Moviebase Loved Ones - Pretty in Blood, The
Australier haben einen besonderen, nur bedingt Mainstream-kompatiblen Humor. Wer je noch einen Beweis für diese These gesucht hat, der dürfte hier fündig werden. „The Loved Ones“ verquickt Horror mit sehr schwarzen Pointen und einer Überdosis „Pretty in Pink“-Feeling. Das Übel beginnt dort, wo nicht wenige über Jahre einen ganz realen Albtraum durchleben: In der High-School. Die zurückhaltende Lola (Robin McLeavy) ist nicht unbedingt eine der Mädchen, die in der Gunst der Jungs sehr weit oben stehen. Auch Brent (Xavier Samuel), ihr Auserwählter für den High-School-Abschlussball, lässt sie eiskalt abblitzen. Er will lieber mit seiner Freundin Holly (Victoria Thane) zu der Feier gehen, an die sich jeder noch in Jahren erinnern wird.
Doch soweit kommt es nicht. Denn Lola ist schneller und schnappt Holly ihren schnuckeligen Brent vor der Nase weg. Tatkräftig unterstützt wird sie dabei von ihrem Dad (John Brumpton), der für seinen kleinen Liebling wortwörtlich über Leichen geht. Als Brent nach einem kurzzeitigen Knockout wieder zu sich kommt, findet er sich gefesselt in einer mehr als ungewöhnlichen Partyrunde wieder. Lola, aufgehübscht in einem Traum aus Pink, ihr nicht minder seltsamer Dad und ihre offenbar geistig abwesende Mutter sitzen mit dem verdutzten Gast am liebevoll dekorierten Partytisch – Papiertröten inklusive.
Das ist die Ausgangslage, aus der „The Loved Ones“ sein böses, schwarzhumoriges Waffenarsenal abfeuert. Filmemacher Sean Byrne überzeichnet die Szene mit sichtlichem Genuss bis ins Groteske. Erst werden die Pappkrönchen rausgeholt, dann regnet es Konfetti und schließlich kommen Hammer, Nägel und Bohrmaschine zu ihrem verdienten Einsatz. In diesem absurden Passionsspiel im australischen Outback ergeben Wahnsinn und verschmähte Liebe einen tödlichen, äußerst blutigen Cocktail. Der bemitleidenswerte Brent, der nach dem Unfalltod seines Vaters ein nicht verarbeitetes Trauma mit sich herumträgt, zeigt jedoch echte Nehmerqualitäten. Für das Überleben im Horrorfilm ist das eine nicht unerhebliche Voraussetzung. Ohne den Ausgang der eigentlich tieftraurigen Geschichte zu verraten, lässt sich sagen, dass auf den Jungen – und uns Zuschauer – noch einige Überraschungen warten.
Immer wieder wechselt Byrne hierbei den Schauplatz. Um Brents besten Kumpel und dessen scheinbar gelangweilte Abendbegleitung etabliert er eine vornehmlich an pubertäre High-School-Komödien angelehnte Parallelhandlung, die zunächst wie überflüssiges Füllmaterial erscheint. Später wird die Verbindung zu Brents misslicher Lage jedoch zunehmend deutlich, was auch auf der Farm die blutige Dynamik der Ereignisse nochmals erhöht. Byrnes quietschbunte „Misery“-Variante spart zudem nicht an subtil eingestreuter Kritik am bereits unter Jugendlichen weit verbreiteten Schönheitswahn. Nicht zufällig kleidet sich die resolute Lola in ein grelles Barbie-Outfit, das den Irrsinn uniformer Schönheitsideale in einem einzigen Bild sichtbar macht.
Das Interessante an dieser kleinen, fiesen Genreproduktion ist nicht zuletzt, wie Byrne die Gefühlslage seiner Protagonisten mittels Musik einfängt und hörbar macht. Gerade während der ersten halben Stunde kommuniziert „The Loved Ones“ größtenteils über die Auswahl seiner Songs. So unterschiedlich Brent und Lola sind, so unterschiedlich ist auch ihr jeweiliges Thema. Brents Seelenqualen zeichnen sich neben den selbstzugefügten Narben an seinem Arm auch in der aggressiven Heavy Metal-Musik ab, die er auf seinem Mp3-Player hört. Lola wiederum träumt sich in eine typische 80er-Jahre-Pop-Nummer hinein, deren Harmlosigkeit in einem ironischen, da größtmöglichen Gegensatz zu ihren wahren und alles andere als harmlosen Absichten steht.
Lola-Darstellerin Robin McLeavy gelingt das Kunststück, eine rücksichtslos mordende Psychopathin mit Ödipus-Komplex nicht zu einem bloßen Hassobjekt werden zu lassen. Natürlich fiebert man mit Brent mit, was allerdings nicht bedeutet, dass die Gegenseite automatisch zu einem profillosen Monster mutiert. In der schaurig-schrägen Lametta-Stimmung scheint vielmehr immer wieder auch eine tief empfundene Einsamkeit durch. Man ahnt, welche Zurückweisung und Demütigung Lola während ihrer High-School-Zeit erfahren haben muss. McLeavy ist sogar noch als blutverschmierte Prom-Queen auf eine gewisse, wenn auch verquere Art niedlich. Ihre Lola bringt uns schließlich auf eine besonders plastische Weise den Text des Nazareth-Klassiker „Love Hurts“ zurück ins Gedächtnis. „Take a lot of pain“ heißt es da in einer Zeile. Brent wird dem nicht widersprechen wollen.
>> verfasst von Marcus Wessel