Moviebase Piranha 3D (Remake)
Als Alexandre Aja im Jahre 2003 seinen kleinen, bösartigen und verstörenden Film ″High Tension″ veröffentlichte, wurde vielen bereits klar, dass dieser junge Regisseur das Genre entscheidend prägen würde. Sein individueller Stil, sein Verständnis für das Horror-Genre und die kompromisslose Brutalität seines Erstlings ließen auf Großes hoffen. Mit ″The Hills Have Eyes″ folgte der Sprung nach Hollywood und außerdem eines der wenigen aktuellen Horror-Remakes, das als eigenständiger Film bestens funktionierte. Die Mystery-Mär ″Mirrors″ enttäuschte dann mit einer wenig ambitionierten Umsetzung der Vorlage und verschwand schnell wieder aus dem Gedächtnis (bis auf die unerreicht widerliche Badewannen-Szene). Als erste Gerüchte an die Öffentlichkeit drangen, die behaupteten, dass sich Aja nun der Neuverfilmung des Tierhorror-Knallers ″Piranha″ widmen würde und die ersten Setfotos vor allem viel Gekröse und nackte Frauen zeigten, wunderten sich nicht wenige über den Weg des einstigen Horror-Wunderkindes. Und tatsächlich fragt man sich während Ajas neuestem Werk immer wieder, wie der bierernste, zynische ″High Tension″ aus dem gleichen Hirn entspringen konnte wie diese geschmacklose Splatter-Comedy aus Bier, Blut und Brüsten.
Eine wahre Achterbahnfahrt wollte Aja mit ″Piranha″ erschaffen und das ist ihm mehr als gelungen: Langweilig wird sein neues Werk zu keiner Sekunde, ständig fliegt dem Zuschauer etwas entgegen - allerdings keine edelmütigen blauen Außerirdischen auf prachtvollen Drachen à la James Cameron. Aja nutzt die 3D-Technik lieber, um dem Zuschauer wortwörtlich ins Gesicht reiern zu lassen oder um überdimensionale Silikonbrüste in den Kinosaal ragen zu lassen. In einer anderen Szene spuckt einer der titelgebenden Raubfische einen halbzerkauten Penis ins Publikum. Was in anderen Filmen sicherlich hochnotpeinlich wäre, passt in den Kontext dieser Bad-Taste-Orgie allerdings wie Salz und Zitrone zum Tequila. Aja ist hier ganz offensichtlich mit einer Menge Spaß bei der Sache gewesen und hat trotz allen Albernheiten auf die liebevolle Ausstaffierung seines Trash-Spektakels wert gelegt.
Das zeigt sich besonders in der gelungenen Besetzung der durchgängig klischeehaften Figuren: Die toughe Polizistin, der ungeschickte Loser (der später zum Held wird), der genial-verrückte Forscher, der skrupellose Pornoregisseur... ja genau, Pornoregisseur. Um Pornodarstellerinnen und Pornos im Allgemeinen geht es häufig in ″Piranha″, mit Kelly Brook und Riley Steele sind auch zwei Damen vom Fach mit an Bord, die sich auch außerhalb ihrer minutenlangen Nackt-Szene unter Wasser erstaunlich gut präsentieren. Besonders aber erfreuen die zahlreichen Gastauftritte und Querverweise das Herz des Filmfans. So darf Cristopher Lloyd als Meeresforscher quasi eine 1:1-Kopie seiner Rolle als Doc Brown in ″Zurück in die Zukunft″ verkörpern, Richard Dreyfuss wiederum fällt den Piranhas in einer gelungenen Hommage an ″Jaws″ als erster zum Opfer.
Herzstück des Films ist eine knapp viertelstündige Szene, in der die garstigen Fische die bierseligen Besucher einer Springbreak-Party attackieren und dabei allerlei Blut, Gedärme und abgetrennte Gliedmaßen hinterlassen. Ving Rhames als Kleinstadtcop tritt den aggressiven Tierchen daraufhin in bester ″Braindead″-Manier mit einem rotierenden Außenbord-Motor entgegen. Nebenbei wird noch Eli Roth in seiner Gastrolle als Wet-T-Shirt-Contest-Veranstalter der Schädel eingeschlagen. Man merkt: ″Piranha″ ist der Film, den jeder pubertierende Junge gerne drehen würde, mit jeder Menge comichafter Gewalt und unzähligen nackten Frauen. Besonders die Fixierung auf letztere nervt streckenweise allerdings gehörig, nehmen die von Techno-Musik begleiteten Szenen, in denen namenlose College-Girls ihre sekundären Geschlechtsmerkmale in die Kamera halten dem Film doch einiges an Tempo und Drive und wirken auf Dauer einfach nur stumpf.
Nichtsdestotrotz ist ″Piranha″ ein sehenswerter Film für alle, die auch gerne mal unter ihrem Niveau lachen und die sich an sorgfältig choreographiertem Trash erfreuen können. Dass Aja sein Werk zwar zu keiner Sekunde ernst nimmt, aber dennoch auf sympathische Kleinigkeiten wert gelegt und dem Film einen stimmigen Look verpasst hat, macht ″Piranha″ zu einem großen augenzwinkernden Kinovergnügen, das man mit einem fassungslosen Grinsen an sich vorüberziehen lässt. Man darf gespannt sein, wohin seine unvorhersehbare Reise durch die Subgenres des Horrors diesen Regisseur als nächstes führen wird.
>> verfasst von Tim Lindemann