Spread the love

Moviebase Enemy

Enemy
Enemy

Bewertung: 85%

Userbewertung: 85%
bei 67 Stimmen

Jetzt voten:
Originaltitel: Enemy
Kinostart: 22.05.2014
DVD/Blu-Ray Verkauf: 10.10.2014
DVD/Blu-Ray Verleih: 10.10.2014
Freigabe: FSK 16
Lauflänge: 87 Minuten
Studio: Rhombus Media, Roxbury Pictures, Mecanismo Films
Produktionsjahr: 2013
Regie: Denis Villeneuve
Drehbuch: José Saramago, Javier Gullón
Darsteller: Jake Gyllenhaal, Mélanie Laurent, Sarah Gadon, Isabella Rossellini, Joshua Peace
Ein dreckig-gelber Schleier liegt über der Stadt. Die Straßen sind wie leergefegt, kein Lüftchen regt sich. “Enemy” von Denis Villeneuve spielt im kanadischen Toronto, könnte aber letztlich in jeder Großstadt angesiedelt sein. Die Anonymität, die Distanz, die Beklemmung – wie einst David Fincher in “Sieben” entwirft der Autor und Regisseur einen urbanen Albtraum, in dem nichts mehr sicher erscheint. Im Gegensatz zu Finchers Kultfilm aber warten in Villeneuves Vision keine Serienkiller auf Zuschauer und Protagonisten – die Gefahren sind hier viel abstrakter, darum vielleicht auch noch furchteinflößender.

Nach einem surrealen, sexuell aufgeladenen Intro folgt der Film dem monotonen Alltag des Protagonisten Adam (Jake Gyllenhaal), einem Hochschul-Lehrer im Fach Geschichte. Kontrolle, erklärt er seinen Schülern zu Beginn des Films, sei der Schlüssel jedes autoritären Regimes. Ironischerweise – das macht Villeneuve meisterhaft mit einer repetitiven Montage deutlich – unterwirft Adam auch sein eigenes Leben einem streng kontrollierten Rhythmus, von dem er nie abweicht: Tagsüber hält er die immer Wort für Wort gleichen Vorlesungen, abends schweigen sich er und seine Freundin (Mélanie Laurent) am Essenstisch an, bevor sie miteinander schlafen. Es ist ein Film im Film, der die Routine durchbricht: Als Adam eines Nachts aufbleibt und auf seinem Laptop einen Film schaut, erkennt er sich plötzlich im Hintergrund selbst – einer der Nebendarsteller gleicht ihm wie ein Ei dem anderen.

Das Motiv des Doppelgängers ist seit etwa dem 18. Jahrhundert eine gängige, literarische Figur, wenn seine Wurzeln auch weit zurück in Volks- und Wunderglauben reichen. Der Doppelgänger, dem schon E.T.A. Hofmann und Fjodor Dostojewski unsterbliche Denkmäler setzten, taucht auf, wenn die eigene Identität gefährdet ist, wenn sich das Individuum aufzulösen droht. Denn wie könnten wir uns weiter für ein einzigartiges Wesen halten, wenn uns unser Duplikat begegnete? “Enemy” beruht auf dem Roman “Der Doppelgänger” des Portugiesen José Samarago, vereinfacht den Plot leicht und fügt einige surreale visuelle Motive hinzu – etwa das in verschiedenen Formen auftauchende Bild einer Vogelspinne, das den Film gewissermaßen einklammert.

Adam macht sich schließlich daran, sein Doppel, den Schauspieler Daniel aufzuspüren. Es kommt zu einem Treffen zwischen den beiden, das Villeneuve als grandiosen verstörenden Trip inszeniert. Die Gefahr, dass das Auftreten eines Schauspielers in einer Doppelrolle schnell zu Komik führt, bannt der Regisseur erfolgreich. Die Begegnung der beiden bis aufs Haar identischen Menschen jagt einem dank bedrohlicher Musikuntermalung und verschobenen Perspektiven kalte Schauer über den Rücken. Dafür sorgt nicht zuletzt auch Jake Gyllenhaal, der hier eine der besten Performances seiner Karriere abliefert. “Enemy” entstand zeitgleich mit Villeneuves eher konventionellen Thriller “Prisoners”, in dem Gyllenhaal ebenfalls reüssierte; hier hat sich ganz offenbar ein ausgesprochen gut harmonierendes Duo gefunden.

Auch die Nebenrollen sind großartig besetzt: Als Adams Mutter liefert Isabella Rossellini einen eindrucksvollen Kurzauftritt ab und wirft mit ihrer Präsenz noch eine interessante Verbindung auf. Als Star aus David Lynchs “Blue Velvet” lenkt sie die Aufmerksamkeit darauf, dass Villeneuves Film vielleicht als erster die Lücke zu füllen vermag, die Lynch, ein großer Fan des Doppelgängermotivs, hinterlassen hat. Nicht nur erinnert “Enemy” thematisch vage an “Lost Highway”, die stabile unheilvolle Stimmung, die der Film erzeugt, hat man so zuletzt in Lynchs “Inland Empire” erlebt. Davon abgesehen aber fügt sich der Film mit seinem Verschwimmen von Schein und Sein und dem generellen Misstrauen, das er Bildern entgegenbringt auch perfekt in Villeneuves bisheriges Werk ein. Ganz besonders erinnert er an den nicht oft genug zu empfehlenden “Die Frau, Die Singt”, der, wenn auch in gänzlich anderem Kontext, ebenfalls von Menschen mit dualen Identitäten erzählt.

Das Ende des Films hat für Diskussionen gesorgt: Zum einen weicht es in Teilen vom Roman ab, zum anderen liefert es dem Zuschauer keine Auflösung auf dem Silbertablett. Wenn eine gewisse Interpretation auch näher liegt, steht vor allem das letzte Bild auch für die gewisse Unerklärbarkeit der gezeigten Vorgänge. Der schleichende Verlust der eigenen Identität erscheint uns schließlich einerseits furchtbar abstrakt, andererseits aber erleben wir ihn tagtäglich: Es ist keineswegs ein Zufall, dass Adam sein Ebenbild auf einem Computerbildschirm entdeckt. In unser medial aufgelösten Welt mit all unseren zahlreichen “Profilen” und Avataren – also selbst erzeugten Doppelgängern – wirkt “Enemy” auch wie eine Warnung vor der vollständigen Auflösung.

>> von Tim Lindemann

Bewertung abgeben:




Furiosa: A Mad Max Saga
Kinostart: 23.05.2024Als die Welt untergeht, wird die junge Furiosa vom Grünen Ort der vielen Mütter entführt und fällt in die Hände einer großen Bikerhorde unter der Führung des Warlo... mehr erfahren