elephant in the room, this Iraq war story, is not being dramatized.”

Und wie wird der Irakkrieg hier dramatisiert? Kurz und bündig (um nicht zu viel zu verraten): Im Irak getötete Soldaten kehren in der Heimat aus ihren Gräbern zurück, um bei der Präsidentschaftswahl 2008 gegen den Amtsinhaber zu stimmen. Da jener und seine Handlanger aber – wie allgemein bekannt sein sollte – mit allen Wassern gewaschen sind und vor keiner amoralischen Scheußlichkeit zurückschrecken, eskaliert die Situation bald.

In einem Interview auf FoxTel-Digital merkt Dante an, dass aufgrund der Thematik und einer Medienkultur der euphemistischen Kriegsberichterstattung in seinem Film kein Platz für Subtilitäten gewesen sei: „This had to be an agitprop, hit-’em-over-the-head movie.”

Nun ist ja der – vor allem amerikanische – Zombiefilm schon seit jeher eines der am besten zur politischen Reflexion geeigneten Subgenres des Horrorfilms, siehe George Romeros Kommentare zu Rassenpolitik (Night of the Living Dead), Konsumwahn (Dawn of the Dead), Militarismus (Day of the Dead) und Totalitarismus/ Zweiklassengesellschaft (Land of the Dead). Dante verneigt sich in mancher Szene – z.B. in der Friedhofssequenz – vor dem Übervater des von liberalem Gedankengut geprägten Zombiefilms, geht allerdings noch einen Schritt weiter als dieser, macht explizite Anleihen an Wahlkampfästhetik, Politik- und Kriegsberichterstattung, nimmt konkret Bezug auf politische Handlungsträger (köstlich zum Beispiel die Verweise auf Karl Rove als politischem Marionettenspieler und Ann Coulter als opportunistisch-ultrakonservativem, opportunistischem lightning rod der amerikanischen Rechten) und offene tagespolitische Geheimnisse, wie die heimlich in die Heimat zurücktransportierten Särge oder das Wahlkampfdebakel in Ohio. „If you’re going to code the message (...), which is the way we’ve all done it—the way that all the horror movies have done it—that’s fine”, sagt Dante in einem langen, ausgezeichneten und aufschlussreichen Interview auf CinemaScope, “but, you know, it’s not going to reach an audience like a movie that’s overt.”.

Es ist unschwer zu erkennen, dass es gerade diese Verbindung von aktionistischem Sendungsbewusstsein, unerhörter politischer Brisanz und emotioneller, rechtschaffen wütender Parteinahme für die politically disenfranchised ist (für die Millionen politisch Entrechteten also, als welche die Zombies leicht zu identifizieren sind), welche Homecoming über den engen Rahmen der Horrorserie und des Genres im Allgemeinen hinaushebt, ihm einerseits glühende Anhänger einbringt, andererseits aber auch ebenso glühende Abwehrreaktionen provoziert, vor allem natürlich in konservativen Blogs. Rechtslastige Rezensenten tun den Film unter anderem als „partisan propaganda-fest“ oder als „one-sided political smear tactic masquerading as ‚entertainment’“ ab und diffamieren seine Anhänger als „brain dead great unwashed liberals“.

Natürlich ist der Film parteiisch, natürlich ist die Präsentation einseitig, natürlich werden Republikaner mit Dreck beschmiert, aber wisst ihr was? Gut so! Natürlich ist was dran an der Feststellung, dass komplexe Sachverhalte wie die amerikanische Gegenwartspolitik ausgeglichener reflektiert werden müssen, “using the reasonable arguments from each side of the issue, if you want to get people to think about important issues like this” (www.imdb.com). Diese Aussage unterschreibe ich sofort, keine Frage. Nichtsdestotrotz, in einem von absolutistischem „if-you’re-not-with-us-you’re-against-us“-Denken beherrschten politischen Klima wie jenem, das zur Zeit in den USA herrscht und das vor allem von ungerechtfertigten Eingriffen in die Medienfreiheit, vorauseilendem Gehorsam und Selbstzensur geprägt ist, braucht es klare, unmissverständliche Kommentare von einer lebendigen Opposition, um eine Diskussion in Gang zu bringen. Nach einem Jahr in den USA, während dem ich auch die Absurdität miterleben durfte, die der Wahlkampf 2004 im swing state Ohio war, muss ich feststellen, dass es leider in einer Zeit des opportunistischen Duckmäusertums viel zu wenig stimulierenden Dissens und erhobene Stimmen gibt. Genau aus diesem Grund sind Filme wie Homecoming, Land of the Dead, Syriana, Good Night and Good Luck oder Fahrenheit 9/11, um nur einige wenige zu nennen, in ihrer offenen Stellungnahme so wichtig.

Dante – genauso wie Romero, Clooney, Moore – bewegt sich dabei auf einem Terrain, das ihn angreifbar, instrumentalisierbar und marginalisierbar macht, das es leicht macht, ihn als (ultra)linken Anti-Patrioten zu diffamieren. Die McCarthy-Keule soll ja durchaus schon das eine oder andere Mal ausgepackt worden sein in den knapp fünf Jahren seit 9/11. Aber greift nicht der immer wieder geäußerte Vorwurf des Antiamerikanismus (der ja vor allem auch bei uns zuhause in Europa bunteste Blüten treibt) zu kurz angesichts der Tatsache, dass all diese Filme letzten Endes vor allem geprägt sind von einem tiefen Patriotismus einem Land gegenüber, das für diese Regisseure weniger für religiösen Fundamentalismus, Waffenverehrung und Fahnengeschwenke steht, sondern vor allem für Bürgerrechte, Freiheit, Frieden und Toleranz? Darauf angesprochen meint Dante nur, “I’m not a politician, I’m just a person who watches the news and grew up in a country that I see slipping away from me, and being taken over by the religious right and people who want to take away the freedoms that we supposedly gave our soldiers’ lives for in previous wars.”.

