Lass uns durch den Nachtwald gehen, der große Wolf ist nicht zu sehn...
Märchen sind bis zur heutigen Zeit allgegenwärtig. Seit hunderten von Jahren werden sie erzählt, sei es am Kaminfeuer oder vor dem ins Bett gehen - Kinder sind fasziniert von ihnen. Einerseits weil sie über eine durchaus eingängige Moral unterrichten, andererseits weil sie mit ihren fantastischen und düsteren Welten besonders das junge Publikum in den Bann ziehen. Warum also nicht ein berühmtes Märchen als Vorlage für einen schön düsteren Film nehmen? Bei Schneewittchen hat es geklappt, beim Märchen Medley Zeit der Wölfe auch, warum also nicht beim Märchen von Rotkäppchen und dem bösen Wolf? Mit Deep in The Woods landete Lionel Delplanque einen kleinen aber feinen Hit. Der dunklen Dramaturgie und den perfekt umgesetzten Bildern sei Dank: ein Wald, ein Schlösschen und seine seltsamen Bewohner.
Ein fünfköpfiges Schauspielteam wird zu eben diesem Schloss im Wald eingeladen, um dort das Märchen vom Rotkäppchen zum Geburtstag eines kleinen Jungen aufzuführen. Leider ist dieser kleine Junge alles andere als normal. Und auch die einzigen beiden Besucher der Geburtstagsparty, nämlich sein Großvater und dessen Hausverwalter, sind mehr als seltsam.
So kommen Geschichten vom Vergewaltiger, der durch den hiesigen Wald streift zum Vorschein und die Geheimnisse des Schlosses verschrecken die jungen Schauspieler, genauso wie die schrägen Angewohnheiten des Großvaters, der ein Auge auf den gutaussehenden Wilfried, einem Mitglied der Schauspieltruppe, geworfen hat.
Auf den ersten Blick scheinen all diese Subplots unwichtig und nutzlos, und auch das Ende des Filmes scheint einfallslos und hanebüchen. Die Qualitäten dieses Films liegen jedoch eindeutig in seiner wahnsinnig erstaunlichen visuellen Leistung. Delplanque hat sich eindeutig von der Bildkomposition eines Stanley Kubrick beeinflussen lassen. Wer kein Auge für solche Feinheiten hat, wird Deep In The Woods als langweiligen, sinnlosen Horrorstreifen abstempeln. Taucht man jedoch in die atemberaubenden Bilder und die unter die Haut gehende Musik ein, so bekommt man einen kleinen französischen Leckerbissen serviert, der durchaus sehenswert ist.
Natürlich dürfen die französische körperliche und sexuelle Freizügigkeit nicht fehlen, diese wirkt jedoch (ebenfalls typisch französisch) ästhetisch und passt in das Gesamtwerk. Sprich wer auf lesbische Liebesszenen steht, wird bei Deep In The Woods auch seinen Spass haben.
>> geschrieben von Dominic Stetschnig