Moviebase Albino Farm
Ein düsteres Geheimnis umgibt die kleine Stadt in den Ozark Mountains, irgendwo im tiefsten Süden der USA gelegen. Genau hier wurden vor langer Zeit grausame Versuche an Menschen mit körperlichen Missbildungen durchgeführt. Vier durchreisende Freunde, die für ein Schulprojekt unterwegs sind, werden neugierig, als sie von der alten Legende erfahren. Kurzerhand beschließen sie, dem Geheimnis auf den Grund zu gehen... Wem dieses Szenario irgendwie bekannt vorkommt, den erwarten bei Joe Andersons Debütfilm ″Albino Farm″ noch einige weitere Aha-Erlebnisse. Frei nach dem Motto: ″Besser gut geklaut als schlecht selbst ausgedacht″ verwurstet dieser Mystery-Backwood-Slasher munter gängige Motive aller Epochen des Grusel-Genres. Doch genügt dieser Flickenteppich von Zitaten um einen anderthalbstündigen Film zu füllen?
Zunächst fällt die für ein Low-Budget-Projekt äußerst liebevolle Gestaltung auf. Besonders die bigotte, düstere Stimmung der mysteriösen Kleinstadt in den Südstaaten wird gelungen transportiert. Auch bei den Nebendarstellern in den Rollen der gottesfürchtigen, grobschlächtigen Rednecks hat man größtenteils eine gute Wahl getroffen, von einigen etwas hölzern agierenden Mimen einmal abgesehen. Umso ärgerlicher erscheint es da, dass ausgerechnet die vier Hauptdarsteller direkt vom örtlichen Schülertheater gecastet scheinen. Auch wenn man den jungen Schauspielern den Spaß durchaus anmerkt, den ihnen die Arbeit an ″Albino Farm″ bereitet hat, vermag dies nicht über ihr manchmal geradezu peinliches Overacting hinwegzutäuschen. Sei es nun das minutenlange Gekreische der Mädchen oder das draufgängerische Gehabe der Jungen: alles wirkt entweder völlig übertrieben oder wie ein stumpfes Klischee.
Letzteres mag allerdings auch am Drehbuch liegen. Die sogenannte ″Handlung″, die diesem Werk zugrunde liegt, lässt sich wie oben bewiesen in einigen Sätzen zusammenfassen. Sicherlich muss ein guter Horrorfilm keine Geschichte von der Komplexität eines David Lynch aufweisen, diese sollte jedoch zumindest mit der nötigen Ernsthaftigkeit aufwarten. Dieses Gefühl keimt bei ″Albino Farm″ allerdings zu keiner Sekunde auf. Hier ist alles, aber auch wirklich alles vorhersehbar, sogar bis zur finalen Wendung. Wer in seinem Leben mehr als einen Horrorfilm gesehen hat, dürfte von dem genannten Strickmuster bereits nach etwa zehn Minuten gelangweilt sein, denn dieses hangelt sich von Anfang bis Ende nur an ausgelutschten Stereotypen entlang. Beispiele gefällig? Allein die vier Protagonisten könnten nicht klischeehafter charakterisiert sein. Da haben wir das vernünftige Streber-Mädchen, das stets alle zur Besonnenheit mahnt, die leicht schlampige Draufgängerin, den vorsichtigen, cleveren Jungen und schließlich den obligatorischen, nervigen Macho-Typ, der ständig ″Paaarty!″ brüllt, eine Bierflasche in der Hand hält und natürlich jedem merkwürdigen Geräusch, jeder bedrohlichen Warnung trotzt.
Zuschauer, die sich schon bei vergleichbaren Filmen über das unrealistische Verhalten der Charaktere aufregen, sollten um ″Albino Farm″ ohnehin einen großen Bogen machen. Scheinbar gedankenlos stolpern die Twens trotz angsteinflößender Vorzeichen ihrem Verderben entgegen und empfinden dies fast bis zum bitteren Ende als cooles Abenteuer. Währenddessen bietet sich indes eine anderweitige Beschäftigung: Filmzitate zählen und bestimmen. Mag man auch nicht von jedem Film verlangen können, dass er das Genre neu erfindet: ″Albino Farm″ klaut noch dreister als manch formelhafter Vertreter der letzten Zeit. So kann man etwa die letzte halbe Stunde als ″Laienspiel-Theatergruppe dreht 'The Descent'″ beschreiben, die Szenen in der verlassenen Stadt hingegen erinnern an das unheimliche Dorf aus ″House Of Wax″. Beim ″Look″ der Mutanten hat man sich an Alexandre Ajas Remake ″The Hills Have Eyes″ orientiert - und scheitert auch hier kläglich. Da hat selbst Peter Jackson zu ″Bad Taste″-Zeiten bessere Masken in seinem eigenen Ofen gebacken.
″Albino Farm″ ist eine restlose Enttäuschung. Wer bei all der uninspirierten Langeweile zumindest noch auf ein deftiges Gemetzel zielt, hofft vergebens. Das blutrünstige DVD-Cover verspricht hier deutlich mehr Gore, als filmisch tatsächlich gegeben ist. Hätte man ein wenig mehr Zeit, Mühe und Enthusiasmus in die plumpe Handlung investiert, hätte dieses Erstlingswerk allen Widrigkeiten zum Trotz noch unterhalten können. So jedoch versinkt es sang- und klanglos im Einheitsbrei des (Unter-)Durchschnitts. Da kann selbst die unfreiwillige Komik des Wrestling-Stars Duane Whitaker als dümmlicher Eingeborener nicht mehr helfen.
>> verfasst von Tim Lindemann