Moviebase Waisenhaus, Das
Spanien steht für die etwas anderen Horrorfilme, die ruhigeren Genrevertreter. Neben dem im Mai startenden „REC“ verdanken wir den südländischen Filmemachern zusätzlich auch „Fragile“ oder „Darkness“. Der Mann, der uns im letzten Jahr den ebenso phantastischen wie schockierenden Film „Pans Labyrinth“ überreichte, präsentiert nun in seinem Namen ein neues Werk aus spanischen Landen. Auf dem Regiestuhl nahm unter den Fittichen Del Toros diesmal Juan Antonio Bayona Platz, der bisher überwiegend Musikvideos inszenierte und mit EL ORFANATO sein Spielfilmdebüt abliefert. Dieses wirkt als Gesamtkonstrukt aber leider nicht so ausgereift wie der Streifen von Guillermo del Toro.
Laura (Belén Rueda) verlebte einen Teil ihrer Kindheit in einem Waisenhaus und möchte es nun zusammen mit ihrem Mann Carlos (Fernando Cayo) wiedereröffnen. Gut gestimmt macht sie sich ans Werk, einzig ihr kleiner, aidskranker Sohn Simón (Roger Príncep) bereitet ihr Probleme. Häufig berichtet er seinen Eltern von seinen unsichtbaren Freunden, insbesondere ein gewisser Tomas besucht ihn häufig, so berichtet er zumindest. Argwöhnisch versucht Laura das Rätsel zu lösen, doch zunächst scheint es sich bei Simón lediglich um ein Kind mit viel Fantasie zu handeln. Imaginäre Spielkameraden sind bekanntlich keine Seltenheit. Als jedoch die merkwürdige alte Frau Benigna (Montserrat Carulla) auftaucht und sich nachts auf dem Gelände des Waisenhauses herumtreibt, wird die Angelegenheit immer verzwickter. Auf der Einweihungsparty des neu eingerichteten Waisenhauses kommt es zu einer Attacke durch Tomas, einem entstellten Jungen, der tatsächlich existierte und sein Leben lang gehänselt wurde und sein Antlitz hinter einer Maske verbarg, bis er nach einem Streich anderer Kinder in einer Höhle für immer verschwand. Das gleiche Schicksal droht auch Simón, der sich zum Meer aufmachte und nun vermisst wird.
Mit einer kurzen Rückblende ins Waisenhaus der alten Tagen beginnt ein ruhiges, stilistisch überwiegend sicheres Debüt von Bayona. Nach der Titeleinblendung befinden wir uns in der Gegenwart. Eine kleine Familie lebt im ehemaligen Waisenhaus und plant nun, eben dieses wieder in Gang zu setzen und verwaiste Kinder aufzunehmen. Allen voran Laura, die sich fürsorglich um alles kümmert, da sie mit ihrem Mann Carlos selbst einen kleinen Jungen namens Simón hat, den sie über alles liebt. Nur eines stört sie an ihm: Dass er immer noch mit imaginären Freunden spielt, die ihn angeblich sogar zu Hause besuchen kommen. Nach einem Ausflug zum stillgelegten Leuchtturm nehmen die Ängste der Mutter zu. Auf der Einweihungsparty kommt es dann zum Eklat. Bayona demonstriert dabei sein Händchen für eine ruhige und schnörkellose Regie. Die beklemmende Atmosphäre gelingt ihm sehr gut, die wirkungsvollen Bilder wurden vom Kameramann gut festgehalten. Was allerdings fehlt ist der besondere Kick, eine Spannungsschraube, die sich zwar zunehmend zuzieht, dennoch nicht ihre volle Kraft entfaltet. Dafür sind die Sequenzen teilweise einfach zu langatmig.
Was Bayona wiederum gelingt sind die geschickt eingesetzten Schockmomente, welche eine Altersfreigabe ab 12 Jahren durchaus in Frage stellen. War es bei Abrams „Cloverfield“ die Panik, das verheerende Ausmaß einer Katastrophe, das einem 12-Jährigen doch sehr auf die Psyche schlagen dürfte, sind es hier die überraschenden Schocker, die den Gegenpol zu den ansonsten gemächlichen Bildern bilden. Zwar kommen im gesamten Film vielleicht gerade mal vier dieser Momente vor, aber die haben es in sich. War man vorher völlig in der Atmosphäre eingelullt, wird man mit einem mal aus diesem, fast schon Wohlbefinden, hinaus gerissen und der Puls steigt sofort. Da verstehe einer die FSK, die schon so manch harmlose Komödie mit einem FSK 12-Siegel versehen hat.
Etwas auf die Stimmung schlägt in DAS WAISENHAUS zudem die Geschichte, die nichts Neues erzählt. Simóns unsichtbare Freunde sorgen für den eigentlichen Grusel, eine Geräusche hörende Mutter spiegelt die Hilflosigkeit und die Verzweiflung wieder. Zwischendurch könnten einen gar Assoziationen zum US-Grusler „Hide And Seek“ (Robert DeNiro, Dakota Fanning) in den Sinn kommen. Etwas an Glaubwürdigkeit verliert Bayonas Film, wenn ein Medium im Haus via Hightech-Geräte Ausschau nach möglichen Kindergeistern hält. A la „White Noise“ werden hierbei Stimmen aus dem Jenseits aufgezeichnet, mit versteckten Infrarotkameras wird jeder Winkel akribisch festgehalten. Dies erzeugt Spannung, passt aber nicht ganz in die bis dahin von Juan Antonio Bayona gefahrene Schiene.
So schleicht sich DAS WAISENHAUS durch etwas zu lang geratene 105 Filmminuten, mit einer tollen Atmosphäre und deftigen Schockmomenten, aber leider zu wenig Spannung und einer eher müden Geschichte. Auch das Finale wirkt zwar logisch, aber wenig überraschend. Wer die etwas seichtere Gangart aus Spanien mag und sich trotzdem erschrecken lassen möchte, ganz sich DAS WAISENHAUS durchaus ansehen.
>> verfasst von Janosch Leuffen