Moviebase Cry_Wolf
In Tagen, in denen Teenie-Slasher zum alten Eisen des Horrorgenres gehören, geht Jeff Wadlow mit seinem kleinen Thriller „Cry_Wolf“ an den Start. Die Geschichte um ein paar Jugendliche an einem College, die anscheinend zu viel Zeit zu haben scheinen, würde völlig in der Masse der „Scream“ Ableger untergehen, wäre da nicht eine Besonderheit. Die Produktion entstand keinesfalls auf normalen Wegen. Das Geld kam dabei nicht etwa durch eine Produktionsfirma zustande, und selbst ein großer Publisher wie Universal Pictures steht nicht hinter dem Projekt. Wadlow finanzierte „Cry_Wolf“ allein durch seine Idee, durch die Teilnahme an einem Filmwettbewerb, bei dem die beste Idee einen auf eine Millionen Dollar dotierten Scheck einsacken konnte. Die Dreharbeiten konnten also beginnen.
Alten Tugenden folgend, treibt natürlich auch in „Cry_Wolf“ ein mysteriöser Killer sein Unwesen. Mit diesem ungemütlichen Kerlchen, dem man weiß Gott nicht im Dunkeln begegnen möchte, beginnt der Streifen auch gleich. Mit Blättergeraschel, schnellen Schritten im Dickicht des Waldes, bestrahlt vom klaren Leuchten des Vollmondes, vollbringt „Der Wolf“ seine erste Tat. Natürlich liegt es nun am Zuschauer, dem Geschehen über die gesamte Spiellänge des Filmes zu folgen und das verwirrende Gestrüpp aus Lügen, Intrigen und dem ein oder anderen Techtelmechtel zu folgen, um den Wolf im Schafspelz letzlich zu enttarnen.
Wadlow kann sich glücklicherweise nicht vorwerfen lassen, Ideen nur zu kopieren und diese ungenutzt verkümmern zu lassen. Um diese auf dem Reißbrett eher simpel anmutende Story aufzuwerten, nahm der Amerikaner einige fähige Jungdarsteller zur Hand, die natürlich ebenfalls erst wenig Erfahrung im Filmbusiness sammeln konnten, und steckte diese in Rollen, die man zu Beginn nicht recht zu durchschauen weiß. Angeführt von Lindy Booth, dem Alphatier unter den Collegeschönheiten. Wenn man zu oft mit den immer gleichen Freunden unterwegs ist, kann dies mit der Zeit ganz schön langweilig werden. Was bietet sich an, um den langweiligen Alltag interessanter zu gestalten? Man gründet einen Club! Den Club der Lügner. Das Spiel tönt im kleinen Umfeld recht nett, kann jedoch böse ausarten, sollte am Ende die versammelte Schülerschaft involviert sein.
Selbst alteingesessene Filmgeeks werden auf die Frage, ob man bereits einen Film mit dem Namen „The Tower of Babble“, „Manuel Labor“ oder „Catching Kringle“ gesehen hat, mit einem leichten Kopfschütteln antworten. Wadlow konnte in den letzten Jahren wirklich nicht für Aufruhr sorgen und lieferte mit „Cry_Wolf“ seinen ersten Achtungserfolg ab. Erfolg deshalb, weil bei einem sehr kleinen Budget an den US-Kinokassen immerhin über 10 Millionen Dollar eingefahren werden konnten. Bei weiteren Lizenzverkäufen und Free TV Premieren ergibt dies einen unübersehbaren Gewinn. Trotz kaum vorhandener Arbeiten sieht man bereits zu Beginn, dass er sein Handwerk versteht. Schnelle Schnitte und passende Locations verleihen „Cry_Wolf“ die richtige Atmosphäre, die das Geschehen benötigt, um durch pure Anwesenheit zu faszinieren. Als Neudefinition des Subgenres kann dieser Film zwar bei weitem nicht bezeichnet werden, „Cry_Wolf“ macht im Grunde aber auch nichts verkehrt.
Bewusst werden bekannte Versatzstücke zum Vorschein gebracht, die Filmfans mit einem Hang zum Mainstreamkino schon lange nicht mehr gesehen haben. „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht“, ist in diesem Fall durchaus wörtlich zu verstehen, denn auf dieser Grundlage stützt der gesamte Film. Vertieft auf diesen Grundsatz, spinnt sich die Handlung um die Schüler. Man könnte treffenderweise auch behaupten, dass die Schüler die Geschichte spinnen und somit ihren eigenen Schulmythos erzeugen und eine regelrechte Hysterie auf dem College ausüben, die im realen Leben zwar etwas unwirklich und unpassend erscheint, im Filmgeschehen aber durchaus fruchten kann. Den größten Schwachpunkt bietet speziell diese Handhabe, da dem Zuschauer bereits viel zu früh des Rätsels Lösung ins Auge springt und damit ein Großteil an Atmosphäre flöten geht.
Auch wenn darstellerisch keine Höhenflüge erbracht werden, reihen sich Jungdarsteller wie Jared Padalecki, Julian Morris und Sandra McCoy im gesunden Mittelfeld ein. Lindy Booth verkörpert die lebende Venusfliegenfalle unter den Schülerinnen, die kleine Geheimnisse hat und ihrer liebsten Beschäftigung nachgeht: Dem Anwerben neuer Spieler, um diese ordentlich in den Hinterhalt zu führen. Ein Lob gebührt vor allem ihr, da dieses aufgesetzte Pokerface sein wahres Gesicht bis zum Finale bravourös verstecken kann. Leider bleiben alle weiteren Charaktere bis auf Owen (Julian Mooris) und Dodger (Lindy Booth) recht blass.
Für das Ohr bietet „Cry_Wolf“ nette Momente, die im Verlauf verstreut liegen und gerade bei spannenderen Szenen vermehrt auftauchen und die Atmosphäre unterstreichen. Natürlich muss gesagt werden, dass dieser Film keinen zweiten „Scream“ darstellen kann, es aber auch nicht will. Wenn man sich jedoch allein die Tatsache vor Augen führt, dass dieser Streifen mit einem knappen Budget von einer Millionen Dollar entstand und sich dennoch nicht vor Konkurrenten im zweistelligen Millionenbereich verstecken muss, kann Jeff Wadlow nur ein Lob ausgesprochen werden. Die Geschichte mag nicht vor Innovationen sprühen, mit Lindy Booth keine zweite Scarlett Johansson in der Hauptrolle besitzen und auch technisch nicht der beste Vertreter seiner Zunft sein, doch „Cry_Wolf“ hat etwas inne, das vielen Filmen in der heutigen Zeit abhanden kommt: Charme! Der Regisseur inszenierte dieses Werk aus reiner Freude zum Film, und nicht etwa, weil ein millionenschwerer Scheck auf sein Konto wanderte.