Moviebase Halloween - Die Nacht des Grauens
Sieben Fortsetzungen, zwei Remakes und ein Original. Die Geschichte von John Carpenters "Halloween" ist einzigartig. Im Jahr 1978 mit einem heutzutage minimalistisch anmutenden Budget gedreht, avancierte der Horrorfilm zum Kassenschlager. Und wie so oft konnte keines der Sequels dem Erstling auch nur ansatzweise das Wasser reichen. Nach und nach verkam die Reihe zu einem blutigen Schlachtfest, vom Grundgerüst stand nur noch der Killer selbst. Nun erscheint der Kultklassiker rund 34 Jahre nach der Uraufführung erneut auf DVD und erstmals auf Blu-ray-Disc. Noch dazu stufte die Freiwillige Selbstkontrolle das Werk von einer Freigabe ab 18 Jahren auf eine FSK 16 herunter. Doch selbst nach all den Jahren hat "Halloween" nichts von seiner Intensität verloren.
Der 6-Jährige Michael Myers, hinter einer Maske verborgen, ersticht seine Schwester Judy. Es ist Halloween, die Nacht, in der Spaß und Grauen verschmelzen. 15 Jahre später: Psychiater Sam Loomis fährt in die Klinik, um eine lebenslange Sicherheitsverwahrung für den unheilbaren Myers einzuleiten. Doch es ist zu spät. Michael ist ausgebrochen. Wieder ist Halloween. Michael Myers irrt durch die Stadt. Der Horror beginnt erneut…
Was für Wes Craven Freddy Krueger und für Sean S. Cunningham Jason, war für John Carpenter Michael Myers. Dabei kann der Killer mit der weißen Maske durchaus als Vorreiter einer ganzen Serienkillergeneration angesehen werden, erblickten Jason und Freddy erst zwei beziehungsweise sechs Jahre später das Licht der Leinwand. Carpenter hatte eine Vision, die sich im Nachhinein als wegweisend für das Horrorgenre erweisen sollte. Nie zuvor hatte das Publikum so etwas gesehen. Das Intro mit dem stetig größer werdenden Kürbis auf der linken, den Credits auf der anderen Seite und einem musikalischen Thema, welches selbst heute noch für das pure Grauen steht. Dann die erste Eröffnungsszene, die das Blut in den Adern gefrieren lässt. Mit einer Plansequenz im Point of View-Shot des kleinen Michaels wandert der Zuschauer mit ums Myers-Haus in Haddonfield. Wir steigen die Treppe hinauf, greifen nach der Clownsmaske. Welch großartiger Kniff von Carpenter, der die Maske auf die filmende Kamera setzt und somit einen direkten Zuschauerbezug zu seiner tragischen Hauptfigur schafft. Es ist nicht nur Michael, der schließlich zum Messer greift und seine Schwester ermordet. Jeder einzelne Zuschauer ist der Mörder – und das macht besonders die Anfangsminuten unheimlich intensiv. "Halloween" läutet die nächsten spannungsgeladenen anderthalb Stunden mit der wohl innovativsten Anfangssequenz der Horrorgeschichte ein.
Die Frage, die sich bei älteren Genrewerken stellt, ist natürlich, wie diese bei den Generationen von heute ankommen. Vermehrt ging es im Horrorbereich in den letzten zehn Jahren um Folter, Splatter und grausame, bis ins Detail ausgeschmückte Gräueltaten. "Saw" läutete mit dem Torture-Horror eine neue Ära ein. Gemessen daran kann "Halloween" nicht ansatzweise mithalten, steht bei Carpenter eher die psychische denn blutige Brutalität im Vordergrund. Das dürfte auch der Grund sein, weshalb die FSK bei der Neuprüfung den roten gegen den blauen Aufkleber austauschte. Dabei kann gerade die psychische Ebene eine viel gravierendere Wirkung haben. Der zurückgekehrte Michael begeht seinen zweiten Mord zwar erst nach gut 50 Minuten. Bis dahin sorgt sein plötzliches Auftauchen und Verschwinden aber nicht nur bei den Protagonisten für Gänsehaut. Was ist Einbildung, was Realität? Langsam, dafür umso effektvoller, zieht Carpenter die Spannungsschraube an. Der Wechsel zwischen allwissender Erzählweise und die aus der Sicht des Killers erhöhen den Puls. Wenn wir mit Myers im Auto fahren und nichts außer sein tiefes Atmen durch die entsetzliche Maske vernehmen, kann von wahrem Horror gesprochen werden.
Es gibt viele solcher unvergesslichen Momente. Der Score aus treibenden Pianotönen und unheimlichen Synthisounds tut sein Übriges. Selbst die bis dato nahezu unbekannten Darsteller agieren so, wie man sich Teenager vorstellt. Die Chemie stimmt, was nicht zuletzt daraus resultiert, dass die drei Filmfreundinnen auch im wahren Leben eine Clique waren. Jamie Lee Curtis äußerte beim Dreh ihren Neid gegenüber Kollegin P.J. Soles, die Lynda verkörperte. Curtis empfand ihren Charakter der Laurie im Gegensatz zu Lynda als langweilig. Sicherlich sieht sie das heute anders, ihre Karriere nach "Halloween" hätte wohl nicht besser verlaufen können. Es folgten "The Fog", ebenfalls unter den Anweisungen Carpenters, und viele weitere Filme im Genre. Im Jahr 1998 schlüpfte sie in "H20" noch einmal in ihre Paraderolle der Laurie Strode. Als Scream-Queen gefeiert hat sich Curtis sicherlich mit dem angeblich langweiligen Part von damals abgefunden.
Die DVD-Neuauflage bietet neben Spots und Trailern, Programtipps und Interviews mit Filmbeteiligten auch einen interessanten Besuch an den Original-Schauplätzen nach 25 Jahren. In einer Ausgabe der TV-Sendung "Heilige Stätten des Horrorgenres" geht es ähnlich zu. Carpenter inszenierte weder im Studio noch vor einer grünen Wand. Er suchte sich die passenden Locations und drehte vor Ort. Und genau das verleiht "Halloween" zusätzliche Authentizität.
Carpenter ist mit "Halloween" ein zeitloser Klassiker gelungen. Mit seinem aktuellen Werk "The Ward" versuchte der Regisseur alllerdings vergeblich, der neuen Generation einen altmodischen Horrorfilm schmackhaft zu machen. Deshalb dürfte es wohl wieder etwas dauern, bis es sich der mittlerweile 64-Jährige erneut auf einem Regiestuhl bequem macht. Grund dazu gibt es für ihn ohnehin nicht, streicht er mit den Neuauflagen seines Kulthits immer wieder Geld ein. "Das Böse steht noch einmal auf" war nicht nur im ersten Film das Motto: Im nächsten Jahr soll Michael Myers mit "Halloween 3-D" dann auch in der dritten Dimension sein Unwesen treiben – zur Freude eines jüngeren Publikums? Man darf gespannt sein. Was im "Halloween"-Universum auch noch so kommen mag: an das faszinierende Original von 1978 kommt so schnell nichts heran.
>> verfasst von Janosch Leuffen