Wenn es den Monstren auf der Leinwand nicht mehr mit altüberlieferten Waffen und der Kraft von Mythen und Religion an den Kragen geht, sondern sie sich der Auseinandersetzung allein mit moderner Wissenschaft und Waffentechnik stellen müssen, dann weiß man inzwischen ja schon: Da hat wieder jemand einen Mythos – mal mit Gewalt, mal elegant – in die säkulare Moderne hinüberbefördert. So war es mit den Vampiren, denen in „Blade“ und „Underworld“ nicht mehr primär das Sonnenlicht schadete, sondern das darin enthaltene UV-Licht (was sich sogleich technologisch verwerten ließ); und der Vampirismus, er ist auch kein Satansfluch mehr, sondern schlicht eine allerdings ziemlich persistente Vireninfektion.
Der Norweger André Øvredal hat eine solche Generalüberholung im Angesicht der Gegenwartsrealitäten nun mit einem Sujet vorgenommen, das im internationalen Kino eher zu kurz gekommen ist: Die Mythen und Sagen der nordischen Länder, genauer genommen: Was wissen, was glauben Sie eigentlich von Trollen zu wissen? Wobei der Glaube an Trolle, darauf läuft es hier natürlich hinaus, nicht das entscheidende Kriterium ist. (Der Glaube an sich wiederum schon, da rettet der Film etwas aus der scheinbar prämodernen Mythenwelt herüber: Trolle riechen Christenblut, und ihren Appetit regt es auch noch an.) Zweifler sind sie gewissermaßen schon aus Berufsethos, die erst noch werdenden Dokumentarfilmer Thomas (Glenn Erland Tosterud), Kalle (Tomas Alf Larsen) und Johanna (Johanna Mørck), Filmstudenten einer kleinen Hochschule, die eigentlich einen Bärenwilderer suchen und dabei auf Hans (Otto Jespersen) stoßen.
Hans will zunächst nichts von den Dreien wissen – was soll man’s ihm verdenken, sie halten ihn für den Wilderer. Aber dann entschließt er sich, ihnen die Wahrheit zu erzählen – und weil sie ihm natürlich nicht glauben, zeigt er sie ihnen auch noch. Und damit der Kamera, und damit uns. Wie gleich drei ungläubige Thomasse, kichernd und scherzend tapsen die drei jungen Leute durchs Unterholz, bis dann auf einmal durch selbiges ein tatsächlich leibhaftiger Troll sich seine Bahn bricht, dem sie nur knapp entkommen und dank Hans’ kräftig leuchtenden Autoaufbaus.
Es ist nämlich so, dass Trolle sich tagsüber tatsächlich in Steine verwandeln, das liegt unter anderem am UV-Licht. Mit entsprechenden Scheinwerfern auf dem Auto kann man sich da also eines Trolles leicht entledigen. Nur gesprengt und zerlegt werden muss der Steinhaufen anschließend noch, damit sich der Troll nicht bei der nächsten Dunkelheit wieder erhebt. Hans weiß das, ist er doch Norwegens einzig zugelassener Trolljäger. Die Moderne in ihrer leicht abgenutzten, aber umso fester in der Welt verankerten Weise ist allgegenwärtig in Øvredals „The Troll Hunter“ und der Art, wie er die Trolle erklärt, wie sich alles fügt – und wie dann eben auch immer ein nicht erklärter, womöglich unerklärbarer Rest in diesem Gefüge bleibt, der vormoderne Duft frischen Christenbluts etwa. Wie die zahllosen Steine und angekauten Autoreifen in der norwegischen Landschaft des Films liegen solche seltsamen Rationalitätslücken in diesem Film herum, und sie sind natürlich genau das, was seinen Zauber und seine Cleverness ausmachen: Dass nie alles bis zu Ende erklärt wird.
Dabei redet Hans ja eigentlich genug. Nach und nach, mit jedem gemeinsamen Schritt der vier Protagonisten, erweitert sich die Weltsicht, die das Filmmaterial bietet, ein wenig, und Øvredal macht daraus eine zauberhafte Übung in fantastischer Umgarnung: Weil sich die Sicht auf die (filmische) Welt nur langsam, aber wirkungsvoll mit Wissen über Trolle füllt, verändert sich auch unser Blick auf die angeblich trollfreie (wirklich?) Realität. Das ist fein gesponnenes Erzählgarn, hübsch geerdet. Dafür verzichtet „The Troll Hunter“ weitgehend auf gewöhnliche Spannungsbögen und dramatische Entwicklungen – der Film plätschert gelegentlich fast dahin, immer wieder unterbrochen von Actionsequenzen, in denen die Trolle es krachen lassen (gerne auch mal die Rippen an Menschen). Währenddessen versucht ein Regierungsagent (Hans Morten Hansen) recht mühsam, die Spuren der Trolle zu verwischen; aber auch da verweigert sich der Film der grandiosen Konstruktion einer Verschwörungstheorie, sondern macht aus den Vertuschungen ein sehr skandinavisch-handgebasteltes Projekt, deren Bedrohlichkeit mehr behauptet als gesehen wird.
Das alles findet vor großartiger nordnorwegischer Kulisse statt, und mittendrin stapfen ein paar durchaus sehr sehenswert animierte Trolle von keineswegs geringer Körpergröße. Das Design für diese Monstren beruht auf den Zeichnungen von Theodor Kittelsen und wurde von Håvard S. Johansen und Ivar Rødningen entworfen – sie fügen sich erstaunlich stimmig in die Landschaft ein, und man möchte die Kreaturen keineswegs gerne zerstört sehen. Das dürfte durchaus in Øvredals Sinne sein, der hier eben keine einfache Monstergeschichte zu erzählen hat, sondern eine manchmal vielleicht zu ruhige Geschichte von Koexistenz zum Besten gibt, die wenig mit den sonst üblichen Monsterschinken à la „Cloverfield“ zu tun hat. Dabei gibt sich der Film, dessen Grundkonstrukt eine „Found Footage“-Situation ist (vom Schicksal der Filmstudenten nämlich weiß man nichts), oberflächlich allerhand Mühe, den Konventionen und Erwartungen gerecht zu werden – um sie dann aufs Allerfeinste zu enttäuschen.
>> verfasst von Rochus Wolff