Moviebase Blair Witch Project, The
Ihr fragt Euch sicher, warum wir, eine Filmwebseite, die sich den Namen The Blair Witch Project auf den Leib geschrieben hat, erst jetzt mit einer Filmbesprechung beginnen, die zwei Jahre nach Onlinegang nun endlich öffentlich präsentiert wird. Eigentlich lässt sich dieses Mysterium recht leicht enträtseln, denn schließlich wollen wir kompetente, und vor allem unvoreingenommene Filmkritiken präsentieren, die Euch, unseren Besuchern, als Leitfaden für einen möglichen Kinobesuch bzw. DVD-Kauf dienen sollen. Trotz der Gefahr, als voreingenommen abgestempelt zu werden, wage ich mich hier an die Besprechung des (für mich) wohl wichtigsten Horrorfilms der letzten Jahrzehnte.
Kaum ein Film löste einen vergleichbaren Hype aus, und dabei war das Konzept doch so einfach und dennoch überraschend innovativ. Mit einem vorgetäuschten Marketingtrick wird dem Publikum noch lange vor dem offiziellen Kinostart weiß gemacht, im „The Blair Witch Project“ getauften „Dokumentarfilm“ gäbe es tatsächlich gefilmte Aufnahmen des Verschwindens dreier Studenten mit den Namen Heather, Mike und Josh, die sich mit ein paar Kameras bewaffnet in den örtlichen Wald aufmachten, um den uralten Mythos der „Blair Witch“ zu enträtseln. Eine passende Webseite eingerichtet, die Besucher mit einigen Bildern und Tonaufnahmen auf das Kommende vorbereitet, verbreitet sich die Nachricht rasend schnell im Internet, dem Fernsehen und durch typische Mund zu Mund Propaganda.
Nachdem die „Haxan Films“ Jungs – die eigentliche Produktionsfirma des Films, die trotz des großen Erfolges bis auf den unveröffentlichten Horrorstreifen „Altered“ auch heute nichts vorzuweisen hat – ihr „Projekt“ beim bekannten Sundance Festival vorstellten, war mit dem Indi-Publisher „Artisan Entertainment“ schnell ein Steckenpferd gefunden. Unzählige Bilder und eine Pseudo-Doku mit dem Namen „The Curse of the Blair Witch“ später, startete der Film, von hunderttausenden von Fans erwartet, in den amerikanischen Kinos.
Anders als in den Werbeeinblendungen dargestellt, geht es im Film dann doch recht gemächlich zu, was einige Kinogänger sicherlich verärgert haben dürfte. Aber gut, es handelt sich beim „The Blair Witch Project“ schließlich um eine Dokumentation, und die sind nun mal recht langsam im Aufbau. Hab ich nicht Recht? Wir begleiten die junge Studentin Heather also auf ihrem Weg zum Ruhm. Zwei Freunde im Gepäck beginnt die wilde Fahrt im Städtchen Burkittsville, wo noch schnell einige Aufnahmen und Interviews gesammelt werden, um das Spannende, den Waldspaziergang, zu untermalen. Wer bis hier hin keine Kopfschmerzen erleiden musste, die dank der „geübten“ Kameraführung unserer jungen Filmemacher bei vielen Besuchern auftraten, kann den restlichen Film in Ruhe genießen und ist vor Folgeschäden relativ sicher. Die genannten Kopfschmerzen, gefolgt von Übelkeit, traten bei mir glücklicherweise nie auf.
Die „Black Hills“ (Der Wald) stellen hier das große Mysterium dar. Die Tatsache, auf die der Film unweigerlich hinaus läuft, bis zum bitteren Ende, das vor Filmbeginn bereits klar sein dürfte. Einmal betreten, liegt eine Rückkehr nicht im Bereich des Möglichen. Auch diese Tatsache dürfte von Beginn an klar sein. Gerade weil dieses unbeschreibliche Grauen, auf das man sich mit dem Einlegen der DVD einlässt, von weiter Ferne in greifbare Nähe rückt, dürfte auch beim letzten Zuschauer ein Funke überspringen. Die dunklen Wälder, durchnässt vom windigen Herbst, der mit schweren Wolkenbrüchen über das Land zieht und die einst grünen Blätter der Bäume nur noch gelblich schimmert von den längen Ästen hängen lässt, stellen den größten atmosphärischen Pluspol dar und geben dem „Blair Witch Project“ einen unbeschreiblich düsteren, und vor allem realen Look.
