Moviebase Five Across the Eye
Fünf Teengirls treten die Rückreise von einem Footballspiel an ihrer Highschool an. Tiefschwarze Nacht. Sie verirren sich und fragen in einer gottverlassenen Tankstelle irgendwo in der Pampa nach dem Weg. Als sie sich wieder aufmachen, rammen sie versehentlich einen anderen Wagen und zerstören einen der Frontscheinwerfer. Nicht sicher, was zu tun sei, begehen sie kopflos Fahrerflucht. Kurze Zeit später scheint hinter ihnen ein einzelner Scheinwerfer auf – der Beginn einer albtraumhaften Verfolgungsjagd, welche die Mädchen für immer verändern wird.
Produktionen mit extrem beschränktem Budget leiden oft unter den Erwartungshaltungen vieler Zuschauer. Natürlich kann ein Horrorfilm, der für knappe 7000$ gedreht wurde, keine ausgefeilten Spezialeffekte bieten, keine hochgerüstete Filmtechnik und keine weltbekannten Stars. Einem Debüt dieser finanziellen Größenordnung solche „Mängel“ vorzuwerfen, wäre ignorant.
Im Fall von „Five Across The Eyes“, inszeniert von Greg Swinson und Ryan Thiessen, handelt es sich, gemessen an den Produktionsbedingungen, zumindest mit Blick auf den Schnitt und einige interessante Kameraperspektiven um eine Arbeit, die durchaus Talent zeigt. Für zwei junge Regisseure ohne jede vorherige Filmerfahrung ist das durchaus beachtlich. Auch hat man konsequenterweise vermieden, Bilder liefern zu wollen, die mit den vorhandenen technischen Mitteln nicht möglich gewesen wären; der Film ist durchweg im „Blair Witch Project“-Stil gehalten, düstere, grobkörnige, nervös-verwackelte Bilder.
Das Problem liegt in einer Story, die vollkommen frei ist von überraschenden oder interessanten Einfällen. Der Einbruch des Irrationalen in die kleine, behütete Welt junger Menschen, die Konfrontation mit scheinbar grundloser, extremer Gewalt – das ist nun wirklich keine sonderlich neue, applausverdächtige Idee. Vor allem dann nicht, wenn die Regie einer so sattsam bekannten, in fast allen erdenklichen Variationen durchexerzierten Geschichte keine unkonventionellen Perspektiven abgewinnt, sondern die traurige Erbschaft von Streifen à la „Hostel“, „Captivity“, „The Cellar Door“, „Inside“ und anderen Werken dieser Art auf eine dermaßen überspannte Art antritt, daß man eigentlich schon von einer Parodie reden müßte. Leider ist es keine. Was hier gezeigt wird, ist vollkommen ernst gemeint – ein Anspruch, an dem der Film grandios scheitert.
Die psychischen Boshaftigkeiten und erst recht die suburbane Fäkalsprache, mit der mühelos ein Öltanker zum Überlaufen gebracht werden könnte, führen ungewollt auf eine schaurig clownesque Art die Überdrehtheit einer Gewalt- und Schimpfspirale vor Augen, die in den letzten Jahren unter vielen jüngeren Filmemachern anscheinend zum „guten Ton“ des Horrorgenre gehört. Da werden Zähne gezogen, ein Fingernagel ausgerissen (freilich, das ist heutzutage ja noch „harmlos“) und alle erdenklichen Beschimpfungen vom Stapel gelassen. Innerhalb weniger Szenen wird gleich zweimal der Satz „Wenn ihr nicht tut, was ich sage, puste ich euch das Gehirn raus, daß es nur so spritzt“ präsentiert. „Wir müssen diese Cracknutte umbringen“, „Ich mache aus eurem Van ein Bordell für Leichenschänder“, „Warum etwas wegschmeißen, man kann immer noch damit schmeißen“ sind nur einige der Stilblüten, die hier auf den Zuschauer warten.
„Das riecht, als hätte ein verwesender Gorilla auf einen Reifen geschissen“, „Ich will, daß du auf deine Klamotten pisst! Wenn nicht, ramme ich dir die Knarre in den Arsch, daß du dir deine Gedärme aus dem Mund ziehen kannst! Los, piss!“, „Du dreckige kleine Schlampe“ etc. pp. – wer kann eine dermaßen überzogene Vulgärsprache eigentlich noch ernst nehmen? „Wer weiß, wer das ist – vielleicht hat er ein Gewehr, eine Bombe oder ein Messer!?“ – „Ja, das kann sein, im Straßenverkehr flippen viele aus!“, „Paß in der Kurve auf, du weißt doch, dass dieser Van sich laut Autotest überschlägt“ - kurz und gut: die Dialoge scheinen abwechselnd von einem pensionierten ADAC-Mitarbeiter und einem hyperaktiven Rektum verfaßt worden zu sein. Da hilft es auch nicht mehr, sich mit der Idee zu trösten, daß sie die Hilflosigkeit und Naivität der fünf Mädchen widerspiegeln sollten. Dafür sind sie zu oft unfreiwillig komisch, grob geschnitzt und geradezu infantil.
Der Film macht schnell klar, wie die Geschichte ausgehen wird – das man hier nicht mit einem Happy End à la „Pretty Woman“ rechnen sollte, darauf muß wohl nicht näher eingegangen werden – was ihm allerdings viel Spannung nimmt. Es kann nur in einer Gewalteruption enden; das Finale kommt somit „folgerichtig“, aber keinesfalls schockierend. Wer Menschen fast einen ganzen Film lang unentwegt weinen, schreien und bodenlos fluchen läßt, bietet eigentlich nichts anderes als eine Terrorversion von Big Brother- oder Dschungelshow-TV. Nur müssen die Kandidaten sich nicht medienöffentlich psychisch, moralisch oder intellektuell entblößen, in kein Terrarium mit Spinnen steigen, Nahrung sehr zweifelhafter Herkunft zu sich nehmen und zahllose andere Abscheulichkeiten über sich ergehen lassen, sondern eben extreme Verhaltensweisen psychisch Gestörter, Tyrannei, Folter, barbarische Gewalt. Ich hatte beim Abspann von „Five Across The Eyes“ das Gefühl, über die Laufzeit eines Spielfilmes mit Hardcoretechno in Höchstlautstärke beschallt worden zu sein. Eine Musik, die sich nicht gerade durch ausgefeilte Dramaturgie, größere Dynamik- und Lautstärkeunterschiede auszeichnet.
Läßt man die haarsträubende Geschichte einmal außen vor und zieht fairerweise in Betracht, dass es sich hier um ein Debüt handelte, das zumindest einige gelungene inszenatorische Einfälle bereithält und sich bemüht hat, aus den begrenzten Settings das Beste zu machen (und es für kurze Augenblicke auch geschafft hat), was nicht alle Produktion dieser Art (noch nicht einmal einige sehr viel teurere) von sich behaupten können.
>> verfasst von Axel Krauss