Moviebase H6 - Tagebuch eines Serienkillers
Im Jahr 2006 beim deutschen Fantasy Filmfest gelaufen, bringt Sunfilm das spanische Pendant zu „Hostel“ oder „Saw“ endlich auch in die heimischen Wohnzimmer. Das Debüt des jungen katalanischen Malers Martin Garrido Barón, der zum Zeitpunkt der Dreharbeiten erst 21 Jahre alt war, sorgte weltweit bei unterschiedlichen Festivals bereits für Diskussionen. Wie hart oder abstoßend „H6 – Tagebuch eines Serienkillers“ wirklich ist, könnt Ihr in der folgenden Besprechung selbst nachlesen. Ich möchte außerdem darauf hinweisen, dass die DVD in der Kauf-Version in Deutschland nur in geschnittener Form erhältlich sein wird. Die unzensierte Fassung ist allein im Verleih zu finden.
25 Jahre nach dem Mord an seiner Freundin wird Antonio Frau aus dem Gefängnis entlassen. In der Haft ist ein teuflischer Plan in ihm herangereift: Die Welt von ihrem Abschaum zu befreien und zum größten Serienkiller aller Zeiten zu werden. Als er unverhofft ein heruntergekom-menes Hotel erbt, sieht der Psychopath seine zeit gekommen. Im Zimmer Nr. 6 des Hotel 'reinigt' er seine Opfer, während er nach außen ein scheinbar normales Leben neben seiner neuen Ehefrau führt. Eines Tages begeht er einen Fehler und wird von der Polizei verhaftet. Damit kommt er seinem Plan, reich und vor allem berühmt zu werden, ein ganzes Stück näher…
Fernando Acaso gibt sich als Antonia Frau der gleichen Selbstüberschätzung hin, der bereits Killer Jigsaw in der bekannten Filmreihe „Saw“ erlag. Die gleiche Anmaßung, über fremde Menschen urteilen zu können, mit falschen und undurchsichtigen Hintergründen, die sein Handeln weder erklären noch verständlicher erscheinen lassen. Für den Zuschauer bietet sich daher nur eine unverständliche Zurschaustellung weiblicher Darsteller, die vor Schmerz und Angst auf dem Tisch wälzend, dem Unausweichlichen entgehen möchten. Durch die sterile Ausstrahlung der verwendeten Location, einer alten Pension, die in früheren Tagen vornehmlich von Prostituierten besucht wurde, gepaart mit klassischen Musikstücken, die der Untermalung dienen, will beim Betrachter kein Gefühl der Nähe aufkommen.
Durch den Verlauf führende Erzähler erklären Antonios Doppelleben in Ansätzen. Während seine zum Schein geheiratete Frau, deren Zweckgemeinschaft beide Seiten erfreut, im entfernten Krankenhaus Nachtschichten schiebt, geht Antonio seiner Mission nach. Nächtlich holt er sich geschwächte Damen von der Straße, die auf den nächsten Freier aus sind. Zunächst scheint in dem Mann auch ein wahrer Samariter gefunden, wenn Speis und Trank die leeren Mägen der holden Weiblichkeit füllen, doch der Schein trügt. Das perfide Spiel endet wie immer im Zimmer Nr. 6 des heruntergekommenen Etablissements, wo dann bereits die teuflische Seite zum Vorschein kommt. Erst fest auf dem Tisch gebunden, geht Antonio seinem bekannten Spiel aus Vergewaltigung und Bekehrung nach.
Den Leitfaden „Härter als Hostel“ vom DVD-Cover im Hinterkopf, macht man sich auf eine blutige Schlacht gefasst, die ausbleibt. Andeutungsgeschwängert spritzt Blut durch das gesamte Zimmer, wenn Darsteller Fernando Acaso die günstig erworbene Kettensäge im Akkord schwingt. Doch die fehlende Abartigkeit in grafischer Hinsicht möchte ich „H6 – Tagebuch eines Serienkillers“ in keinster Weise als negativen Punkt unterstellen. Viel störender wirkt die fehlende Emotionalität beim Füllen des zur Bibel erhobenen Tagebuchs. Als Charakterstudie eignen sich die vorhersehbaren Handlungen des Hauptdarstellers nicht, weil ein Hintergrund als Präsenz und als grundlegendes Stilmittel völlig ausbleibt. Allein die Tatsache, reich und berühmt zu werden, rechtfertigen die Taten auf Grundlage eines berühmten Vorbildes nicht. Ernüchternd betrachtet der Zuschauer die profanen Gedankengänge des Täters.
„Sie werden über mich schreiben. Sie werden über meine Taten nachdenken“, erzählt Antonio voller Vorfreude in einem Dialog. Schreiben werden wir mit Sicherheit über „H6 – Diaro de un asesino“, doch zu hoch sollten die Erwartungen nicht gesteckt sein. Taten, die weniger mit Hintergründigkeit als mit grafischer Darstellung von sich Reden machen, gab es in den letzten Jahren ausreichend. Im Ganzen betrachtet wirkt dieser Film wie eine abendliche Fernsehreportage über einen blutigen Mord an mehreren Frauen. Es ist schockierend, doch begreifen und tiefer in die eigene Persönlichkeit eindringen lassen will man das Gesehene nicht. Wenn Regisseur und zugleich Newcomer Martin Garrido Barón anderweitige Reaktionen als völliges Unverständnis erwartet hat, ist die Diagnose klar: er hat versagt. Schlecht ist dieser Film aus Spanien nicht, verfehlt die gesteckten Ziele aber um Längen. Einen bleibenden Eindruck, außer den, soeben das kühle Profil eines Killers verinnerlicht zu haben, hinterlässt „H6“ nicht.
>> verfasst von Torsten Schrader