Moviebase Broken - Keiner kann dich retten
Das volle Programm. Wer schon immer mal wissen wollte, wie man eine frisch eingenähte Rasierklinge bei vollem Bewusstsein aus seinem Bauch entfernt, der hat hier den richtigen Film vor sich. Liebevoll hält die Kamera drauf, wie zunächst die Nähte geöffnet werden, dann wird die Wunde geweitet, so, das Gekröse erstmal beiseite geschoben, hupps, da hängt die Darmschlinge raus, weiterpuhlen, und....aaah, da ist sie ja. Ohnmacht.
„Willst du weitermachen?“
Der unheimliche Fremde im Trapperlook (Eric Colvin) hat diese Frage offenbar schon des Öfteren gestellt, aber Hope (Nadja Brand) ist wahrscheinlich die Erste, die nach dieser Tortur nicht aufgibt, denn der Wille, ihre Tochter lebend wieder zu sehen, lässt sie weit über das Normalmass hinauswachsen.
Und wieder ein Vertreter der momentanen Quäl- und Folterwelle im Kino und auf DVD. Egal, wie gut die Filme gemacht sein mögen, ein schaler Geschmack im Mund bleibt zurück. Schon Anfang der Achtziger wurde die Messlatte mit William Lustigs MANIAC (beschlagnahmt) und Lucio Fulcis NEW YORK RIPPER (ebenfalls eingezogen) in Sachen „Gewaltpornographie“ ganz schön hoch gelegt, aber was da in den letzten Jahren dank lockerer Freigabegesetze auf den DVD Markt spült, ist gelinde gesagt ...bemerkenswert. Zombies, Monster, Geister und Mutanten sind einfach harmlos (und vor allem irreal) im Vergleich zu den realistischen Grausamkeiten, die irgendwelche Film-Psychopathen ihren Opfern angedeihen lassen. Was früher beschlagnahmt wurde, ist heute für fast jeden zugänglich - was nicht unbedingt immer etwas Gutes ist.
Andererseits sollen volljährige Kinoliebhaber nicht bevormundet werden, jeder über 18 hat das Recht, zu sehen, was er möchte. Aber das ausgerechnet Filme mit Folterthematik momentan eine gewaltige Menge Geld in die Kinokassen spülen (SAW 1-3; HOSTEL 1 und 2; die in Amerika auf DVD recht erfolgreiche AUGUST UNDERGROUND Serie) und damit sogar noch dick Werbung machen (das subtile Bohrerplakat von HOSTEL; das Extrem-Lippenpiercing von SAW 3; oder aber das Cover dieses Films), halte ich schlicht und einfach für gefährlich. Zudem die Plakate und Cover zum Beispiel bei Saturn oder Mediamarkt für jeden zugänglich sind, auch den jüngeren Kinofans. Ich mag meinen Horror durchaus mit einem gesunden Schuss Ketchup versetzt, aber wenn es um unnötig herausgezögerte, liebevoll mit der Kamera eingefangene Quälereien geht, setzt bei mir die Schere im Kopf ein. Weniger ist nun einmal auch im Horror-Genre mehr, und ausgerechnet Folter stellt definitiv keine Bereicherung der Menükarte dar. Vor allem, wenn sie von cleveren Marketingexperten eiskalt vermarktet wird. Aber genug ausgekotzt: kommen wir zum nun zum Film. Am Ende ist alles Geschmackssache.
BROKEN fällt da so ein bisschen zwischen die Stühle. Angeblich auf einer wahren Geschichte basierend, merkt man dem Film an, dass die Macher um Charakterzeichnung bemüht waren. Die Gewaltszenen sind auch hier spekulativ und unnötig ausgewalzt (oben erwähnte Rasierklingenszene, offener Beinbruch, Zunge rausschneiden, brutale Prügeleien), aber sie verteilen sich über die gesamte Lauflänge eines in sich doch recht homogenen Filmes. Hope ist eine völlig normale junge Frau, die, ähnlich wie Dustin Hoffman in WER GEWALT SÄT oder der Schwiegersohn aus HÜGEL DER BLUTIGEN AUGEN, in einer extremen Situationen dazu gezwungen ist, das Tier in sich zu entdecken, um zu überleben. Nadja Brand gelingt eine recht glaubwürdige Blut- und Tränendarstellung, und auch „der Mann“ überzeugt gerade durch seine subtile Darbietung. Eric Colvin spielt diesen berechnenden, sadistischen Charakter nicht als augenrollenden, zähnefletschenden Irren, sondern als leise sprechenden, in Einklang mit der Natur lebenden und fast schon zurückhaltenden Menschen, dessen plötzliche Bestrafungen dann umso schockierender ausfallen.
Nach der harten Rasierklingensequenz zu Beginn konzentriert sich BROKEN auf die sich langsam entwickelnde Beziehung zwischen Täter und Opfer und kann den Psychospielen des „Mannes“ einige interessante Momente entlocken (er lässt bewusst ein Jagdmesser in einem Baumstumpf in ihrer Nähe stecken, oder er nötigt sie, den „Garten“ zu versorgen). Die Ironie des Ganzen ist, dass er ihr auf perfide Art und Weise die Wertschätzung ihrer eigenen Existenz zurückgibt, die Freude an den kleinen Dingen, an der Natur, an jedem neuen Tag. Ein weiterer Fluchtversuch wird allerdings mit dem brutalen Brechen ihres Beines geahndet, welches sich als neue Prüfung herausstellt, die sie ebenfalls besteht, indem sie ihr neu erlerntes Kräuterwissen (!) anwendet. Erst mit eintreffen eines neuen, nervenden, völlig hysterischen, tagelang nicht mehr zu schreien aufhörenden Opfers (einer der wenigen ironischen Momente des Films) dreht sich die Gewaltspirale wieder in delirierende Höhen - bis zum wirklich fiesen Ende...
Kostengünstig auf Digital Video im britischen Tann gedreht, kommt BROKEN qualitativ recht hochwertig daher: Die Kameraarbeit passt sich der jeweiligen Situation an, fast dogmatisch bei der intimen Date-Szene zu Beginn, stimmungsvoll und stilisiert während der düsteren Sequenzen im Wald zeugt der Film von solider Handarbeit, was auch für die fies-realistischen Make Up Effekte gilt. Ein düsterer, zurückhaltender Elektrosoundtrack tut sein übriges, um die still unheimlichen Momente dieses Films effektiv zu gestalten. BROKEN hält über die gesamte Laufzeit die Spannung aufrecht, und die Taten des Psychopathen bleiben immer unberechenbar. Tja, und das Ende, wie bereits erwähnt, kommt als wirklich unangenehmer Knalleffekt daher.
Was soll man sagen? Kein Film, den man sich oft anschauen wird, aber eine wirklich überdurchschnittliche Videopackung. Definitiv eine Leihgebühr wert.
>> verfasst von Marc Ewert