Moviebase Cabin in the Woods
Der Irrweg von „The Cabin in the Woods“ dürfte längst kein Geheimnis mehr sein. Bereits im Jahr 2009 abgedreht, hatte das produzierende Studio MGM plötzlich mit einer drohenden Insolvenz zu kämpfen. Aufgrund dessen blieb eine Kinoauswertung zunächst aus. Bald darauf wanderte das Werk zum Studio Lionsgate. In die Kinosäle traf das Regiedebüt von Drew Goddard dann trotzdem erst im Frühjahr dieses Jahres – und somit gut drei Jahre nach seiner Fertigstellung. Inzwischen schwang Chris Hemsworth als Thor in zwei Comicverfilmungen den Hammer und Produzent Joss Whedon lieferte mit seiner „Avengers“-Zusammenkunft den drittprofitabelsten Film aller Zeiten ab. Glücklicherweise dürfen wir uns den wohl außergewöhnlichsten Horrorthriller der letzten Jahre nun doch noch auf der großen Leinwand ansehen. Und es wäre eine Schande gewesen, wenn dieser Genre-Geniestreich niemals das Licht der Welt erblickt hätte.
Wie aber beschreibt man einen Film, bei dem jeder Satz über den Inhalt eigentlich schon zu viel wäre? Nein, nicht aus dem Grund, dass die Geschichte plump und vorhersehbar ist. Sondern allein wegen der Tatsache, dass auf diese Weise nahezu jede Überraschung genommen werden könnte. Wer bereits den Trailer gesehen und die offizielle Inhaltsangabe gelesen hat, weiß eigentlich schon viel zu viel. Und letztlich dennoch nichts. Das Prozedere ist so genial wie verrückt geschrieben, dass selbst die genreerfahrensten Zuschauer aus dem Staunen nicht mehr herauskommen werden.
Zunächst also folgen wir – wie man es aus diesen (schlechten) typischen Teeniehorrorfilmen gewohnt ist – fünf Freunden in eine abgelegene Hütte im Wald. „Bitte nicht schon wieder“ dürfte als erste Reaktion darauf nicht allzu selten zu hören sein. Und diese bedienen Joss Whedon und Drew Goddard anfänglich bis ins Detail. Der Vollständigkeit halber: Die Gruppe besteht aus fünf Studenten. Curt (mit ungewöhnlich kurzen Haaren: Chris Hemsworth) mimt die Sportgranate und den coolen Macho, dessen Cousin die Hütte im Wald gehört. Seine Freundin ist Jules (Anna Hutchinson), eine Brünette, die sich die Haare wasserstoffblond gefärbt hat. Somit wäre auch das Klischee der vollbusigen Blondine bedient. Dazu gesellen sich die eher schüchterne und zurückhaltende Dana (Kristen Connolly), der in Dana verschossene Holden (Jesse Williams) und der allzeit kiffende Trottel Marty (Fran Kranz). Mit dieser Konstellation ist der weitere Verlauf quasi fest vorgeschrieben. Denkste.
Was Whedon und Goddard dann aus diesem vermeintlich gradlinigen Horrorslasher rausholen, ist schlichtweg atemberaubend. Neben der Hüttentour wird in einem Parallelstrang von zwei Mitarbeitern eines Labors erzählt, die von Richard Jenkins („Let Me In“, „The Broken“) und Bradley Whitford („An American Crime“, „Philadelphia“) perfekt verkörpert werden. Erst allmählich fügt sich dann das Bild zusammen. Denn die beiden Männer nehmen auf das Geschehen in der Hütte durch geschickte Manipulationen Einfluss auf die Gruppe – und ihr bevorstehendes Todesurteil. Und genau hier kommt der bitterböse schwarze Humor zum Vorschein. Whedon, selbst großer Horrorfan, rechnet gnadenlos mit dem Genre und seinen immer mehr auf Folter und Tortureporn angelegten Geschichten ab. Was Craven mit seiner Horrorsatire „Scream“ 1996 begann, setzen die Filmemacher in „The Cabin in the Woods“ verdammt großartig fort. Wieso in Slashern das blonde Mädchen immer blank zieht? Weil das Publikum es sehen will. Und weshalb der zugedröhnte Idiot meist als Erstes stirbt? Weil er nervt. Dem zusehenden Volk wird der Spiegel gekonnt vorgehalten, ohne plump oder überzogen zu wirken.
Aber dabei belassen es die Drehbuchautoren Joss Whedon und Drew Goddard nicht. Bei aller Kritik an das arg gebeutelte Genre huldigen sie den Großen des Horrors. Die augenzwinkernden Verweise an zum Beispiel Sam Raimis „Evil Dead“ sind unübersehbar. Dennoch laden gerade die Anspielungen auf Gruselhits wie „Ring“ (schwarzhaariges Mädchen mit bösem Blick) zu lauten Lachern ein. Ein Kabinett aus Absurditäten, das vor allem für Genreliebhaber dermaßen viele tolle Entdeckungen zulässt, dabei aber für unwissende Besucher keineswegs weniger ansprechend ist. Denn bei all dem fantastischen Humor und eingebrachten Filmzitaten bietet „The Cabin in the Woods“ einige ansehnliche Splatterszenen und – man mag es nicht glauben – sogar eine recht spannende Geschichte. Bis der letzte Akt über uns hereinbricht.
War die Handlung bislang schon verrückt, aber überschaubar und routiniert abgedreht, geht es zum Schluss richtig zur Sache. Ohne Zweifel ist das furiose Finale das absolute Herzstück des Films und schwer zu toppen. Ein Mash-Up aller Horrorgenres, verpackt in Bilder, die so schnell sicher nicht vergessen werden. Von Okkult über Geister und Dämonen bis hin zu menschlichen Übeltätern – eine Schlachtplatte, ein episches Blutbad, wie es die Welt noch nicht gesehen hat. Für diese Idee und die grandiose Umsetzung darf man den Verantwortlichen als Genrefan ewig dankbar sein. Dass sich ein als guter Teeniehorror getarnter Film am Schlusspunkt mit derart überraschenden Wendungen und Einfällen in einen ultimativen Kulthit verwandelt, kann man Whedon und Goddard nur hoch anrechnen. Zudem gibt es den wohl irrwitzigsten, wenn auch nicht zwingend notwendigen Cameoauftritt von einer Person, der ihr schauspielerischer Durchbruch vor langer Zeit mit einem Ridley Scott-Film gelang.
So sei dieses Stück verrückt-genialer Ideen jedem Horrorfan dringend empfohlen. Freunde von Gore und Monstern kommen dabei genauso auf ihre Kosten wie die von schwarzem Humor und satirischen Blickwinkeln. Und sollte zufällig mal wieder einer dieser üblichen Scream-Teen-Filmchen seinen Weg ins Kino oder in den heimischen DVD-Player finden, werden Goddards Bilder automatisch zurück ins Gedächtnis gerufen: Für die (dümmlichen) Handlungen und Verhaltensweisen der Protagonisten sind in Wahrheit ganz andere Menschen verantwortlich…
„The Cabin in the Woods“ ist nach langer Zeit endlich wieder ein absolut sehenswerter Genrebeitrag, der dazu das Bekannte komplett auf den Kopf stellt. Ein Pottpüree an fulminanten Einfällen macht Drew Goddards Regiedebüt zu einem außergewöhnlichen und unvorhersehbaren Erlebnis mit perfektem Unterhaltungswert.
>> verfasst von Janosch Leuffen