Geschenkt, dass bei oberflächlicher Betrachtung die ästhetische Qualität dem ideologischen Stürmen und Drängen in Homecoming etwas hinterherhinkt (interessant wäre es natürlich in diesem Zusammenhang, Ausstattung, Kameraführung, Farbgebung und Schauspiel des Films und das ästhetisch „hässliche“ amerikanische Mainstreamfernsehen gegenüberzustellen und bewusste Annäherungen zu untersuchen).

Geschenkt, dass beinahe zu viele brennende Eisen angepackt werden. Geschenkt, dass deshalb in knapp 60 Minuten nicht genug Zeit bleibt, sämtliche Implikationen stimmig zu entwickeln und dadurch die Durchschlagskraft mancher Argumente etwas leidet (auch dies kann als durchaus gezielter Kommentar zur fragmentarisierten amerikanischen Medien- und TV-Realität gelesen werden). Geschenkt, dass die Hyperrealität, die durch konkrete Verweiswut erzeugt wird, in wenigen Jahren (hoffentlich!) als überholt angesehen werden kann. Geschenkt, dass die Rechtschaffenheit in manchen Augenblicken den unguten Nachgeschmack von Selbstgerechtigkeit besitzt. Geschenkt, dass der wahre Horror nicht in den handzahmen Zombies, sondern in der politischen Sackgasse zu finden ist, in die sich das Land in den letzten sechs Jahren manövriert hat. Geschenkt auch in diesem Zusammenhang, dass Homecoming mit Details zu einer tatsächlichen Verbesserung der Situation geizt (eine echte „Rückkehr“ der toten Soldaten kann – sagen wir mal vorsichtig – wohl eher ausgeschlossen werden; immerhin: es geht auch und besonders um die Geister, die man rief…).

 

 

All diesen Vorbehalten zum Trotz: der Wille zum Gedankenanstoß ist es, der zählt. Inwiefern sich aber die wachsende Unruhe und Unzufriedenheit mit dem Bush-Kriegsverbrecher-Regime in einem Land, das sich langsam aus der Geiselhaft befreit, in die sie nach 9/11 von den Republikanern genommen wurde, auch tatsächlich in eine Veränderung der zugegeben traurigen Situation ummünzen lässt, wird sich eventuell in einem knappen halben Jahr zeigen, wenn im November der amerikanische Kongress neu gewählt wird. Dante selbst zeigt sich skeptisch, dass eine Veränderung ohne konzertiert, konzentrierte Initiativen möglich ist: „It’s not over for them [Anm.: die Republikaner], they’ve got three more years. Three more years to do more damage. More damage to the Supreme Court, more damage to the environment, more damage to all the things that they seem to want to destroy. And they’re going to find a way to be effective, believe me. People need to not let their guards down just because they [Anm: die Republikaner] are having a bad couple of months.”. Sein Film ist aber trotz aller Skepsis der beste Beweis dafür, wie lautstark in Situationen wie dieser der Wille zur Veränderung propagiert werden kann.

Welche Zwischenbilanz kann nun also zu diesem Zeitpunkt gezogen werden? Ein Meisterwerk, ein gelungener Beitrag und einige Bauchlandungen. Dies ist natürlich eine etwas magere Ausbeute für eine so großspurig betitelte Filmreihe. Ohne jetzt ein Urteil über den weiteren Verlauf der Serie abzugeben, wage ich zu diesem Zeitpunkt die Prognose, dass der Zug vorläufig wohl abgefahren ist, hege jedoch die Hoffnung, dass sich vielleicht doch noch der eine oder andere Höhepunkt von hinten anschleicht und mich heimtückisch überrumpelt. Ich lasse mich auf jeden Fall gerne überraschen! Immerhin steht neben Werken von Stuart Gordon, John Landis, John McNaughton oder Larry Cohen mit dem ominösen Imprint auch noch der in den USA nicht ausgestrahlte Film des Japaners Miike Takashi, einem der vielseitigsten und arbeitswütigsten Großmeister des asiatischen Gegenwartsfilms, auf dem Programm. Und wenn sich Mick Garris und die übrigen Masters of Horror während der momentan laufenden Vorbereitungen für die zweite Staffel stärker auf jene Sprengkraft besinnen, die im Horrorgenre steckt, wenn es sich nicht nur in eitlen Nabelbetrachtungen und inzestuösen Querverweisen ergeht, sondern sich tatsächlich – codiert oder ohne Umwege gerade heraus – zum Weltgeschehen äußert, kann der Zukunft der Serie/des Genres optimistisch entgegengeblickt werden.

Jürgen Schacherl, Sydney 5 Juni 2006

Bewertungen:
Homecoming – 90%
Jenifer – 25%
Cigarette Burns – 75%
Dance of the Dead – 10%
Incidents on and off a Mountain Road – 40%




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