Moviebase Saw IV
Pünktlich zu Halloween startete auch dieses Jahr in den USA ein neuer Saw. Das zurzeit kommerziell erfolgreichste Horror-Franchise schickt sich an, in die Fußstapfen so legendärer Filmreihen wie Freitag, der 13. und Nightmare on Elm Street zu treten. So haben die Dreharbeiten zu Teil Fünf längst begonnen, der – wie sollte es anders sein – zu Halloween 2008 in die Kinos kommen soll. Und dass die Serie damit zu Ende gehen wird, darf sehr bezweifelt werden. Dafür spielt sie einfach zu viel Geld ein.
Nachdem in Saw III das Verhältnis zwischen Jigsaw und seiner Gehilfin Amanda im Vordergrund stand, beginnt der vierte Teil recht unvermittelt mit einem Zeitsprung und der Autopsie des toten Fallenstellers. Ja, Jigsaw/John (Tobin Bell) ist wirklich tot. Das verrieten bereits die ersten Trailer, weshalb es sich bei dieser Information wohl kaum um eine spoilerrelevante Tatsache handeln dürfte. Natürlich finden die beiden Autoren Patrick Melton und Marcus Dunstan einen Weg, Jigsaw wieder zum Leben zu erwecken. Sie spulen nach der blutigen und vor allem dank der Soundeffekte reichlich unangenehmen Obduktion einfach einige Stunden in der Zeit zurück.
Die eigentliche Handlung in Saw IV setzt nach zwei einleitenden Splatter-Tableaus bei den Ermittlungen der beiden FBI-Profiler Strahm (Scott Peterson) und Perez (Athena Karkanis) ein. Sie sind Jigsaw dicht auf den Fersen und unterstützen den alteingesessenen Detective Hoffman (Costas Mandylor) bei der Rekonstruktion des letzten Tatortes. Während sie noch das Rätsel zu lösen versuchen, verschwindet ein Kollege spurlos. Officer Rigg (Lyriq Bent) fällt dem Killer in die Hände, der mit ihm sein teuflisches Spiel fortsetzt. Dem Polizeibeamten bleiben nur 90 Minuten um eine Reihe perfider Aufgaben zu lösen. Besteht er Jigsaws Tests nicht, wird er mit seinem Leben dafür bezahlen müssen.
Von da an folgen die FBI-Agenten und mit ihnen der Zuschauer Jigsaws blutiger Spur. Dabei sieht das Drehbuch eine strikte Aufgabenverteilung vor. Officer Rigg hat das zweifelhafte Vergnügen, die Tests des Killers einen nach dem anderen zu durchlaufen und erneut dessen perfekt-pervers konstruierte Fallen zu „bestaunen“, in denen wieder einmal Prostituierte, Junkies und Sexualstraftäter auf ihre vermeintlich gerechte Strafe warten. Als kleines Puzzleteil in Jigsaws großem Plan muss Rigg gegen seine pathologische Hilfsbereitschaft ankämpfen, indem er denjenigen, die ihrem eigenen oder dem Leben anderer keine Wertschätzung entgegen bringen, seine Hilfe verweigert. Derweil befragen Strahm und Perez Jigsaws Ex-Frau (Betsy Russell), die anscheinend den Schlüssel zum Ursprung seiner Bösartigkeit in Händen hält.
Machen wir uns nichts vor. Seit Saw II funktioniert die Reihe vor allem über ihre visuellen Abartigkeiten. Die Macher um Regisseur Darren Lynn Bousman schraubten mit jedem Teil den Gore-Faktor in neue Höhen. Auch Saw IV markiert keine Ausnahme von dieser Regel. Wieder einmal werden Menschen in den Fallen des Psychopathen auf möglichst originelle Art zu Geschnetzeltem verarbeitet. Augen werden per Handauslöser ausgestochen, Körper als lebende Schaschlikspieße missbraucht und besonders schmerzhafte Methoden des Skalpierens ausprobiert. Zusammen mit Eli Roths Hostel-Serie definiert Saw das, was im Mainstream-Kino unter dem Label des „Torture Porn“ vermarktbar ist.
Warum John/Jigsaw das ganze Schlachtfest überhaupt veranstaltet, wird schließlich in mehreren Rückblenden endgültig und ausführlich geklärt. Ein persönlicher Schicksalsschlag – und damit ist nicht seine Krebserkrankung gemeint – sei an allem Schuld. Für einen Intellektuellen wie ihn mag die Erklärung etwas zu küchenpsychologisch anmuten, letztlich bleibt sie inmitten dieser blutigen Incredible Machine aber ohnehin nur eine Randnotiz. Nachdem seine Botschaft „Cherish Your Life“ bereits im ersten Teil für den finalen Plot-Twist herhalten musste, steht Jigsaws Aufforderung hier nun bereits ganz plakativ in großen Lettern an einem der ersten Tatorte. Die Reise ist somit von Beginn an klar definiert, überraschend ist höchstens noch ihr Ausgang, wobei auch dieser nach dem aus den Vorgängern bekannten „Wer nicht hören will, muss fühlen“-Prinzip funktioniert.
Bousman, der seit Saw II auf dem Regiestuhl sitzt, hält anscheinend nichts von filmischen Innovationen. In Ton und Optik hat sich die Reihe jedenfalls in den letzten vier Jahren keinen Millimeter weiterentwickelt. Die düsteren, an David Finchers Serienkiller-Schocker Sieben angelehnten Sets scheinen noch immer sämtlichen Dreck wie ein Magnet anzuziehen. Dazu hämmert ein metallischer Industrial Metal-Sound mit brachialer Wucht aus den Boxen, der mit dem eingängigen Saw-Thema zur Jigsaws eigener Todes-Symphonie verschmilzt.
Wenn die letzte Falle zuschnappt, hat das Spiel seinen nächsten Spieler längst gefunden. Insofern erreicht die erwartet blutige aber zugleich sehr berechenbare Achterbahnfahrt mit dem Abspann lediglich ein vorläufiges Ende. Insgesamt zeigt sich immer deutlicher, dass der Fluch der Fortsetzungen auch vor den Saw-Filmen nicht halt macht. Das einst geniale Konzept ist nur noch Mittel zum Zweck. Und dieser liegt im Gelddrucken.
>> verfasst von Marcus Wessel