An dieser Stelle sei angemerkt, das den Darstellern kein Drehbuch zur Verfügung stand. Auf gut Glück liefen die Jungdarsteller durch ein abgestecktes Territorium, präpariert mit kleinen Futterstellen, immer wieder mit kleinen Anweisungen der Regie gefüttert, um das Geschehen so wirklich wie nur möglich erscheinen zu lassen. Niemand wusste, was am nächsten Tag geschieht, oder ob die kommende Nacht ebenso geräuschvoll enden würde wie die vorangegangene. Mit jedem Tag gab es weniger Essen, das den kraftentzerten Körpern gut tun könnte. Die seelischen Strapazen müssen riesig gewesen sein, und dabei zusätzlich immer im Hinterkopf zu haben, diese beschwerliche Reise für wenige hundert Dollar auf sich genommen zu haben, ohne Aussicht auf Erfolg.
Und doch sind die darstellerischen Leistungen hervorragend – ausnahmslos. Im immer dichter werdenden Gestrüpp aus Lügen, Angst und Dunkelheit, laufen Heather Donahue, Michael Williams und Josua Leonard zu Hochform auf. Der dokumentarische Aspekt hat natürlich auch seine guten Seiten. So kommen dem Zuschauer die Charaktere wesentlich näher, als man es in einem Hollywood-Blockbuster erwarten könnte. Wobei es falsch wäre, hier von Charakteren zu sprechen, denn im wahrsten Sinne des Wortes gibt es im Film die eigenen Ängste der Darsteller zu sehen, die sich nicht auf einen abgesprochenen Ablauf verlassen konnten. Intimere Einblicke in die Psyche eines Schauspielers erlangt man recht selten, was wiederum zum Verständnis führt und Sympathie oder Abneigung entstehen lässt.
Eine gehörige Portion Fantasie sollte schon mitgebracht werden, um sich wirklich eindrucksvoll in die Lage des Dreiergespanns versetzen zu können. Doch schon allein die Urängste, die im Film wachgerufen werden und in jedem Menschen schlummern, schaffen ein Unwohlsein, das seinesgleichen sucht. Trotz des zähen Anfangs schafft es „The Blair Witch Project“ beispiellos, die Motivationskurve ins Unendliche zu befördern. Die Dunkelheit, Angst, komische Geräusche im dichten Unterholz. Welchem normalen Menschen läuft es bei dieser Vorstellung nicht bereits kalt den Rücken runter? Faszinierend wirkt hier auch die Mythologie im Ganzen, die die Filmemacher geschickt entworfen haben. Beruhend auf einem Mythos, der im alten Europa tausende Opfer forderte, geht es hier schließlich um eine Hexe, die den eigentlichen Hauptdarsteller darstellt, jedoch nie auftaucht. Allein im Gedanken des Zuschauers verhaftet, gruselt es sich doch umso besser. Keine Special-Effects Firma schafft es ein Gefühl vermitteln, wie es die Fantasie eines verängstigten Menschen zu zeigen vermag.
Tiefer in die Geschichte dieses Machwerks einzudringen, wäre sicherlich ein Fauxpas, denn hier lebt das auf Zelluloid gebannte Material von der Fantasie des Betrachters. Um auch mit der Meinung aufzuräumen, das Hexen-Epos driftete nach der Bekanntgabe, dass es sich um nachgestelltes Filmmaterial handelt, in die Langeweile ab, hier ein paar Worte: Ist ein Film vom Schlage eines „Krieg der Welten“ weit weniger interessant, weil allgemein bekannt ist, dass dieses Szenario in den nächsten Jahrhunderten mit Sicherheit ausbleibt? Beileibe nicht! Ähnlich ist es dann auch bei „The Blair Witch Project“. Die Handlung liegt im Bereich des Machbaren, wenn auch nur für jene mit einem Gespür für das Übernatürliche.
Ein ungemein gehaltvolles Werk, das mit einfachsten Mitteln Ängste beim Zuschauer auslöst. Ein wahrhaftiges „Minimalprinzip“, das auch in zwanzig Jahren funktionieren wird, weshalb sich dieser Film (für mich) schon jetzt in die hohe Riege der Meisterwerke einreiht. Die Kamera mag etwas nervig sein, das Bild ist teils unscharf, doch wen stört's, wenn das Endergebnis stimmt? Daniel Myrick und Eduardo Sanchez haben etwas Großes abgeliefert, das viele Filme inspirierte und gleichzeitig Schöpfer des eigens erstampften „Mockumentary“ Genres darstellt. Für Fans des phantastischen Genres ist ein Abend mit diesem Film ohnehin Pflicht, und es wird sicher nicht der letzte sein. Ängstliche Gemüter seien vorgewarnt, denn ungeschoren lässt sich es nach dem Genuss mit Sicherheit nicht einschlafen.
>> geschrieben von Torsten Schrader
Der Senf vom Kollegen
Als Namenspatron hat der Streifen auch bei uns eine Art Ausnahmestatus, wenn auch beim einen mehr und beim anderen weniger ;)
>> geschrieben von Dominic Stetschnig