Moviebase The Hole in the Ground
Das Motiv des dämonischen Kindes, das schon in Horrorklassikern wie „Das Omen“ für Angst und Schrecken sorgte, erfreut sich nach wie vor größter Beliebtheit. Erst im Februar 2019 kam der Gruselthriller „The Prodigy“ auf die Leinwände, in dem ein hochbegabter Junge vom Geist eines Serienkillers heimgesucht wird und seinen Eltern das Fürchten lehrt. In eine ähnliche Kerbe schlägt auch Lee Cronins erster eigenständiger Spielfilm „The Hole in the Ground“, der den Zuschauer gemeinsam mit einer aufgewühlten Mutter und ihrem Sprössling in die irische Provinz entführt. Trotz einiger Standardzutaten und einer sicher nicht für alle Kinogänger befriedigenden Auflösung entfaltet der Schauerbeitrag eine recht ansehnliche Gänsehautatmosphäre.
Die Erfahrungen mit ihrem offenbar gewalttätigen Ehemann treiben Sarah O’Neill (Seána Kerslake, „Ein Date für Mad Mary“) zusammen mit ihrem achtjährigen Sohn Christopher (James Quinn Markey, „Vikings“) ins Hinterland, wo sie am Rande eines weitläufigen Waldes ein baufälliges Haus bezieht. Während die junge Frau den Neustart mit Zuversicht angeht, tut sich der Kleine mit der Eingewöhnung schwer. Immer mal wieder kommt es zu Spannungen zwischen den beiden. Und eines Tages verschwindet Christopher nach einem Streit spurlos im Dickicht. Bei ihrer Suche stolpert die besorgte Sarah über ein gigantisches, mysteriöses Senkloch im Boden. Obwohl ihr Sohn nur wenig später unversehrt wieder auftaucht, beschleicht sie schon bald das Gefühl, dass Christopher nicht mehr derselbe ist.
„The Hole in the Ground“ spielt mit einer elterlichen Urangst und der grauenvollen Vorstellung, dass etwas Vertrautes urplötzlich seltsam fremd und bösartig erscheint. Ähnlich wie der eingangs erwähnte Horrorstreifen „The Prodigy“ oder das hochgelobte Gruseldrama „Der Babadook“ konzentriert sich Cronins erste abendfüllende Regiearbeit – er steuerte bereits eine Episode zum Anthologie-Werk „Minutes Past Midnight“ bei – vor allem auf das Verhältnis zwischen Mutter und Sohn. Konventionelle Schockeffekte und bestens vertraute Genreklischees – mit Nachbarin Noreen Brady (Kati Outinen, „Sauna – Wash Your Sins“) tritt etwa eine verrückte Einheimische auf – kommen zwar gelegentlich zum Einsatz. Im Mittelpunkt des Films steht allerdings das wachsende Misstrauen Sarahs, die Christopher immer panischer beäugt. Ob das Kind tatsächlich teuflische Absichten verfolgt oder ob die Protagonistin zunehmend ihren Verstand verliert, lässt der Regisseur, der mit Stephen Shields das Drehbuch schrieb, lange Zeit in der Schwebe und kreiert in der ersten Stunde ein durchdringendes Klima der Beunruhigung.
Dass Unheil in der Luft liegt, unterstreichen schon in den Anfangsmomenten die bedrohlichen Klänge aus der Feder von Komponist Stephen McKeon und die trostlos-wuchtigen Landschaftsbilder von Kameramann Tom Comerford, denen jegliche Farbe entzogen scheint. Regelmäßig blicken wir aus einer unheimlichen Vogelperspektive auf den ausgedehnten Wald und den ominösen Krater, der – so glaubt Sarah mehr und mehr – mit den Veränderungen ihres Sohnes zu tun haben muss. Großen Anteil an der bedrückenden Wirkung des Geschehens haben freilich auch die famos aufspielende Seána Kerslake und der wohltuend undurchsichtig agierende James Quinn Markey, dessen Figur der Regisseur glücklicherweise nicht allzu offensiv als Ausgeburt der Hölle inszeniert.
Im letzten Drittel lüftet „The Hole in the Ground“ den Schleier der Ungewissheit ein wenig, wird in seinen Horrorimpressionen etwas direkter, lässt aber dennoch viele Fragen offen – und dürfte damit nicht nur Begeisterungsstürme auslösen. Die fehlenden Erklärungen kann man als Faulheit der Autoren abtun. Gleichzeitig ist es aber auch erfrischend, dass der Schrecken einmal nicht komplett aufgedröselt wird. Sicher ist nach den finalen Einstellungen nur eins: Angst und Verunsicherung sind nicht besiegt, sondern leben weiter!
>> von Christopher Diekhaus