Texas Chainsaw Massacre – Filmkritik: Leatherface enttäuscht

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Das 2018 veröffentlichte Reboot Halloween machte mit der Horrorreihe, die aus John Carpenters Genreklassier Halloween – Die Nacht des Grauens entstanden war, kurzen Prozess. Alle Fortsetzungen und Neustarts wurden auf Handlungsebene bewusst ignoriert. Einziger Fixpunkt war das Original von 1978, an das Regisseur David Gordon Green und seine Koautoren Jeff Fradley und Danny McBride mit ihrem rund 40 Jahre später spielenden Beitrag anschlossen. Große Bedeutung bekam in ihrem Drehbuch der Gedanke, dass sich die ursprüngliche Protagonistin Laurie Strode (Jamie Lee Curtis) durch das Trauma der blutigen Begegnung mit dem übermenschlichen Killer Michael Myers in eine Einsiedlerin verwandelt hat, die fast schon sehnsüchtig auf den Tag wartet, an dem sie ihren Peiniger richten kann. Die Gewalt, der sie als junge Frau ausgesetzt war, lässt sie selbst zu einer unberechenbaren Furie werden, von der sich alle nahestehenden Menschen abwenden.

An diesen interessanten Ansatz fühlt man sich erinnert, wenn man auf den von Netflix erworbenen Horrorstreifen Texas Chainsaw Massacre schaut, hinter dem mit Fede Álvarez einer der derzeit angesagtesten Genremacher als Produzent und Ideengeber steckt. Nach Evil Dead, dem kammerspielartigen Schocker Don’t Breathe und dessen Fortsetzung wendet sich der Uruguayer nun Tobe Hoopers The Texas Chainsaw Massacre (hierzulande auch bekannt als Blutgericht in Texas) zu, einem Meilenstein des US-amerikanischen Terrorkinos, der – ähnlich wie Halloween – Die Nacht des Grauens – ein Franchise mit qualitativ fragwürdigen Titeln lostrat. Zuletzt versuchten sich die schreckenserprobten Franzosen Alexandre Bustillo und Julien Maury mit Leatherface, einem Prequel zum Originalfilm, an einer Wiederbelebung des Stoffes. Das Ergebnis: leider wenig berauschend!

Álvarez und sein Landsmann Rodo Sayagues, die die Grundidee für das mittlerweile neunte Reihenkapitel lieferten, schlagen zusammen mit ihrem Drehbuchautor Chris Thomas Devlin eine nach David Gordon Greens Halloween riechende Route ein. Texas Chainsaw Massacre schließt nicht an einen der früheren Franchisebeiträge an, sondern bezieht sich direkt auf Hoopers mit wenig Geld gedrehten Geniestreich und versetzt die im Ursprungswerk entkommene Protagonistin Sally Hardesty fast 50 Jahre nach den dortigen Ereignissen in einen Laurie-Strode-Rachemodus.

Die Kettensäge kommt erneut zum Einsatz! ©Yana Blajeva/Legendary/Netflix

Sally will sich endlich an Leatherface rächen!

Leatherface, der ikonische, kettensägeschwingende Killer konnte nach den Morden an Sallys Clique verschwinden und untertauchen. Bis heute weiß niemand, wo er steckt. Und doch hat die sichtlich gealterte Überlebende von damals (verkörpert von Olwen Fouéré), die in den Polizeidienst eintrat, die Hoffnung nicht begraben, den Hünen mit der Maske aus Menschenhaut irgendwann zur Strecke zu bringen. Das alles wird uns und den Hauptfiguren des neuen Films in den ersten Minuten auf nicht sehr elegante Weise über einen Fernsehbericht und einen auskunftsfreudigen Tankstellenbetreiber (Sam Douglas) mit auf den Weg gegeben.

Im Mittelpunkt steht dieses Mal eine Gruppe junger, natürlich Social-Media-affiner Geschäftsleute, die eine texanische Geisterstadt namens Harlow ansteuern, um dieser wieder Leben einzuhauchen. Neben dem Pärchen Dante (Jacob Latimore) und Ruth (Nell Hudson) ist auch Melody (Sarah Yarkin) mit an Bord, die ihre labile Schwester Lila (Elsie Fisher) gegen deren Willen im Schlepptau hat. Bei ihrer Ankunft in der fast verlassenen Ortschaft liegen sofort Spannungen in der Luft. Nicht nur wegen des rüden Gebarens von Richter (Moe Dunford), der die Renovierungsarbeiten für die Jungunternehmer durchführen soll. Brenzlig wird es vor allem, als Melody und Dante eines der Häuser betreten, um eine Südstaatenflagge abzuhängen. Den in Kürze erwarteten Investoren soll nicht das Gefühl vermittelt werden, in einem reaktionären Umfeld gelandet zu sein.

