Nach Filmen wie "Shallow Grave", "Trainspotting" und "The Beach" überrascht mich Multitalent Danny Boyle ein weiteres Mal. Diesesmal handelt es sich um das großartige Horrordrama "28 Days Later" in welchem die Folgen eines Virusausbruches in London aufgezeigt werden; Vorlage liefert wieder, wie auch bei "The Beach", der geniale Alex Garland.
Tierschützer befreien Schimpansen die für Tierversuche missbraucht werden, was jedoch zu einer folgenschweren Kettenreaktion führt. Denn was die Aktivisten nicht wissen: die Affen sind allesamt mit einem leicht übertragbarem und hochansteckendem Virus infiziert... Nach den titelgebenden 28 Tagen erwacht der junge Fahrradkurier Jim (Cillian Murphy) in einem ausgestorbenen Krankenhaus aus dem Koma. Auf der Suche nach jeglicher Art von menschlichen Anzeichen muss er verzweifelt feststellen dass London völlig menschenleer zu sein scheint. Nachdem er von Infizierten gejagd wird, findet er Obhut bei zwei weiteren Überlebenden, mit denen er versucht einen Ausweg aus dieser Apokalypse zu finden...
Aufgrund unvermeidbarer Spoilergefahr werde ich im Folgenden nicht in expliziter Weise auf den Inhalt eingehen um somit jenen, die den Film noch nicht gesehen haben, die Lust daran zu verderben.
Einfach großartig was Danny Boyle hier fabriziert hat. Die tragische Geschichte um Jim, eingebettet in ein apokalyptisches Endzeitszenario. Die Protagonisten geraten von einem Extrem ins Andere und das alles spielt sich auf einer sehr bedrückenden, pessimistischen Ebene ab. Die intensive Dichte des Films legt sich wie ein schwerer Mantel auf die Schultern des Zuschauers, integriert ihn komplett in das Geschehen und spuckt ihn erst nach 113 Minuten wieder aus. Er installiert ihn als Teil in eine, im übertragenen Sinne, zerstörte Welt, frei von Zivilisation, Kultiviertheit und Ordnung. Hier regiert das Chaos. Hinzu kommt die ständige Angst der Akteure, die Angst vor den Infizierten. Ausgelöst durch den Virus der Affen, hat sich die Krankheit auf den Menschen übertragen und ihn dahingerafft; reduziert auf Infizierte und wenige Überlebende. Survival of the Fittest, das Darwinsche Prinzip nimmt eine bestimmende Rolle im Film ein. Jäger und Gejagte, fressen und gefressen werden. Eine Wende zum Primitiven, dem simplen Überlebens- und Selbsterhaltungstrieb. Dies sind die Faktoren die das Handeln sämtlicher Figuren bestimmt und beeinflusst.
Bei "28 Days Later" geht es nicht nur um einen Horrorstreifen, wie ihn viele betiteln und meißtens fälschlicherweiße verurteilen, da er eigentlich kein Horrorfilm ist und deswegen bei dem festgefahrenen Konsumenten als lasch, lau und langweilig abgestempelt wird. Nein hier geht es um mehr, ich sehe ihn als modernen und stets hochaktuellen Kommentar zur momentanen Situation der Forschungswelt und deren rücksichtsloser Ausbeutung jeglicher Werte. Auf seine Art bestätigt durch diverse Beispiele der letzten Jahre wie Maul- und Klauenseuche, BSE und jüngst durch die Vogelgrippe. Die permanente Angst vor einem Killervirus, einem Virus der sämtliches Leben auszulöschen vermag, befindet sich längst in den Köpfen der Gesellschaft. Dieses Phänomen wird auch im Rahmen der Extras der deutschen VÖ behandelt und ein weiteres Mal thematisiert.
Dramatisch, nur so kann man den Film beschreiben. Ein modernes Drama dass mit Hilfe von Horrorelementen den Ernst und die Aussage des Films verstärkt. Selbst der Virus, die Wut, kann im übertragenen Sinne gesehen werden. Ist es die Infektion die tötet, oder ist sie nur ein cineastisches Stilmittel um die Wut, die Gewaltbereitschaft bzw. das Gewaltpotenzial des Menschen zu visualisieren?! Ich kann nur den Hut ziehen vor Mr. Boyle, wie er es schafft den Film auf so vielen verschiedenen Ebenen spielen und wirken zu lassen; mein voller Respekt.
Die Wirkung, unser Stichwort. Wie auch in seinen anderen Filmen schafft es Boyle durch Musik, Kamera und Schnitt sein Werk zu perfektionieren. Beginnend bei dem Score der sich relativ zurückhaltend verhält und dadurch die simple triste Welt und die kalte emotionslose Atmosphäre bekräftigt. Die größte und wichtigste Rolle spielt die geniale Kamera von Boyle, der sich damit einmal mehr als einer der Meister darin bezeichnen kann und darf. Komplett auf DV gedreht verleiht die Kamera dem Film und seinem Zuschauer eine sehr enge, persönliche und nahbare Beziehung. Nicht geschönt sondern gänzlich durch kalte, graue, dreckige Bilder bestechend wird das Thema erfasst. Der Look komplettiert das Ganze, da vorallem die Stadtszenen im grobkörnigen Raster gehalten werden und deshalb sehr bedrohend wirken. Teilweise schneller Stakkato-Schnitt (jedoch keines der aktuellen Epileptiker-Editings) verdeutlicht die Hektik und die Angst der Figuren. Man fühlt sich unwohl, fühlt mit den Protagonisten. Lediglich der letzte Shot in dem kleinen Häuschen am Schluss wurden auf 35mm abgedreht, satte Farben und eine hohe Detailtreue dienen als Unterstützung. Der Einsatz dieser Mittel ist auf der einen Seite so simpel, doch auf der anderen so genial und wirkungsvoll, da könnten Andere sich ordentlich was abgucken.
Nicht zuletzt tragen die starken Leistungen der Darsteller dazu bei, den Film zu einem wahren Hochgenuß zu machen. Cillian Murphy gefällt mir wahnsinnig gut und liefert eine beeindruckende Vorstellung ab, auch Naomie Harris (Selena), Brendan Gleeson (Frank), Megan Burns (Hannah) und Christopher Eccleston überzeugen auf ganzer Linie.
Vom Ausbruch des Virus bis hin zu seinem jähen Ende entfaltet sich ein atmosphärischer Genremix der fesselt und mit Hilfe einer großartigen Regisseurleistung zu einem wahren Highlight auffährt. Der Zuschauer wird als Begleiter in einen Strudel aus Verzweiflung, Angst und Dramatik involviert. "28 Days Later" ist ein Juwel, dass aus der grauen Masse der Kieselsteinfilmchen hervor sticht. Kein stupider Horrorfilm sondern ein ernstes Drama, welches definitv empfehlenswert ist.
>> geschrieben von Benjamin Johann