Moviebase Horde, The
Am Anfang liegt da eine Leiche auf Kies, gefesselt, fast nackt, und ein Cop steht daneben, der den leblosen Körper betrachtet. Was genau vorgefallen ist, werden wir nie erfahren, aber es ist auch gar nicht so wichtig: Eine Gang hat ihren Kollegen umgebracht, und so wird sich die Truppe um Jimenez (Aurélien Recoing) nicht lange mit Formalia und Gesetzestexten aufhalten. Sie wollen Vergeltung. Also machen sie sich in der Nacht zu fünft in das fast leerstehende Hochhaus auf, in dem die Gang sich eingenistet hat. Nur ein paar Vergessene wohnen noch da, vermutlich weil die Mieten billig sind oder sie einfach vergessen wurden. Nur ein paar Stockwerke hoch und dann den Unterschlupf ausräuchern, so stellen sich die rachsüchtigen Polizisten das vor, und dieser Plan geht natürlich grandios schief: So ist dann schon alles voll Blut, als die ersten Zombies überhaupt die Szene betreten.
La Horde hebt in seinem Anfang wie ein filmisches Hybrid an: wird vom schmutzigen Polizeifilm zu einem Streifen aus der ehemaligen Schmuddelecke des Genre-Kinos. Ohne dass je eine Erklärung gegeben würde, stehen plötzlich die Toten wieder auf. Von außen rennen Zombies in Massen gegen das Hochhaus an, innen ist es aber auch nicht viel schöner, wenn man gerade erst ein Blutbad mit vielen Toten angerichtet hat. „On est venu pour un carnage“, wir sind für ein Schlachtfest gekommen, kündigt einer der Polizisten eingangs an. Man sollte vorsichtig mit seinen Wünschen umgehen. Yannick Dahan und Benjamin Rocher, die das Drehbuch von La Horde mit verfasst und den Film inszeniert haben, schaffen dann ein natürlich grundsätzlich sehr vertrautes Szenario: Eingeschlossen von den lebenden Toten müssen sich zwei Menschengruppen, die einander spinnefeind sind, auf engem Raum zusammenreißen - und nach einem Ausweg suchen.
So weit, so genretypisch. Was über die übliche Kost aber hinausgeht, ist der Umstand, dass die zwischen den Menschen im Hochhaus ablaufenden Konflikte sich konsequent und logisch weiterentwickeln, die Machtbeziehungen sich kontinuierlich verschieben und auf ein nicht eben vorhersehbares Ende zusteuern. Das schafft sonst im Zombiegenre fast nur George A. Romero mit ähnlicher Konsequenz, bei dem es dafür – was in engem Zusammenhang mit den politischen Untertönen seiner Filme steht – meist eine relativ klare Aufteilung der Charaktere in gute Protagonisten und verachtenswerte Antagonisten gibt.
La Horde macht es sich mit den Guten und den Bösen nicht so einfach. Die Polizisten sind kein bisschen weniger mordlustig als die Gangster, und ehrenhaftere Motive treiben auch sie nicht. Und bis zum Ende verweigern sich Dahan und Rocher einer Nivellierung der Differenzen und Unterschiede, die sie vorher ins Spiel gebracht haben; auch im Angesicht der Apokalypse werden die bestehenden Konflikte nicht bedeutungslos. Die Zombies sind in diesem Film keine Bedeutungsträger für politische Botschaften; wenn überhaupt etwas, sind sie die logische Fortsetzung der in den Menschen schon vorhandenen Brutalität und Menschenfeindlichkeit: Dass der Mensch des Menschen Wolf ist.
Aber dafür scheint sich La Horde nicht wirklich zu interessieren. Viel größeres Augenmerk lenkt der Film auf seine Inszenierung. Denn natürlich sind hier im Setting auch die ganzen Standards zu finden: von Taschenlampen nur schlecht ausgeleuchtete Gänge zum Beispiel, an deren Betonwänden sich die Schmierspuren blutiger Hände abzeichnen. Die Figuren stehen fast immer dicht beieinander gedrängt, sind gar nicht so viel in Bewegung, und oft hat man den Eindruck, es hier mit einem Kammerspiel zu tun zu haben. Enge räumliche und zeitliche Begrenzung, das ist das Prinzip, mit dem La Horde Druck und Spannung erzeugt. Die Handlung wird nahezu in Echtzeit erzählt, und so wie der Anfang den Polizeifilm aufruft, setzt der weitere Film die Entwicklung und Hybridisierung in den Actionfilm hin konsequent fort. Er folgt damit im Grunde dem Beispiel der Resident Evil-Verfilmungen, aber La Horde geht einen entscheidenden Schritt wieder zurück.
Denn während das Adaptionsprinzip von Resident Evil auf der Auslöschung aller transgressiven Gewalt, die dem Zombiefilm eigen ist, beruhte und so versuchte, den Zombie ohne den (für ihn konstitutiven) Körperhorror zu denken, führt La Horde die aufgerissenen Körper zumindest teilweise wieder ein und ergänzt das mit der vollen Härte des gegenwärtigen Actionkinos. Hier wehren sich die Protagonisten in ewig langen Sequenzen mit Händen und Füßen, ohne Schuß- oder Klingenwaffen, nur mit harten, gezielten Schlägen und Fußtritten, gegen die Untoten. Und es ist genau dieser Punkt, in dieser nur oberflächlich durch die Monstrosität der Opfer gerechtfertigten Gewalt, an dem durch die Hintertür der Zombie dann doch wieder ein politische Position besetzt: Weil er zum Vorschein bringt, was wir uns antun können, ob tot oder lebendig.
>> verfasst von Rochus Wolff