In dem renovierungsbedürftigem Gebäude, einem alten Waisenheim, treffen die beiden Neuankömmlinge auf die Besitzerin (Alice Krige). Da sie sich weigert, ihr Domizil zu verlassen, und behauptet, die Unklarheiten mit den Eigentumspapieren seien längst geklärt, schaltet der ungeduldige Dante kurzerhand die Polizei ein. Mit fatalen Folgen…

Fast 50 Jahre später: Leatherface tötet wieder. ©Yana Blajeva/Legendary/Netflix

Wann TEXAS CHAINSAW MASSACRE überzeugt und wann nicht

Fangen wir mit den positiven Dingen an: Der Schauplatz von Texas Chainsaw Massacre ist ansprechend. Eine beinahe ausgestorbene Geisterstadt hat immer etwas Unheimliches an sich. Und die Szenenbildabteilung gibt sich alle Mühe, Harlow trostlos-heruntergekommen erscheinen zu lassen. Bei den Figuren erbarmt sich das Drehbuch zumindest in einem Fall, eine Hintergrundgeschichte mit dramatisch-emotionalem Potenzial zu liefern. Dieses Element verpufft aber leider ohne besonders große Wirkung, weil es dann doch viel zu halbgar bleibt. Leicht erahnen lässt sich angesichts der Profillosigkeit der anderen Charaktere überdies, wer dem rasenden Leatherface am Ende von der Klinge springen wird.

Eine gewisse Ambivalenz möchte der Film seinen Protagonisten zusprechen und stimmt etwas Kritik an ihrem Auftreten an. Spätestens wenn der Bus mit den Investoren Harlow erreicht, drängt sich der Eindruck auf, es mit einer mit Geld gerne um sich werfenden Partymeute zu tun zu haben. Wie Heuschrecken fallen die jungen Leute in den Ort ein und scheren sich nicht um die Befindlichkeiten der noch hier lebenden Menschen. Auch diese Überlegungen werden allerdings nicht konsequent genug verfolgt. Stattdessen fädeln Álvarez und Co lieber, mehr schlecht als recht, den Sally-muss-ein-für-alle-Mal-aufräumen-Strang in ihre überschaubare Geschichte ein. Die Wucht, die Laurie Strodes Feldzug im Halloween-Streifen von 2018 entwickelt, sucht man hier jedoch vergebens. Nicht zuletzt, weil Olwen Fouéré eine eher schwache Rächerin mit Cowboyhut abgibt.

Ein dünner Plot und wenig ausgefeilte Figuren bedeuten aber noch nicht, dass Hopfen und Malz verloren sind, wie Tobe Hoopers Original beweist. Mit geschicktem Einsatz der filmischen Mittel lassen sich inhaltliche Versäumnisse zuweilen vergessen machen. Ausgerechnet in dieser Hinsicht kommt der von David Blue Garcia (ersetzte die nach kreativen Differenzen gefeuerten Regiebrüder Andy und Ryan Tohill) inszenierte Texas Chainsaw Massacre allerdings nur selten über das Vorhersehbare hinaus. Vereinzelt gibt es einen Moment, der den Puls kurz nach oben treibt. Die – bevorzugt praktischen – Gore-Effekte haben es sicher in sich. Anders als von Álvarez betont, wird der Film dem Erbe des Ursprungswerks von 1974 jedoch nur bedingt gerecht. Obschon wiederholt Verneigungen und Anspielungen zu finden sind, versteht der neue Schocker offenkundig nicht, wie sein Vorbild funktioniert. Werden bei Hooper dem Zuschauer viele im Bild überhaupt nicht stattfindende Grausamkeiten durch schnelle Schnitte und eine hysterische Klangkulisse in den Kopf gepflanzt, ergeht sich die Netflix-Veröffentlichung in zahlreichen expliziten Gewaltakten und verkommt teilweise zum Funsplatter samt plumpen Die-Kettensäge-ist-ein-Phallus-Scherzen. Dass am Ende auch noch eines der ältesten Horrorklischees überhaupt herhalten muss, passt ins Bild dieser weder besonders spannenden noch cleveren Klassikerfortsetzung.

>> von Christopher Diekhaus

Regisseur David Blue Garcia. ©Yana Blajeva/Legendary/Netflix

Geschrieben am 18.02.2022 von Carmine Carpenito



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